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Lateinamerika rückt zusammen
Gegeninformationsbüro 2. Dezember 2003

Im November 2003 fanden in Bolivien der 13. Iberoamerikanische Gipfel, sowie parallel dazu das Alternative Soziale Treffen statt. Ende November wurde in Caracas der 1. Bolivarianische Kongress durchgeführt. Alle Veranstaltungen wurden in den Medien fast vollständig ignoriert. Dabei wäre ein genaues Zuhören sicher wertvoll, um eine reale Internationale Solidarität zu entwickeln und nicht nur bei entsprechenden Anlässen als Worthülse in die Gegend zu werfen.

Deshalb versuchen wir zumindest einige Beobachtungen und eine Zusammenfassung der Beschlüsse des alternativen Treffens wiederzugeben.

Auf dem offiziellen Gipfel in Santa Cruz (Bolivien) wurde die Spaltung zwischen eurozentristischen, pro-amerikanischen Visionen und integrierenden, die großen nationalen Mehrheiten in Lateinamerika verteidigenden Positionen, deutlich. Vertreter Argentiniens, Boliviens, Brasiliens, Cubas und Venezuelas drückten klar die Notwendigkeit struktureller Veränderungen im wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bereich aus. Der integrierende Vorschlag wurde als wesentlich für die Selbstverteidigung gegen jeden Druck von Außen und die Stärkung der Verhandlungsposition im politischen und ökonomischen Bereich erkannt. Nur als lateinamerikanischer Block könne die Souveränität der Völker, ihrer Bodenschätze und der Aufbau einer partizipativen Demokratie gewährleistet werden. Spanien hingegen verteidigte verbissen das herrschende ökonomische System und die Interessen der Multis, speziell in Bezug auf die Ausbeutung der Bodenschätze des lateinamerikanischen Kontinents. Natürlich setzten auch sie auf die Demokratie, aber unter altbekannten Strukturen, daher elitär, ausschließend und rassistisch, um die Interessen der herrschenden Klasse zu sichern.

Auf dem parallel stattfindenden Alternativen Sozialen Treffen schufen die vielzähligen sozialen, poliAtischen, gewerkschaftlichen und kulturellen Organisationen einen Raum zur Integration, Diskussion und Beteiligung, um einen neuen Staat zu entwickeln, der alle Bevölkerungsgruppen widerspiegelt.

Die Teilnahme bekannter lateinamerikanischer Persönlichkeiten manifestierte den neuen Wind, der in Lateinamerika weht: der Wille zu einem vereinten, starken und solidarischen Block, der dem Druck und den Interventionen der nordamerikanischen Regierung, den anderen Hegemoniemächten, sowie multilateralen Organismen wie dem IWF und der Weltbank widerstehen kann. Die Teilnehmer lehnten kategorisch die Instrumente zur ökonomischen, kommerziellen, kulturellen und militärischen Dominanz ab. Die Abschaffung des neoliberalen Modells wurde als Voraussetzung für den Aufbau würdiger und souveräner Gesellschaften erkannt. Auch wurde die Doppelmoral des Imperialismus’ bei dem Gebrauch der Demokratie je nach eigenen Interessen denunziert.

Speziell zu den Geschehnissen im Oktober in Bolivien, wo mehr als 80 Menschen bei Auseinandersetzungen mit Polizei oder Militärs ums Leben kamen, wurde die Auslieferung und Bestrafung der verantwortlichen Politiker (Ex-Präsident Sánchez de Lozada und Ex-Verteidigungsminister Sánchez Berzaín u.a.) gefordert.

