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Kolumbien: Erdöl, Krieg und Frieden
César Jerez 26. Januar 2004


Das Ergebnis einer umfassenden politischen und sozialen Übereinstimmung der Kolumbianer im Rahmen eines soliden Friedensprozesses muss eine an den nationalen Interessen orientierte Erdölpolitik sein.

Der Besitz an Bodenschätzen besitzt in der aktuellen Weltpolitik einen strategischen Charakter. Das Erdöl geht langsam zur Neige, und der technologische Wandel hin zu alternativen Energien ist noch weit entfernt. Der Motor des Imperiums jedoch benötigt Erdöl. Daher die Tendenz der Großverbraucher und der Energielieferanten, die Lagerstätten von Kohle, Gas und Petroleum zu kontrollieren. Dabei bedienen sie sich einer perversen Kombination aus wirtschaftlichem, politischem und militärischem Druck, außerdem greifen sie zu den alt hergebrachten Mitteln der Plünderung der Bodenschätze mit Hilfe der Vereinnahmung und Bestechung der einheimischen Oligarchien in Ländern wie Kolumbien.


Die kolumbianische Gegenpolitik

In Kolumbien stellten die Einkünfte aus dem Erdöl so etwas wie die Hauptkasse der Präsidialdiktatur dar (einer kleinen Gruppe von Technokraten, die unter der Führung des Präsidenten darüber entscheidet, wie unsere Schätze verjubelt werden), die periodisch die Steuerfesseln lockert bis zu dem Punkt, dass, obwohl wir kein Erdölland sind, doch 35 Prozent der Exporte in diesem Bereich stattfinden. Der Jahrestransfer des Unternehmens Ecopetrol an den Staatshaushalt liegt bei über fünf Billionen Pesos. Trotzdem fordern die Festlegungen des Abkommens von Washington, die in Kolumbien über den Einfluss der Weltbank und des IWF greifen, die Privatisierung der Einkünfte aus Erdöl und Energie.

Somit haben wir einen verdeckten Liberalisierungsprozess erlebt, der sich über die Privatisierung der Einkünfte aus Energieressourcen vollzog. Die Verträge zu den Anteilen wurden durch Beschlüsse der Geschäftsführung von Ecopetrol zu Gunsten der multinationalen Konzerne verändert, der Einzelhandel mit raffinierten Produkten und Teile des Bereichs Erdgas wurden privatisiert und das Nutzungsrecht wurde zu Lasten der Regionen reformiert. Damit wurden die Einkünfte aus Erdöl noch weiter in den Händen der multinationalen Konzerne konzentriert.

Das heißt, dass in Folge eines Beteiligungsvertrages für ein Projekt wie das von Cusiana, an dem Ecopetrol nur zu 30 Prozent beteiligt ist, für das Land aus heutiger Sicht ein Verlust in Höhe von 1570 Millionen Dollar entsteht. Um beim Beispiel zu bleiben – die Regionen verlieren mit der Reform der Nutzungsrechte 110 Millionen Dollar im Geltungszeitraum des Vertrages. Das bedeutet eine geringere Umverteilung unserer Reichtümer, höhere Ausbeutung und mehr Armut.


Uribe zerschlägt Ecopetrol

Mit der Machtübernahme von Uribe Valdez verfestigen sich die Bestrebungen der multinationalen Energiemächte in Kolumbien. Mit Hilfe der Dekrete 1760 und 2003 beginnt die „Umstrukturierung“ von Ecopetrol mit dem Ziel, dieses Instrument zu zerschlagen. Man nimmt ihm die Möglichkeit, über die Erdölpolitik und damit über Einkünfte des Landes zu bestimmen, man entzieht ihm Kapital, indem man ihm die wertvollsten Bestandteile wie zum Beispiel die Anlagen für die geologische Erkundung entzieht. Ecopetrol hört auf, ein staatliches Industrie- und Handelsunternehmen zu sein und wird zu einer Aktiengesellschaft, die praktische die Vorstufe seiner Privatisierung ist.

Der neuen Ecopetrol AG bleiben die alten Lagerstätten mit hohen Produktionskosten, schlecht erhaltene Raffinerien und Fördereinschränkungen wegen Geldmangel. Die Leitung des Unternehmens verbleibt in den Händen des Vorstandes und des Bergbauministeriums.

