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„Step by step“ in den Krieg
Wolf Wetzel aus dem Buch „Krieg ist Frieden“


„Die Normalisierung des militärischen Faktors war zunächst die Politik Helmut Kohls; und sie war überaus erfolgreich. In diesen Krieg [gegen Jugoslawien] wurden wir systematisch hineingeführt. Das war die Strategie des damaligen Verteidigungsministers Rupert Scholz, weitergeführt von [...] Gerhard Stoltenberg und von Volker Rühe: „Step by step“*. Die sind immer an die Grenzen der öffentlichen Zumutbarkeit gegangen: humanitärer Einsatz in Kambodscha, Minenräumen im Golf, Awacs-Überwachungsflüge über die Adria, zwischendurch Somalia, Sfor-Einsätze. Und bei allem nie eine direkte Beteiligung am Kampfgeschehen. Ziel war aber von Anfang an, alle Grenzen Stück für Stück so weit zu verschieben, dass das Militär wieder zu einem Mittel von Politik gemacht werden kann.“ (Wolfgang R. Vogt, wissenschaftlicher Direktor an der Führungsakademie der Bundeswehr)

* „Step by step“ ehemaliger CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe, Spiegel 17/1993

1955
Die Siegermächte besiegeln mit den ‚Pariser Verträgen‘ die Remilitarisierung der BRD: „Auf dem Weg über die Wiederbewaffnung konnte die volle Souveränität der Bundesrepublik erreicht werden.“ (CDU-Bundeskanzler Adenauer, Spiegel 17/1993)
Die BRD tritt dem Nato-Bündnis bei.
Am 15. Januar versammeln sich über 5000 Menschen auf dem Römer in Frankfurt, um gegen die Ratifizierung der Pariser Verträge und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zu demonstrieren. Zu dieser Protestkundgebung haben die Gewerkschaftsjugend, die Naturfreundejugend, die Falken, die Jungsozialisten, der SDS und die Gruppe der Wehrdienstverweigerer (GdW) aufgerufen.

1956
Die allgemeine Wehrpflicht wird eingeführt.

1958
Am 25. März wird im Bundestag mit CDU-(Regierungs-)Mehrheit die atomare Aufrüstung beschlossen.
Ein Bündnis aus ‚Kampf dem Atomtod‘ und dem Kreisausschuss des DGB führt in Frankfurt eine Kundgebung von ca. 35 000 Menschen gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr durch. Unter anderem tritt dabei auch der SPD-Oberbürgermeister Werner Bockelmann als Redner auf.

1966
Eine von mehreren studentischen Organisationen durchgeführte Demonstration gegen den Vietnam-Krieg der USA, an der sich ca. 700 TeilnehmerInnen beteiligen, gerät mit einer Gegendemonstration des RCDS (Ring christlich-demokratischer Studenten) zusammen. Es kommt zu einem Handgemenge.

1967
Die Notstandsgesetze, die gesetzliche Grundlage für einen Krieg im Inneren werden verabschiedet. Im Falle der Ausrufung des Notstandes werden demokratische Grundrechte außer Kraft gesetzt. An ihre Stelle tritt die Bundeswehr, deren Einsatz gegen eine innere Opposition legalisiert wird.

1979
Die Nato verabschiedet den sogenannten Doppelbeschluss: Sie ‚bietet‘ der Sowjetunion Abrüstungsvorschläge an und droht im Falle des kalkulierten Scheiterns mit der Stationierung atomarer Pershing-II-Raketen und Marschflugkörper in Deutschland.

1982
„Wartime Host Nation Support Agreement“
Ein militärisches Abkommen zwischen den USA und der BRD, das die deutsche Beteiligung an Kriegen der USA regelt (z.B. die Bereitstellung zivil-militärischer Einrichtungen wie Flug- und Landebahnen, Krankenhäuser etc.)

1983
Im Rahmens des sogenannten Nachrüstungsbeschlusses werden 108 Pershing-II-Raketen mit atomaren Sprengköpfen und 96 Marschflugkörpern mit sechsminütiger Flugzeit nach Moskau in Deutschland in Stellung gebracht.

