Vorsicht! Arbeitslosengeld II
Damit Sie nicht unter die Räder kommen!
www.bag-shi.de 12.
August 2004
Für eine bundesweite zielgruppenorientierte Informationskampagne gegen
die Tücken und Fallen des neuen Alg II werden MitstreiterInnen gesucht.
Die Bundessarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen und die Arbeitslosenzeitung
quer rufen auf, im Zusammenwirken mit der sich verbreiternden u.a. gewerkschaftlichen
Gegenwehr zur Agenda-Politik die Unsäglichkeiten des Arbeitslosengeldes
II möglichst überall ins Licht der Öffentlichkeit zu ziehen. Wenn
es gut läuft, soll nicht weniger erreicht werden, als die Durchsetzung des
Alg II zu verhindern. Interessierte melden sich bitte bei der BAG-SHI.
Zum 1. Januar 2005 wird das Arbeitslosengeld II (Alg II) die Arbeitslosenhilfe
und die Sozialhilfe für erwerbsfähige Leistungsbezieher ersetzen. Nach
dem aktuellen Stand der Vorbereitungen ist zu befürchten, dass auf den Ämtern
am Stichtag der Leistungsumstellung chaotische Zustände herrschten werden
und Arbeitslose Gefahr laufen, ohne existenzsichernde Leistungen ins neue Jahr
zu rutschen. Noch viel gravierender wiegt die völlig unzureichende Höhe
dieser reduzierten Sozialhilfeleistung und die beispiellose Entrechtung von LeistungsbezieherInnen
durch das zweite Sozialgesetzbuch.
Beides – sowohl das zu erwartende Behördenchaos als auch die Degradierung
von Arbeitslosen – ist politisch gewollt, um den Zwang in Arbeit um jeden
Preis und das massenhafte Herausdrängen von Leistungsberechtigten aus dem
Leistungsbezug und aus der Arbeitslosenstatistik zu forcieren. Solche Konsequenzen
rot-grüner „Reformpolitik“ werden in der öffentlichen Debatte
weitgehend ausgeblendet. Hier geht es fast ausschließlich um den Finanzierungsstreit
und das Gerangel um behördliche Zuständigkeiten. Auch diese „Scheindebatten“ erfüllen
bislang ihren Zweck:
Die Betroffenen sollen vom drohenden Unheil nichts mitbekommen. Sie sollen
buchstäblich vom Alg II überrollt werden!
Achtung!
Schon ab Mitte Juli soll nach unseren Informationen der bis zu 20-seitige
Antragsfragebogen an alle Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfebeziehende geschickt
werden. Mit Hilfe dieses „Horrorformulars“ soll eine Unmenge von
Informationen über die Leistungsberechtigten und ihr Umfeld eingeholt werden.
Für Betroffene ist das Ausfüllen und Beibringen von Belegen mit enormem
Aufwand verbunden, der viele einschüchtern oder gar überfordern wird.
Für BehördenmitarbeiterInnen bedeutet die Datenflut, ein absolut überfrachtetes
Prüfverfahren, das zusätzliche Zweifel an einer rechtzeitigen Gewährung
der Leistung nährt. Das Antragsformular liegt bereits vor: Hier sind eine
Menge Fallen und Tücken eingebaut! Leistungsberechtigte dürfen diesen
Bogen nicht einfach „guten Glaubens“ ausfüllen, sondern sollten
genau überlegen welche Daten sie preisgeben müssen. Hierfür müssen
sie sich genau informieren.
Wir empfehlen, möglichst eine unabhängige Beratungsstelle aufzusuchen!
Damit Arbeitslose und ihre Familien nicht unter die Räder kommen, damit
sie sich noch rechtzeitig auf die Tücken des neuen Leistungsrechts vorbereiten
können, um auf den Ämtern nicht aufzulaufen, und damit sie sich gegen
Behördenwillkür zur Wehr setzen können, muss jetzt gehandelt werden:
Begleitend zum bundesweiten Start der offiziellen Datenerhebung für die
Antragstellung auf Alg II am 1. Oktober plant die BAG-SHI e.V. zusammen mit dem
Runden Tisch der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen (angefragt) der Arbeitslosenzeitung
quer und Labournet eine bundesweite zielgruppenorientierte Informationskampagne
für künftige ALG II BezieherInnen. Mit einer Serie von Informationsblättern,
Wandzeitungen, Plakaten, Internetauftritt und begleitenden Infoveranstaltungen
sollen die Betroffenen gezielt angesprochen und informiert werden.
Unmittelbare Ziele der Kampagne sind ...
- Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Betroffene sich schützen und wehren
können
- Ansprechpartner nennen, die Rat und Unterstützung leisten
- bewusst machen, dass Arbeitslose aktiv für ihre Rechte eintreten müssen
Weitergehende Ziele ...
