zurück | kolumbien








Abschließender Bericht und Auswertung des Besuchs Uribes in Europa
Miguel Urbano Rodrigues www.resistir.info 11. Februar 2004


Es geschah, was erhofft wurde: die linken Parteien boykottierten die Sitzung [im Europa-Parlament], da sie den Gast als Chef einer Regierung ausmachten, die offen die Menschenrechte verletzt. Von den 626 Abgeordneten erschienen nur 250 und von diesen empfingen ihn Einige mit weißen Tüchern mit der Aufschrift „Frieden und Gerechtigkeit für Kolumbien“.

Yolanda Pulecio, die Mutter der Ex-Präsidentschaftskandidatin und Gefangene der FARC Ingrid Betancourt, hatte bereits Tage vorher in Brüssel harte Kritik an Uribe geübt. Sie beschuldigte ihn, „keinerlei Interesse“ am Schicksal der Gefangenen zu zeigen, da er die Türen für einen Dialog über eine humanitäre Lösung zu schlug. Diese Position des Präsidenten wurde in seiner Rede in Straßburg unterstrichen, wo er arrogant die Abwesenheit der Mehrheit der Abgeordneten im Plenarium kritisierte.

In der belgischen Hauptstadt erhielt Uribe ein klares NEIN vom Präsidenten der europäischen Kommission Romano Prodi. Dieser stellte fest, dass es keinerlei Voraussetzungen gäbe, um eine Geberkonferenz einzuberufen, wie sie vom kolumbianischen Staatschef beantragt wurde. Der EU-Kommissar Chris Patten nutzte die Gelegenheit, um das Amnestieprojekt für die Paramilitärs zu kritisieren. Er distanzierte sich vom Konzept der „demokratischen Sicherheit“ Uribes, indem er es als „unbesonnen” bezeichnete „den Militärs rechtliche Machtmittel einzuräumen”. Die einzigen Sympathiebekundungen auf seiner gescheiterten Europareise erhielt Uribe vom Spanier Javier Solana, dem Verantwortlichen für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union und Ex-Nato-Generalsekretär. Sein „Terrorismus“-Konzept ist durch das von Präsident Bush inspiriert.

Die Kommentare der großen Medien des Alten Kontinents legten eindeutig dar, dass Kolumbien ein zutiefst traumatisiertes Land ist. Seine rechtsaußen Regierung ist unfähig, die aktuelle soziale und ökonomische Krise zu überwinden und eine Lösung für den seit vier Jahrzehnten herrschenden Bürgerkrieg zu finden. Die Rede mit demokratischem Touch des Bewohners des „Casa de Nariño” [Regierungssitz] hat nicht mal die konservativsten politischen Kräfte der europäischen Union überzeugt. Sein Solidaritätsaufruf wurde nicht erhört.

Progressive Kräfte nutzten gar die Gelegenheit, um die vor zwei Jahren gefällte Entscheidung der europäischen Kommission, die FARC als terroristische Organisation auf Druck Washingtons einzustufen, zu kritisieren. Dies zwang einige revolutionäre Kolumbianer in den Ländern Westeuropas in den Untergrund zu gehen.

Uribe ist ideologisch ein Faschist, der sich als solcher nicht annimmt. Seine neue Strategie wird wie die vorherige scheitern. Seine Machenschaften, um die Ziele des Referendums auf anderem Wege zu erreichen, beginnen bereits gegen scheinbar unüberwindliche Schranken zu stoßen.

Der Einbruch bei der Volksbefragung am 25. Oktober vergangenen Jahres zeigte die Verlogenheit der Meinungsumfragen, die Uribe eine große Popularität zuschrieben. (Von 15 Fragen, die mit JA beantwortet werden sollten, erhielt nur eine die notwendigen Mindeststimmen.) Am folgenden Tag lehnte das Volk bei den Regionalwahlen die Kandidaten Uribes für die Gouverneurs- und Bürgermeisterposten in den großen Städten, einschließlich Bogotás, ab.