8. Mai 1985
Bundeskanzler Helmut Kohl erhebt die Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen zum Staatsakt: Mit US-Präsident Ronald Reagan zusammen besucht er neben dem ehemaligen KZ Bergen-Belsen den SS-Soldatenfriedhof in Bitburg.

1986 bis 1987
Der Versuch des Historikers Ernst Nolte, den Nationalsozialismus in andere große europäische (Kriegs-)Verbrechen einzureihen, löst den ersten ‚Historikerstreit‘ aus. Er scheitert am entschiedenen Widerspruch linker wie liberaler KritikerInnen.

1989 bis 1990
Historikerstreit (2. Auflage)
Der Historiker Ernst Nolte erneuert seine Behauptung, der 1933 an die Macht gekommene Nationalsozialismus sei lediglich eine „feindselige Imitation des wichtigeren russischen Jahres 1917“ (die revolutionäre Machtergreifung der Bolschewiki). Diese Mal setzt er sich mit seinem Normalisierungsverlangen durch: Die Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen ist kein Skandal mehr, sondern Ausgangspunkt eines ‚gesunden‘ Nationalbewusstseins.

1991
Die Totalitarismustheorie bekommt eine Gedenkstätte: Auf dem Gelände des ehemaligen KZ Sachsenhausen wird der Opfer des Nationalsozialismus und der sowjetischen Besatzung gleichermaßen gedacht.

1991
Deutschland hat mit seiner Geschichte abgeschlossen, es kann sich künftig offen zu seiner Weltmachtrolle bekennen und soll diese ausweiten.“ (Ex-CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl)
US-alliierter Krieg gegen den Irak
„Bonn stockt Kriegskasse weiter auf. [...] An den Kosten des Golfkrieges wird sich die Bundesrepublik alleine bis Ende März mit rund vierzehn Milliarden Mark beteiligen. Nachdem mehrere Alliierte Bonn wegen seiner Zurückhaltung im Golf-Konflikt kritisiert hatten, sagte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) dem US-Präsidenten George Bush [...] zusätzliche 8,25 Milliarden Mark zu den bereits an die Alliierten und die Frontstaaten geleisteten Zahlungen von 5,3 Milliarden zu. Außerdem wird die Bundeswehr-Präsenz in der Türkei durch die Stationierung von 580 Soldaten und die Verlegung mehrerer Abwehrsysteme der Typen ‚Roland‘ und ‚Hawk‘ verstärkt.“ (FR vom 30. Januar 1991)

1991 bis 1996
Hubschrauber und ein Transall der Bundeswehr unterstützen die UN-Inspektoren im Irak.

1991 bis 1992
Im Zuge des US-alliierten Krieges gegen den Irak werden Minensuchboote der Bundeswehr vor die Küste Kuwaits verlegt.

1991 bis 1993
Bundeswehreinsatz mit Verbandsmaterial und Sanitätern in Kambodscha.

26. November 1992
Die neuen Kriegsziele der Nato werden in die „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ der Bundeswehr vom 26.11.1992 eingearbeitet: „2. Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Zukunft ist ein ganzheitlicher Ansatz von Schützen und Gestalten [...] 8. [...] Dabei lässt sich die deutsche Politik von vitalen Sicherheitsinteressen leiten: [...] Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zuganges zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordung [...] Nach Auflösung der bipolaren Ordnungsstruktur gewinnen regionale Krisen und Konflikte und nicht-militärische Risiken an Virulenz und Brisanz. Ihr Spektrum reicht von der innerstaatlichen Dimension sozialer, ethnischer, religiöser und ökonomischer Krisen über die regionale Dimension, die auch machtpolitische Faktoren, territoriale Ansprüche und Verteilungskämpfe umfasst, bis hin zur globalen Dimension des Wohlstands- und Entwicklungsgefälles sowie demographischer, ökonomischer und ökologischer Fehlentwicklungen.“

1992 bis 1996
Beteiligung an der Seeblockade gegen Jugoslawien

1993
„Nach außen gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind: Im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle finden, die unseren Wünschen und unserem Potential entspricht. [...] Unsere Bürger haben begriffen, dass die Zeit unseres Ausnahmezustandes vorbei ist.“ (ehemaliger Bundesaußenminister Kinkel, ‚Der Informationskrieg‘, GIB, S.21)

1993 bis dto.
Einsatz von AWACS-Maschinen zur Überwachung des Flugverbotes in Bosnien-Herzegowina.