... sind der Aufbau von solidarischen Strukturen zur Organisierung von Gegenwehr
im Zuge der Info-Kampagne. Denn wir wissen, dass es bei der Abschaffung von Arbeitslosenhilfe
und alter Sozialhilfe entgegen allen Versprechungen allein darum geht, Leistungen
drastisch zusammenzustreichen und die Lage Erwerbsloser so weit zu verschlechtern,
dass sie ihre Arbeit um möglichst jeden Preis verkaufen müssen. Dazu
gehört beim Alg II unmittelbar dazu, die Erwerbslosen dazu zu bringen, ihre
Rücklagen zu verbrauchen, von Einkommen und Vermögen Angehöriger
zu leben – kurz das Risiko der Arbeitslosigkeit weitestgehend zu individualisieren
und privatisieren. Erwerbslose und ihre Angehörigen selbst sollen allein
für die Kosten der Erwerbslosigkeit aufkommen!
Unsere Info-Kampagne soll daher dazu dienen, die Unsäglichkeiten dieser
neuen Sozialhilfe mit hohen Zugangsschwellen und niedrigen Leistungen zum öffentlichen
Thema zu machen und über den Aufbau von kommunalen und regionalen Strukturen
auch Aktionen der Gegenwehr zu ermöglichen. Wie wäre es denn beispielsweise,
- wenn Erwerbslose bundesweit auf den drohenden Verlust ihrer Wohnungen bei
zu erwartender unzureichender Übernahme der Unterkunftskosten mit Besetzungen
von Büros der Ämter oder Parteien reagieren würden,
- wenn in der Startphase der Alg II-Datenerhebung z.B. Stadtteil- oder Betriebsstrukturen
entstehen würden, die Infos verbreiten und Aktionen vorbereiten können.
Gerade die Startphase, wo für Millionen Menschen Umstieg ins Alg II organisiert
(oder ihnen der Zugang dazu verwehrt) werden soll, bietet aufgrund der massenhaften
Betroffenheit sich die Gelegenheit zum Aufbau dieser Strukturen. Wir setzen dabei
auf die alten Initiativen und gewerkschaftlichen Basisstrukturen, die Anti-Hartz-
und Agenda-Bündnisse, engagierte Beratungsstellen und alle, die sich mit
ehrlichem Interesse daran beteiligen wollen. Strukturen in den Stadtteilen und
Landkreisen, wie sie beim letzten großen Volkszählungsboykott in den
80er Jahren gebildet wurden, wären eine geeignete Form, um die Gegenwehr
möglichst unmittelbar vor Ort zu verankern.
Das dient dann gleich dazu, der derzeitigen „Agenda-Politik“ die
politische Legitimation zu entziehen und unseren Antworten und Forderungen Gehör
zu verschaffen.
Also:
- Weg mit dem Alg II und allen Einschnitten in die Sozialsysteme und die Deregulierung
der Arbeitsverhältnisse!
- Her mit garantierten Lebensverhältnissen, die dem gesellschaftlichen
Reichtum entsprechen!
Um die Betroffenen wirklich zu erreichen, brauchen wir die Unterstützung
von Initiativen, Beratungsstellen, Verbänden, Sozialforen, politischen Gruppen,
Jugendorganisationen und gewerkschaftlichen Gliederungen, die bereit sind die
Gegeninformationskampagne zu tragen und den Widerstand gegen die Agenda 2010
praktisch und solidarisch umzusetzen. Der Erfolg dieser Kampagne hängt vom
Engagement der UnterstützerInnen an der Basis ab und der Überzeugung,
dass durch Aufklärung und Entlarvung der so genannten „Reformpolitik“ ein
Bewusstsein geschaffen werden kann, das die Bereitschaft zum individuellen und
kollektiven Widerstand weckt. – Damit endlich Sand im Getriebe des Dr.
Hartz zu knirschen beginnt!
Die Vorbereitungen für die Kampagne „Vorsicht! Arbeitslosengeld
II“ sind bereits in vollem Gange. Ab Juli werden wir MultiplikatorInnen
auf überregionaler und lokaler Ebene ansprechen und unsere Infomaterial
präsentieren können. Im August soll mit der Verteilung des Materials
begonnen werden, damit es rechtzeitig vor Ort ankommt und die unterstützenden
Gruppen sich vorbereiten können. Am 30. September soll es dann schließlich
gemeinsam losgehen.
Bis dahin liegt noch eine Menge Arbeit vor uns. Wir brauchen viele helfende
Köpfe und Hände. Und wir brauchen das Geld, um den Druck, die Verteilung
des Materials, die begleitende Medienarbeit und anfallende Honorare zu finanzieren.
Deshalb sind wir auf Eure Unterstützung angewiesen. Wir zählen auf
alle, die den Widerstand gegen die Agenda vor Ort organisieren, die uns Wege
zur flächendeckenden Verbreitung des Infomaterials eröffnen oder uns
mit der Finanzierung von Teilprojekten bzw. Spenden unterstützen.
Gemeinsam können wir verhindern, dass im Januar 2005 viele Menschen eiskalt
erwischt werden und unter die Räder des Alg II geraten!
Für die Arbeitsgruppe Kampagne Alg II
Frank Jäger