So schlugen die Delegierten folgende Punkte für den Widerstand und den emanzipatorischen Kampf vor, die sie vor dem offiziellen Gipfel verlasen und kopiert übergaben. Hier eine Zusammenfassung:
  • Ablehnung des Freihandelsabkommens ALCA, was als zerstörerisch für die eigenen, schwachen Ökonomien und die natürlichen Ressourcen, sowie die sozialen Ungerechtigkeiten verschärfend erkannt wurde. Diesbezügliche Verhandlungen zwischen den lateinamerikanischen Staaten und den USA sollen abgebrochen werden.
  • Zurückweisung der Beschuldigung dAes Terrorismus, nur weil das Recht auf Verteidigung der Bodenschätze wahrgenommen wird.
  • Die genetische Veränderung von Pflanzen und Tieren wird als Bedrohung für Gesundheit und Umwelt abgelehnt.
  • Anerkennung der Kokablätter als Nahrungsmittel und Medizin.
  • Das neoliberale Wirtschaftsmodell, das die Souveränität, die Ökologie, die Identität der Völker, die sozialen Errungenschaften und die Menschenrechte gefährdet, ist inakzeptabel.
  • Forderung einer verfassungsgebenden Versammlung, um ein Land für alle zu schaffen. Ein Land in dem die indigenen und ursprünglichen Gemeinschaften als kollektive Subjekte anerkannt werden, wo sie sich als unterschiedliche Kulturen realisieren und ihre Rechte voll ausüben können.
  • Rasche Umsetzung der Agrarreform.
  • Gesetze, die institutionell das Recht auf sexuelle Identität und Selbstbestimmung regeln und Marginalisierung ausschließen. [für LA kulturrevolutionär!, Gegeninfobüro]
  • Eindeutige Politik der Wiederaufforstung. Indigene und ursprüngliche Gesellschaften sollen die Kontrolle und Erarbeitung dieses Themas übernehmen, da sie am besten darüber Bescheid wissen.
  • Ein effektives Gesetz zum Schutz und Förderung von Kindern und Jugendlichen.
  • Es müssen Bürgerrechte kreiert werden, die gemeinschaftliche Räume schaffen, damit die verschiedenen Identitäten beim Aufbau eines einschließenden, pluralistischen, wechselnden und konfliktfähigen „Wir“ mitwirken.
  • Strafverfolgung der vom Staat begangenen Straftaten gegen das Volk. Die Straffreien von heute sind die Mörder von morgen.
Auch auf dem bolivarianischen Kongress in Caracas stand die Ablehnung des Freihandelsabkommens ALCA und des Neoliberalismus’ im allgemeinen im Mittelpunkt. Der gemeinsame Kampf dagegen und die gegenseitige Unterst&uAuml;tzung darin wurden unterstrichen. Konkret soll der gemeinsame Aufbau einer bolivarianischen Alternative für Lateinamerika und die Karibik (Alternativa Bolivariana de América Latina y el Caribe – ALBA) angegangen werden, deren Ziele der Kampf gegen die Armut, den sozialen Ausschluss, die Privatisierungen und den Abbau des Staats- und Produktionsapparats sind. Der MERCOSUR und die Andine Gemeinschaft (beides südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaften) wurden als Möglichkeit gesehen, dem ALCA Paroli zu bieten, auch wenn sie sich innerhalb des dominierenden Systems bewegen. Weiterhin sollen Aktionen koordiniert, Kommunikation, Reflexion und Bewusstseinsarbeit verbessert werden, um gegen den Plan Colombia und Plan Puebla Panama vorzugehen. Die Demilitarisierung und die Demontage nordamerikanischer Militärbasen soll vorangetrieben und die vom Comando Sur koordinierten Militärübungen verhindert werden.

Die effektive Solidarität der Völker Unseres Amerikas wurde als Voraussetzung des Kampfes gegen den Kolonialismus in all seinen Formen von den Delegierten des 1. Bolivarianischen Kongresses unterstrichen.


Aktuelle Veranstaltungen zum Thema:
Plan Puebla Panama und Biopiraterie
Dienstag den 9. Dezember 2003, 18 Uhr
Kino Eiszeit, Dresdener Str./ Kreuzberg
 2. Dezember 2003