1993 bis 1994
Bundeswehreinsatz in Somalia mit bis zu 1700 Soldaten, getarnt als Samariter in Uniform (“die Engel von Phnom Penh“, Bundeswehr-Großanzeige) und promotet als „humanitärer Einsatz“ mit UN-Mandat: „Mit dem Somalia-Trick, so das Konzept, lassen sich die Zauderer daheim für solch weitreichende Militäraktionen leichter vorbereiten.“ (Spiegel vom 26. April 1993)

1994
„Für die Zukunft sehe ich die erhebliche Gefahr, dass die Bundesregierung, Koalition und Generalität nach den Gesetzen der Salamitaktik Anlässe suchen und Anlässe schaffen werden, um die Barrieren abzuräumen, die es gegenüber der Außenpolitik des vereinten Deutschland noch gibt. Als Vehikel dienen dabei die Menschenrechts- und Humanitätsfragen.“ (Joschka Fischer, noch in Regierungsopposition, ‚Die Woche‘ vom 30. Dezember 1994)

1994 bis 1995
Auf dem langen Weg zur „außenpolitischen Normalität“, sprich Kriegsbeteiligung, werden Rekrutenvereidigungen immer wieder auf öffentlichen Plätzen abgehalten.

1995
ECR-Tornados der Bundeswehr beteiligen sich an Nato-Angriffen gegen die „bosnischen Serben“.

1996
Stationierung von deutschen Soldaten in Bosnien, getarnt als „friedenssichernde Maßnahme“.
Anweisung für die Truppenpraxis: „Im nächsten Jahrhundert werden die jetzt im Frieden miteinander lebenden wohlhabenden Staaten und Regionen ihren Wohlstand verteidigen müssen. [...] Um die Dinge, die man kaufen konnte, wird man Krieg führen müssen. [...] Das 21. Jahrhundert wird eine Ära eines neuen Kolonialismus sein. [...] Die Kolonien der Zukunft werden vor allem Ressourcenlieferanten und Absatzmärkte sein.“ (Die neuen Herausforderungen Nr.2/1996 und 3/1996)

1998
In Folge der Auszeichnung Martin Walser mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entspinnt sich die Walser-Bubis-Debatte.
Auf dem Weg zu einem ganz ‚normalen‘ Nationalismus fordert der Schriftsteller Martin Walser den damaligen Vorsitzenden des Zentralrat der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis auf, „die unaufhörliche Präsentation unserer Schuld“ einzustellen. Der „Moralkeule Auschwitz“ setzt er das Recht auf „Wegschauen“ entgegen. Anderenfalls „müssen Sie sich nicht wundern, wenn die Leute sich wehren.“ – womit gemeint ist: Am Antisemitismus sind die Juden selbst schuld.

Mit dem Blick fürs Ganze legt die SPD-Bundestagsfraktion im Juni 1998 ein Positionspapier vor, mit dem Titel „Deutsche Interessen und Europäische Politik in den transkaukasischen und zentralasiatischen Staaten“. Was damit gemeint ist, erklärt Rudolf Scharping im Vorwort: Er sehe „attraktive Gestaltungsmöglichkeiten, [um] den eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen Geltung zu verschaffen.“ (Info des Münchener Bündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz, 2/2002)

1999
„Nie wieder Auschwitz! Das ist in meinen Augen die einzig denkbare Grundlage für die neue Berliner Republik“ (Spiegel 13/2001), sagte der grüne Außenminister Joschka Fischer in einem im Februar geführten Gespräch mit dem französischen Philosophen Bernhard-Henri Levy. Einen Monat später wurde ‚Nie wieder Auschwitz‘ zur Kriegsbegründung.