Die finanzielle Situation ist äußerst schlecht: 7,5 Milliarden Dollar Defizit und eine Auslandsverschuldung, die die Hälfte des Bruttoinlandproduktes ausmacht. Das Volk schnallt den Gürtel enger, die Arbeitslosigkeit nimmt zu, die Indikatoren für Gesundheit, Bildung und anderer sozialer Sektoren erreichen alarmierende Stufen. Der Präsident besteht jedoch auf einer Strategie, die aus dem Repressionsapparat den Hebel der so genannten „demokratischen Sicherheit” macht. Die Rückkehr zur alten und überholten These, nach der der militärische Sieg über die Aufstände möglich sei, verstärkte in der Praxis die Unterordnung des kolumbianischen Staats unter das Diktat Washingtons. Bogotá ist der beste Alliierte der USA auf dem Kontinent.

Der nach den Forderungen des Weißen Hauses und des Pentagons umformulierte Plan Colombia erscheint heute wie die Speerspitze eines Systems imperialer Dominanz, das eine tödliche Bedrohung für alle Länder des Amazonasgebiets darstellt. Das Netz militärischer Basen in Kolumbien und den Nachbarländern (Ecuador und Panama) dient als Instrument dieser Rekolonialisierungspolitik. Allein die bedingungslose Unterstützung Uribes für den Aggressionskrieg gegen den Irak, der von der Mehrzahl der Kolumbianer abgelehnt wurde, charakterisiert gut den Kapitulationsgeist einer Regierung für die die nationale Souveränität ein bedeutungsloses Wort ist.

Die Komplizenschaft zwischen dem Präsidenten und den Chefs der Mörderbanden, vor allem Carlos Castaño und Salvatore Mancuso, kann auch durch die Öffentlichkeitsarbeit, die die Verhandlungen mit den Paramilitärs begleitet, nicht verdeckt werden. Während in Argentinien der Kongress auf Vorschlag Kirchners die Amnestie von Menem aufgehoben hat, die Verantwortliche an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit bevorzugte, ist die Option Uribes gegensätzlich. Die Formel „Verzeihen und Vergessen“ zeigt die Heuchelei einer Führung auf, die sich ihrer Verbindungen mit dem Paramilitarismus bewusst ist. Dieser wurde vom Militär als Instrument der Staatspolitik geschaffen. Die Absicht des Präsidenten ist die Integration der Paramilitärs in den legalen Repressionsapparat.

Der internationale Eindruck von den Paramilitärs ist trotzdem so negativ, dass sich sogar die New York Times von diesen kriminellen Gruppen distanziert, die Uribe angeblich „reintegrieren” möchte. Laut dieser einflussreichen Tageszeitung versuchen jetzt die Gruppen von Castaño und Mancuso Ländereien über Dritte zu kaufen, um Geld aus dem Drogenhandel zu waschen.

Die Machenschaften von Cesar Gaviria, die OAS als Vermittlerin in den Verhandlungen mit dem Paramilitarismus zu benutzen, haben nicht das beabsichtigte Ziel erreicht. Die UNO hat sich immer geweigert irgendeinen Kontakt mit den paramilitärischen Banden zu haben. Sie war offen für eine humanitäre Vereinbarung der Regierung mit der FARC für den Austausch von Gefangenen, was in der Praxis die Anerkennung der Guerillaorganisation Marulandas als kriegsführende Kraft bedeutet. Die Initiative Cesar Gavirias wurde deshalb von der UNO als Werbetrick abgelehnt, der den Ambitionen des gegenwärtigen Generalsekretärs der OAS [1], sich als Präsidentschaftskandidat in Kolumbien aufzustellen, diene. Dieses Amt hatte er bereits in zerstörerischer Form ausgeübt.

Es war nicht überraschend, dass die katholische Kirche die Vermittlungsvorschläge Gavirias abgelehnt hat. Für die kolumbianischen Bischöfe ist es unmöglich den Dialog mit den Aufständischen und die zweideutigen Verhandlungen der Regierung mit den Paramilitärs auf eine Ebene zu stellen.

