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Der Krieg ums Gas und noch viel mehr in Bolivien
Gegeninformationsbüro 19. Oktober 2003


Dies ist eine Chronologie der Ereignisse, die im Rücktritt des ehemaligen Präsidenten Sánchez de Lozada gipfelten.

15. September
In der Gegend des Titicacasees blockieren Aymara Bauern die Landstraße nach La Paz, um den Ausverkauf der Erdgasreserven nach USA und den Anschluss an die Freihandelszone ALCA zu verhindern.

19. September
Kokabauern erklären ebenfalls Widerstand

20. September
Der Verteidigungsminister Sánchez Berzaín schickt auf Druck der US-Botschaft Truppen nach Warisata, um eingeschlossenen Touristen (unter ihnen zwei Nordamerikaner) die Rückkehr nach La Paz zu ermöglichen. Folge: Sechs Tote.

21. September
Demonstrationen in La Paz, El Alto und Cochabamba

25. September
Der bolivianische Gewerkschaftsdachverband (COB) ruft zu einem Generalstreik ab dem 29. auf, um den Rücktritt des für das Massaker verantwortlichen Präsidenten, sowie die anderen Forderungen durchzusetzen.

26. September
Die Bewegung zum Sozialismus (MAS, Oppositionspartei) schließt sich den Protesten an.

29. September
Unbefristeter Generalstreik beginnt.

30. September
Tausende demonstrieren in La Paz gegen den Ausverkauf des Gases.

3. Oktober
Die Kokabauern blockieren die Verbindungsstraßen zwischen Cochabamba und Sta. Cruz. Drei Tote.

8. Oktober
In der Stadt El Alto, die direkt an La Paz anschließt und wo überwiegend arme indigene Bevölkerung lebt, die ihre Arbeitskraft in La Paz anbietet, beginnt ein unbefristeter „Anwohnerstreik“ (paro cívico) mit Demonstrationen und Blockaden, der sich den allgemeinen Forderungen anschließt.

9. Oktober
Es werden zwei Minenarbeiter erschossen und es gibt viele Verletzte.

11. Oktober
Militärs besetzen die Stadt El Alto: Drei weitere Tote

12. Oktober
26 Tote bei neuen Auseinandersetzungen zwischen Anwohnern in El Alto und Militärs. Die Vereinigung von Eltern Wehrpflichtiger gibt bekannt, dass Soldaten, die sich weigern zur Waffe zu greifen, in den Kasernen gefoltert oder hingerichtet (15 Fälle) werden.

13. Oktober
Obwohl die Regierung ein Dekret erlässt, in dem sie bekannt gibt das Gas erst zu verkaufen, wenn die Bevölkerung befragt worden sei, radikalisiert sich die bolivianische Opposition: 20 Tote. Der Vizepräsident Carlos Mesa distanziert sich von der Regierung, bleibt aber im Amt. Ein Minister der Koalitionspartei MIR tritt zurück. Bergarbeiter besetzen die Privatminen von Sánchez de Lozada. Staatlicher Fernsehkanal stellt Sendungen ein, nachdem fünf Journalisten aus Protest gegen die verlogene Medienarbeit ausstiegen. Internationale Fluggesellschaften suspendieren Flüge nach La Paz. Teile des Militärs geben eine Erklärung ab, in der sie sich nicht der Person Sánchez de Lozada sondern der Verfassung verpflichtet sähen. Sánchez de Lozada wiederholt: ich werde nicht zurücktreten.

14. Oktober
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) erklärt ihre Unterstützung für Sánchez de Lozada. Die US-Regierung ebenfalls und warnt, keine andere als die aktuelle Regierung anzuerkennen. Javier Solana fordert im Namen der EU die oppositionellen Kräfte auf, die von der Regierung angebotenen Gespräche wahrzunehmen. In der Nacht werden massenhaft Hausdurchsuchungen in El Alto durchgeführt, um angeblich Anführer der Bewegung und Waffen zu finden.

15. Oktober
Die Regierung kündigt eine Volksbefragung bezüglich des Gasexports, die Möglichkeit einer Konstituierenden Volksversammlung und Veränderungen im Gesetz über die Brennstoffe an. Das spanische Unternehmen Repsol gibt bekannt, dass sie ihre Pipelinepläne in Tarija fortsetzen werden, egal, was in Bolivien geschieht. Der Papst betet für den Frieden in Bolivien. Über 2000 Minenarbeiter versuchen nach La Paz zu kommen, um die Forderungen zu unterstützen. In Patacamaya (ca. 100 km vor La Paz) werden sie von Militärs eingekreist und von Maschinengewehren beschossen: Zwei Tote. In Cochabamba werden zwei Personen bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Militärs erschossen.

16. Oktober
Sánchez de Lozada verweigert weiterhin seinen Rücktritt mit der Begründung die „Diktatur des gewerkschaftlichen Drogenhandels“ (dictadura del narcosindicalismo) nicht zuzulassen. Die politische und soziale Opposition lehnt jede Zusammenarbeit mit der Regierung ab und besteht auf den Rücktritt von Sánchez de Lozada. Brasilien und Argentinien entsenden Berater, um Verhandlungswege zu finden. Angehörige des Mittelstandes (ca. 1200 Personen) treten in den Hungerstreik, um ebenfalls den Rücktritt zu fordern.

17. Oktober
Wenige Stunden vor der Kongressversammlung tritt die Koalitionspartei NFR aus der Koalition aus und fordert den Rücktritt des Präsidenten. Dieser versammelt sich in seiner Residenz mit den brasilianischen und argentinischen Beratern, mit seinen Getreuen und mit dem Ex-Präsidenten und Vorsitzender der stärksten Koalitionspartei MIR: Jaime Paz Zamora. Er bekommt die Aufgabe den Rücktritt von Sánchez de Lozada vor dem Kongress bekannt zu geben, während dieser sich mit peruanischen Militärfliegern verpisst. In seiner Rücktrittserklärung beschuldigt er die politische und soziale Opposition die demokratischen Regeln nicht zu akzeptieren und hofft auf Gott die Geschicke des Landes zu lenken. Der Vizepräsident Carlos Mesa wird vom Kongress als Nachfolger akzeptiert. Er verspricht auf alle Forderungen einzugehen, aber nicht die vorgesehene Amtszeit (bis 2007) im Amt zu bleiben, sondern vorher zu Wahlen aufzurufen. Weiterhin wird er sich nicht auf die politischen Parteien im Parlament stützen, sondern „fähige Personen“ um sich sammeln, um Lösungen für die verschiedenen Forderungen zu finden. Sánchez de Lozada befindet sich in den USA, begleitet von zwei ehemaligen Ministern.


Diese Informationen können bei www.bolpress.com und www.rebelion.org unter anderem nachgelesen werden (spanisch).
 19. Oktober 2003