24. März 1999
Die Bundesrepublik beteiligt sich zum ersten Mal nach 1945 an einem Angriffskrieg gegen Jugoslawien: „Könnte es sein, dass sich Deutschland seit wenigen Tagen definitiv im Zustand der Normalität befindet? [ ] Bundeswehrluftwaffe [...] an vorderster Front [...] seit Frühjahr 1945 stehen wir wieder mittendrin. [...] der längst fällige Durchbruch zur kompletten Normalität. [...] Auf dem Sektor der Ökonomie hat die Bundesrepublik die Normalisierungsprozesse bereits seit Jahrzehnten abgeschlossen. Jetzt ist auch die ganze Palette der Außenpolitik erfasst.“ (Kommentar der FR vom 25. März 1999)
Die Bundeswehr nimmt mit ECR-Tornados an der Bombardierung Jugoslawien teil.
Adenauers Traum ist parteiübergreifende Wirklichkeit geworden.

24. April 1999
Die Bundesregierung stimmt in der 50. Nato-Sitzung in Washington/USA dem neuen Nato-Konzept (‚Washingtoner Erklärung‘) zu, das sich zu Angriffskriegen außerhalb des Bündnisgebietes selbst legitimiert. Kriegsfall ist nicht länger ein feindlicher Angriff auf einen der Nato-Partner, sondern die Bedrohung eines Bündnismitglieds durch die „Unterbindung der Energieversorgung oder Sabotageakte“.

14. Juni 2000
Am 14. Juni 2000 wird die Bundeswehrreform, unter dem Titel „Die Bundeswehr sicher ins 21. Jahrhundert. Eckpfeiler für eine Erneuerung von Grund auf“ vom Bundeskabinett gebilligt. Was vorher als Krisenreaktionskräfte (KRK) bezeichnet wurde, heißt jetzt schlicht Einsatzkräfte. Ihre Stärke wird auf rund 150 000 verdreifacht. Ähnliches passiert mit den Einsatzoptionen. In Zukunft soll die Bundeswehr „qualitativ und quantitativ dem politischen Gestaltungsanspruch und Gewicht Deutschlands“ Rechnung tragen:
  • „eine große Operation mit bis zu 50 000 Soldaten aller Teilstreitkräfte über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr
  • oder zwei mittlere Operationen mit jeweils bis zu 10 000 Soldaten über mehrere Jahre

  • sowie jeweils parallel dazu mehrere kleine Operationen“ (Alaska, Heft 239, S.21)
20. November 2000
Die Europäische Union als Militärmacht
In Brüssel erklären sich die EU-Außen- und Verteidigungsminister bereit, ab dem Jahr 2003 eine EU-Eingreiftruppe von insgesamt 100 000 Soldaten, 400 Kampfflugzeugen und 100 Kriegsschiffen bereitzustellen.
„Deutschland stellt mit 18 000 SoldatInnen das mit Abstand größte Kontingent. [...] Der künftige Direktor der EU-Truppe wird der deutsche General Rainer Schuwirth sein.“
(Alaska Nr. 237, 9/2001)
„Wir Europäer wollen und werden mitbestimmen, wenn die Spielregeln festgelegt werden für die globale Ordnung des 21. Jahrhunderts.“ (Gerhard Schröder, Jungle World vom 16. Oktober 2002)

2001
Die rot-grüne Regierung beschließt ein insgesamt 200 Milliarden Mark teures „neues Material- und Ausrüstungskonzept“ für die Bundeswehr, das v.a. der Interventionsfähigkeit dient: Im Rahmen dieser Bundeswehrreform soll eine 7400 Mann starke Division für spezielle Operationen (DSO), der unter anderem das Kommando Spezialkräfte (KSK) unterstellt ist, spätestens 2004 einsatzbereit sein: „Wir vollziehen mit der Struktur jetzt nach, was wir mental und in der Wirklichkeit auf dem Balkan schon geleistet haben: Den Wandel von der Friedens- zur Einsatzarmee.“ (Inspektor des Heeres, Helmut Willmann, Jungle World vom 17. Oktober 2001)

2001
Stationierung von deutschen Soldaten in Mazedonien, als Bestandteil der Nato-Truppen („essential harvest“). Was angeblich ein zeitlich begrenzter Auftrag war, wurde in eine fristlose Stationierung von Nato-Soldaten, unter deutschem Oberkommando, umgewandelt. Endlich bekommt auch Deutschland – militärisch – etwas von der Aufteilung des Balkans ab.