Der Bischof Luis Castro hat sich eindeutig für eine humanitäre Vereinbarung mit der FARC ausgesprochen. Der Kardinal Pedro Rubiano ist grundsätzlich für die Schaffung einer Kommission, die den Dialog zwischen der Exekutive und der größten Guerillaorganisation erlaubt.

Uribe wies bereits die Initiative des Ex-Präsidenten und Verteidiger einer humanitären Einigung – López – zurück, dann wandte er sich arrogant an Vertreter des diplomatischen Corps: „Kümmern Sie sich darum Friedensdialoge zu erbitten. Ich werde mich darum kümmern Gewehre zu erbitten, um den Aufstand niederzuschlagen!


Das Manöver der Wiederwahl

Das Ministerium, welches laut Uribe die gesamte Amtszeit andauern sollte, hielt nur ein Jahr. Es ertrug das Erdbeben des Referendums und die Regionalwahlen nicht. In den Streitkräften ist die Unzufriedenheit offensichtlich, wie der Austausch an der Armee- und Polizeispitze beweist.

In diesem ungünstigen Kontext nahm die kolumbianische Botschafterin in Madrid unerwartet die Idee zur Wiederwahl des Präsidenten auf. Die Ex-Ministerin von Pastrana und Ex-Präsidentschaftskandidatin Noemi Sanin weiß, dass der Kongress solch ein Projekt bereits abgelehnt hat, da es gegen die Verfassung verstößt. Es gibt zurzeit keine Grundlagen für die Verabschiedung eines notwendigen Änderungsantrags des Grundgesetzes.

Aber Noemi gibt nicht auf. Plötzlich entdeckte sie, dass Uribe Velez das Profil eines Retters des Vaterlandes hat und vergaß alte Streitigkeiten. Der Glaube der Botschafterin in die Wunderkräfte ihres Präsidenten ist so groß, dass sie darum bettelt die Amtszeit Uribes wenigstens um zwei Jahre zu verlängern, falls seine Wiederwahl schon nicht möglich sein soll ...

Wenn dies geschähe, würde die demokratische Fassade des Regimes zusammenbrechen und ein kolumbianisches Fujimorazo [2] würde das wahre Gesicht des Uribismus aufdecken.

Ein weiterer ehemaliger Gegner, der jetzt als Alliierter des Präsidenten auftritt, ist der ewige Kandidat Horacio Serpa. In Monterrey verteidigte er die Positionen Uribes bezüglich dem ALCA [Freihandelsabkommen], womit er sich bedingungslos auf die Seite der USA stellte. Es wurde deutlich, dass die Regierung in Bogotá die Rolle spielt, die ihr Washington zuweist. Sie wird wie Chile ein bilaterales Abkommen unterzeichnen, das vom harten ALCA inspiriert ist und in Miami abgelehnt wurde. Oder es könnte auch zu einem überregionalen Abkommen für den Andenraum – außer Venezuela – kommen, so wie es für die Länder Mittelamerikas geschaffen wurde.

Diese Politik der Hörigkeit, die von der Oligarchie unterstützt wird, wurde von progressiven Kräften verurteilt und bekämpft.

Während die sozialen Spannungen vor allem in den großen Städten zu nehmen, ist die Antwort der Regierung die Unterdrückung der Arbeiter, Studenten und Bauern.

Die Niederlage Uribes bei seinem Europabesuch ist vielleicht der Anfang einer Verschärfung der Massenkämpfe gegen eine Regierung, die ihre neofaschistischen Konturen nicht weiter verstecken kann.

Es ist schade, dass sich der neue Bürgermeister Bogotas, Lucho Garzon, nicht öffentlich zu den Forderungen der Bevölkerung bekennt. Obwohl er Aspekte der Politik Uribes kritisiert, entfernt er sich immer mehr von den Vereinbahrungen mit den linken Kräften, die ihn gewählt hatten.



Fußnoten:
  1. Die OAS wurde von Fidel Castro als Ministerium für Kolonien Washingtons bezeichnet. [back]
  2. In Anlehnung an den korrupten Ex-Präsidenten Perus: Fujimori. [d. Übers.] [back]
 11. Februar 2004