Das Finanzministerium wird das strukturelle Haushaltsdefizit weiterhin mit den Einkünften des Unternehmen ausgleichen, ohne in seine Modernisierung zu investieren. Der Wettbewerb mit den Multinationalen wird sehr schwierig werden, wenn es keine neuen Reserven, überhöhte Kosten und keine neuen Einnahmequellen gibt. Der staatliche Erdölbetrieb wird letztendlich verkauft für ein Schmiergeld wie im Fall des Bergwerks Cerrejón geschehen. Hier wurde der Teil, der Kolumbien verblieben war, für 380 Millionen Dollar verschleudert, obwohl der aktuelle Wert dieses Anteils bei mehr als 1500 Millionen Dollar liegt

Die kürzlich gegründete Nationale Agentur für Bodenschätze (ANH), wird unter dem Befehl des Präsidenten eine neue Institution sein, die die Interessen der Multinationalen und die Erhöhung ihres Profits sichern wird. Es wird befürchtet, dass die Vertragsanteile sich noch weiter verschlechtern als gegenwärtig, da 70 Prozent den Multinationalen und 30 Prozent dem Staat gehören. Ebenfalls steht zu befürchten, dass zur kolonialistischen Praxis der Konzession zurückgekehrt wird, was die Übergabe unserer Reichtümer an das Imperium gegen ein kleines „Entgegenkommen“ bedeutet. In diesem Sinne beginnt bereits jetzt eine Medienkampagne über den bevorstehenden Import von Erdöl, wodurch sich neue und größere Anreize für die Multinationalen ergeben. Man sagt, dass dem Land 6500 Millionen Dollar entgehen, wenn es die Selbstversorgung mit Erdöl in den nächsten zehn Jahren verliert. Die Reserven werden um 37 Prozent in nur sechs Jahren fallen, bis sie 1600 Millionen Barrel erreichen bei einer Jahresproduktion von 578 000 Barrel im Jahr 2002.

Aus all dem ergibt sich die Frage nach dem Nutzen, den das Volk aus den Erdöleinnahmen ziehen konnte. Wer hat sich die Einnahmen angeeignet und wem werden sie in den nächsten Jahren gehören? Die Erdölpolitik Kolumbiens trägt bis heute einen antinationalen Charakter und die Züge einer ungleichen Verteilung der Einkünfte. Dies wird deutlich am Gegensatz der wachsenden Armut und der Verarmung rohstoffreicher Regionen wie Casanare und Arauca. Diese Politik hat Menschen ausgeschlossen und an den Rand gedrängt, hat den politischen und sozialen Konflikt weiter zugespitzt. Außerdem hat sie – und das ist noch schwerwiegender – die politisch-militärische Intervention der USA im kolumbianischen Konflikt begünstigt. Der Plan Kolumbien schreitet voran zur Erreichung seines grundlegenden Ziels: Den Zufluss von strategischen Energieressourcen nach den USA und Europa zu sichern.


Blut für Erdöl

Das Ergebnis einer umfassenden Übereinstimmung der Kolumbianer im Rahmen eines soliden Friedensprozesses muss eine nationale und auf Umverteilung orientierte Erdölpolitik sein. Nur so hört das Erdöl auf, der Zünder für einen Kriegsausbruch zu sein und wird zu einer wichtigen Ressource für die Herstellung des Friedens.

In dem Teil Araucas, in dem das Erdöl lagert, hat sich trotz der Mobilmachung von 7000 Mann, trotz Millionen von Dollar Unterstützung und trotz der Beratung durch Militärs und Söldner des Imperiums, die Kriegsspirale erweitert. Die Guerilla konnte wachsen und militärisch erstarken, täglich gibt es viele Kämpfe mit zahlreichen Toten – mehrheitlich Soldaten – von denen wir kaum erfahren. Die Politik der „demokratischen Sicherheit“ verfolgt Zivilpersonen, sperrt sie ein und gibt sie als Guerilleros aus. Die Paramilitärs haben in diesem Jahr im den Städten des Kreises Tame mehr als 150 Personen ermordet.

Während seines Besuchs in Arauca äußerte der Präsident, dass „kein Territorium für den Staat verboten“ ist, und er kündigte an, die Guerilla auszuräuchern und militärisch zu zerschlagen. Während seine Worte im Fernsehen übertragen wurden, wurde Saravena von explodierenden Granaten erschüttert, drangen Gewehrschüsse von außen ein, wurden drei E-Masten gesprengt und verloren noch mehr Kolumbianer ihr Blut – paradoxerweise für das Erdöl. Währenddessen wurde in den ländlichen Gebieten von Tame, Fortul und Saravena ein Projekt zur Erdölförderung durch das spanische multinationale Unternehmen Repsol beschlossen. Hoffnungsschimmer oder Tragödie?
 26. Januar 2004