12. September 2001
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington erklärt der Vertreter Deutschlands im Nato-Rat seine Zustimmung zur Kriegerklärung der Nato gegen unbekannt: „Die Urheber der terroristischen Anschläge stehen bisher nicht fest.“ (Erklärung von Bundeskanzler Schröder vom 12. September 2001) Der dort ohne Widerspruch konstatierte Kriegsfall, der nach Artikel 5 der Nato-Statuten festgestellte „Beistandfall“ schließt laut Bundesregierung die Beteiligung an Kriegshandlungen nicht aus: „Im Nato-Hauptquartier präsentierte der amerikanische Regierungsbeuaftragte Francis Taylor [...] Belege dafür, dass der Terrorakt gegen das World Trade Center vom 11. September tatsächlich ein ‚Angriff von außen‘ war. [...] Nicht einmal die Hand musste der Deutsche [Nato-Botschafter Gebhardt von Molke] heben. Nach Taylors Vortrag erklärte [der Nato-Generalsekretär George Robertson] die neue Lage für gegeben. Ob einer widersprechen wolle? Schweigen. Damit war der Bündnisfall beschlossen – erstmals in der Geschichte der mächtigsten Militärallianz der Welt.“ Spiegel vom 8. Oktober 2001

19. September 2001
„Zu Beginn dieses neuen Jahrhunderts steht Deutschland auf der richtigen Seite. Auf der Seite der unveräußerlichen Rechte aller Menschen. [...] Diese Werte sind unsere Identität. Wir werden sie verteidigen. Mit Nachdruck und Entschlossenheit.“ (Regierungserklärung von Bundeskanzler G. Schröder , FR vom 20. September 2001)

15. Oktober 2001
Out of area – oder out of buisiness
Nach seinem Besuch bei US-Präsident George W. Bush in Washington formuliert Bundeskanzler Gerhard Schröder das „neue Selbstverständnis“ Deutschlands und das Endesekundäre(r) Hilfeleistungen. [...] Diese Etappe deutscher Nachkriegspolitik ist unwiederbringlich vorbei.“ (FR vom 12. Oktober 2001)
„Nur wenn wir im Boot sitzen und mitrudern, können wir versuchen, Tempo und Richtung der Fahrt mitzubestimmen.“ Ein Kanzler-Berater, Der Spiegel vom 8. Oktober 2001
„Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt von der Tabuisierung des Militärischen in der Politik über das Kosovo, über Mazedonien I und II.“ (Bundeskanzler G. Schröder, Der Spiegel vom 15. Oktober 2002)
„Es sind neue Konstellationen entstanden, und in diesen neuen Konstellationen muss Deutschland positioniert werden.“ Gerhard Schröder, Der Spiegel vom 15. Oktober 2001

7. November 2001
Die rot-grüne Bundesregierung beantragt die Bereitstellung von insgesamt 3900 Soldaten (einschließlich 100 KSK-Spezialkräfte, Spürpanzer und Kriegsschiffen) im Rahmen des US-alliierten Feldzuges „enduring freedom“.
Ihr Einsatzgebiet ist die halbe Welt: „ [...] die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien und Nord-Ost-Afrika sowie die angrenzenden Seegebiete“ – der militärische Operationsraum für einen Welt-Krieg.

13. November 2001
„Bundeskanzler Gerhard Schröder greift zur Durchsetzung des geplanten Afghanistan-Mandats der Bundeswehr zu seinem schärfsten parlamentarischen Druckmittel [immerhin hat er nicht zur Waffe gegriffen] und stellt am Freitag im Bundestag die Vertrauensfrage.“ (FR vom 14. November 2001)

