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Zweifel am Präsidenten
Andreas Behn junge Welt
4. Juni 2004
Bolivien: Proteste gegen Wirtschaftspolitik. Referendum über Erdgasexport
in Vorbereitung
In Bolivien wird das Tauziehen zwischen der Regierung und den sozialen Bewegungen
um die Wirtschaftspolitik immer heftiger. Demonstrationen und Streiks bestimmen
den Alltag, immer wieder kommt es zu Zwischenfällen. Neben sozialen Forderungen
geht es um den Umgang mit den bolivianischen Erdgasvorkommen: Am 18. Juli soll
ein Referendum darüber befinden, ob das Gas weiterhin von transnationalen
Konzernen ausgebeutet werden darf oder ob es nationalisiert werden soll. Mindestens
zwei Bauern und ein Soldat wurden am Dienstag bei Zusammenstößen in
der Provinz Beni getötet. Landarbeiter hatten dort seit über einer Woche
Straßen blockiert, um den Rücktritt des Gouverneurs zu erzwingen. Am
Tag zuvor war es auf der Autobahn zwischen der Hauptstadt La Paz und der riesigen
Armenstadt El Alto zu heftigen Protesten gekommen. Seit Wochen demonstrieren hier
Lehrer und Dozenten für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.
Mit Tränengas und Knüppeln räumte die Polizei die Protestler, die
die Autobahn blockiert hatten.
Wichtigster Konfliktpunkt ist derzeit aber das Erdgas. Bolivien verfügt nach
Venezuela über die größten Gasreserven in Lateinamerika. Im Rahmen
der seit 1985 vorherrschenden neoliberalen Wirtschaftspolitik werden Bodenschätze
zu Billigpreisen an transnationale Unternehmen verkauft; der bolivianische Staat
behält nur einen Bruchteil der Gewinne. Der Plan, Erdgas unter diesen Bedingungen
über einen Hafen in Chile – dem Erzfeind Boliviens – zu exportieren,
führte im Herbst vergangenen Jahres zum Sturz des Präsidenten Gonzalo
Sánchez de Lozada.
Carlos Mesa, der das Präsidentenamt von dem geflüchteten Sánchez
de Lozada erbte, hat zugesagt, über die künftige Exportpolitik abstimmen
zu lassen. Doch linke Opposition und Aktivisten zweifeln, dass Mesa die Zusage
einhält. So wird einerseits über die höchst komplizierten und eher
zweideutigen Formulierungen der Fragen im Referendum debattiert. Anderseits ist
noch nicht ausgemacht, ob das Referendum, wie zugesagt, am 18. Juli stattfinden
wird: Kritiker befürchten, dass Mesa oder Kräfte, die Expräsident
Sánchez de Lozada nahe stehen, das Referendum mit Tricks und Provokationen
noch verhindern wollen. Und schließlich hat sich auch Mesa bereits mehrfach
gegen eine Nationalisierung des Erdgases ausgesprochen.
* „Widerstand von unten. Es gibt ihn – in Bolivien“. Dionicio
Núñez, Abgeordneter der MAS (Bewegung zum Sozialismus) und Vizepräsident
des Parlaments, berichtet über die sozialen Kämpfe in Bolivien. Montag,
7. Juni 2004, 19 Uhr im Kato, U-Schlesisches Tor, Berlin-Kreuzberg |
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