16. November 2001
Der grüne Außenminister Joschka Fischer hob die Entscheidung im Bundestag in den Status einer „Entscheidung über die Zukunft unseres Landes“. (FR vom 17. November 2001). Die zur nationalen Frage erhobene Vertrauensfrage zeigte ihre gewünschte Wirkung. Die Zahl der Ablehnungen schmolz im Laufe der letzten Tage auf acht Abgeordnete der Bündnisgrünen. Um der rot-grünen Koalition auf jeden Fall eine eigene Mehrheit zu verschaffen, einigten sich die sogenannten KriegsgegnerInnen auf folgendes Verfahren: Vier von ihnen stimmten mit ‚Nein‘, die anderen vier stimmten mit ‚Ja‘, wobei jedes ‚Ja‘ auch ein ‚Nein‘, jedes ‚Nein‘ auch ein ‚Ja‘ hätte sein können. Damit wurde Persönlichkeitsspaltung in den Verfassungsrang gehoben.
Bundeskanzler Schröder fasst den Tag ganz schlicht zusammen: „Die Entscheidung, die für die Bereitstellung deutscher Streitkräfte zu treffen ist [...] ist notwendig, und deshalb muss sie getroffen werden. [...] Aber mehr noch, durch diesen Beitrag kommt das vereinte und souveräne Deutschland seiner gewachsenen Verantwortung in der Welt nach [...]“ FR vom 17. November 2001

26. Februar 2002
Die vom Bundestag beschlossene Beteiligung der Bundeswehr, unter Einschluss des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) am US-alliierten Krieg „Enduring Freedom“ war mit der Erklärung des Bundeskanzlers Schröder verknüpft, dass es sich dabei um keine direkten Kampfhandlungen in Afghanistan handle. In seiner Regierungserklärung vom 8. November 2001 hatte Bundeskanzler Schröder die Beteiligung deutscher Soldaten an Bodenkämpfen ausdrücklich ausgeschlossen: „Es geht weder um eine deutsche Beteiligung an Luftangriffen noch um die Bereitstellung von Kampftruppen am Boden.“
Jetzt bestätigt der Verteidigungsminister Rudolf Scharping Berichte, „wonach die deutschen Elitesoldaten schon seit Wochen an der Jagd auf Al-Qaeda-Terroristen beteiligt seien.“ FR vom 27. Februar 2002

28. Februar 2002
Enduring freedom – Manöver ohne Ende
Im Rahmen des US-alliierten Weltkrieges wurden neben besagten Eliteeinheiten in Afghanistan, auch ABC-Bundeswehreinheiten und ‚Fuchs‘-Spürpanzer nach Kuwait verlegt. Sie sollten lediglich an einem Manöver teilnehmen. Der nackte Zufall will es, dass die weitere Stationierung von Bundeswehreinheiten außerhalb des Nato-Gebietes mit den US-Kriegsdrohungen gegen den Irak zusammen fällt. Das Manöver wurde beendet: „Das Gerät bleibe da, damit man es im Ernstfall nicht erst auf die arabische Halbinsel schaffen müsse. Auch 50 Bundeswehrsoldaten sollen nach den Worten des Ministers in Kuwait bleiben.“ FR vom 28. Februar 2002
Dass die Umsturzplänen der USA gegen den Irak auf Hochtouren weiterlaufen, darf erneut als weiterer Zufall gewertet werden.

8. März 2002
Nach tagelangem Schweigen über den Einsatz des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan gibt der Verteidigungsminister Scharping bekannt, dass die deutschen Eliteeinheiten „Zugriff auf Taliban- und Al-Qaeda-Kämpfer, deren Infrastruktur sowie auf Versorgungs- und Fluchtwege“ (FR vom 9. März 2002) haben. Bereits Tage zuvor erklärte ein US-Offizier in Kabul, dass deutsche Eliteeinheiten „mit an vorderster Front“ (FR vom 9. März 2002) kämpfen. Zug um Zug nähert sich die deutsche Kriegsbeteiligung ‚dem Boden‘ der Tatsachen.

„Seit dem rot-grünen Wahlsieg 1998 – damals waren gut 2000 Soldaten in Bosnien und knapp ein Dutzend bei der UNO-Mission in Georgien stationiert – hat sich das Bundeswehr-Engagement im Ausland praktisch verfünffacht [...]
876 Soldaten der Internationalen Schutztruppe Isaf in Kabul,
92 Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Kandahar,
126 Isaf-Soldaten in Usbekistan,
238 ABC-Abwehrsoldaten in Kuwait,
1278 Sfor-Soldaten in Bosnien,
4705 Kfor-Soldaten im Kosovo,
586 Soldaten in Mazedonien“ (Der Spiegel vom 11. März 2002)

17. März 2002
Die Grünen haben sich ein neues Grundsatzprogramm gegeben. „Die Partei verabschiedet sich darin endgültig vom Prinzip der absoluten Gewaltfreiheit“ (FR vom 18. März 2002) Von nun an können sich die Grünen auch programmatisch wieder treu sein: „Grüne Politik ist Politik für Gewaltfreiheit. [...] Wir wissen aber auch, dass sich die Anwendung rechtsstaatlich und völkerrechtlich legitimierter Gewalt nicht immer ausschließen lässt.“ (FR vom 20. März 2002)
Mit diesem Bekenntnis zur Gewalt sind sie dort angekommen, wo sich die Politik und Praxis der Grünen bereits seit Jahren befinden.

25. April 2002
Die PDS stellt im Bundestag den Antrag, den von der Nato am 12. September 2001 ausgerufenen „Bündnisfall“, d.h. den Kriegszustand für beendet zu erklären.
Außer der PDS plädierten Regierungs- und Oppositionsparteien geschlossen für die Aufrechterhaltung der Nato-Kriegserklärung, für den „endlosen Zustand zwischen Krieg und Frieden“. Für die rot-grüne Bundesregierung erklärte Staatsminister Ludgar Volmer (Grüne), dass allen Beteiligten bei den Entscheidungen nach dem 11. September klar gewesen sei, dass der Kampf gegen Al Qaeda „einen langen Atem erfordert“.
„Deutschland wolle dabei Verlässlichkeit, Zielstrebigkeit und Ausdauer zeigen, meinte Volmer. Er äußerte sich nicht dazu, wie und wann der Bündnisfall aufgehoben werden könnte.“ (FR vom 27. April 2002)

8. Mai 2002
Als getarnte Wahlkampfveranstaltung trifft sich Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem Schriftsteller Martin Walser, um versöhnlich über die richtige Dosis rechten Patriotismus zu streiten.

14. Mai 2002
Staatsterrorismus
Unter dem Schutz(-schild) deutscher Behörden „traf eine Delegation mit CIA-Vertretern und dem für Terrorabwehr zuständigen stellvertretenden Sicherheitsberater Präsident Bushs, General Wayne Downing, im vergangenen Monat heimlich in Deutschland mit Massoud Barzani (Demokratische Partei Kurdistans) und Jalal Talabani (Patriotische Union Kurdistans) zur Diskussion der Mittel und Wege für einen Sturz Saddam Husseins zusammen.“ FAZ vom 14. Mai 2002

19. August 2002
„Mittlerweile stelle die Bundeswehr nach den USA das zweitgrößte Truppenkontingent in internationalen Einsätzen.“ (Bundeskanzler Gerhard Schröder, FR vom 19. August 2002)

4. November 2002
Die militärische Beteiligung Deutschlands an ‚Enduring Freedom‘ kostet „auf das Jahr umgerechnet 200 Millionen Euro.“ FAZ vom 4. November 2002
„Elitetruppe erhält Freiraum“ FR vom 4. November 2002
Der Kampfauftrag der KSK-Soldaten in Afghanistan, so Verteidigungsminister Peter Struck, wird ausgeweitet, „um einen noch eigenständigeren Beitrag zu leisten.“ FR vom 4. November 2002
Sie bekommen ihr eigenes Einsatzgebiet.

Eine Chronik aus: „Krieg ist Frieden“ von Wolf Wetzel
UNRAST-Verlag Münster – ISBN 3-89771-419-1





Krieg ist Frieden
Unrast Verlag – Münster – 2002

Nach dem Buch ‚Die Hunde bellen ... Von A bis (R)Z. Eine Zeitreise durch die 68er Revolte und die militanten Kämpfe der 70er bis 90er Jahre‘ setzt Wolf Wetzel die Zeitreise durch die deutsche Geschichte und radikale Linke der letzten zehn Jahre fort.
mehr über das neue Buch
 1. Februar 2003