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Koka, Krieg und Frieden: Aus der Sicht der Bauernorganisationen
César Jerez 26. Januar 2004


Zusammenfassung des Beitrages der Bauernvereinigung Cimitarra-Tal (ACVC), auf dem internationalen Symposium zu Artenvielfalt, Ethnobiologie und Kokakultur. Valle-Universität, Calí, Kolumbien, 9. bis 12. Oktober 2003.


„Das Entlaubungsmittel aus den Entlaubungsaktionen wirkt nur gering auf den Kokablättern, und wenn es zu Boden fällt, ist es völlig inaktiv. Ich habe in Entlaubungsmittel gebadete Journalisten gesehen. Ich bin mir sicher, dass, wenn es schädlich wäre, wir es schon wüssten. Wir hätten es in irgendeiner Zeitung gelesen!“

William Wood; Philosoph und Unternehmensmanager; Botschafter der USA in Kolumbien

Alles scheint darauf hinzuweisen, dass Journalisten immun sind gegen das Gift des Produzenten Monsanto, dass die Philosophie nicht zur Erkenntnis der Wirklichkeit, zur Aufdeckung des Sinns menschlichen Handelns führt, dass der Botschafter ein besserer Unternehmensmanager ist, der keine Zeitungen liest. Dann sind die 17 Jahre, die Kolumbien bereits unter der Behandlung mit Entlaubungsmitteln leidet, gerade ein Teil dessen, was uns von der Zukunft, von den ewigen 100 Jahren Einsamkeit trennt.

Wenn das kolumbianisch-amerikanische Establishment ständig wiederholt, dass die Zerstörung der Kokakulturen „Kampf gegen den Drogenschmuggel“ ist, wenn man vom „Drogensumpf“ und von „mit Drogen handelnden Bauern“, von der „Zerstörung der Kokainlabore“ spricht, dann versucht man einen Mythos zu entwickeln, der die öffentliche Meinung dazu bringen soll, eine Anti-Drogenpolitik zu unterstützen, die sichtlich verfehlt ist und im Gegensatz zu den nationalen Interessen steht. Man versucht zu vermitteln, dass der Drogenschmuggel existiert, weil es den Koka-, Mohn- und Marihuanaanbau gibt.

In Wirklichkeit ist der Kokaanbau in den ländlichen Gebieten Kolumbiens das Ergebnis des Zusammenfalls von politischen, sozialen und ökonomischen Problemen in diesen Bereichen. Diese Betätigung gibt es, weil die strukturellen Probleme auf dem Land ungelöst sind und weil es das internationale Kapital aus dem Drogenhandel gibt, das den Rohstoff, die Kokablätter, benötigt.

Den Ursprung des Problems bilden der in Kolumbien ungelöste Landkonflikt, die Konzentration des Landbesitzes, die Vertreibung und Verdrängung der bäuerlichen Bevölkerung, die Durchsetzung des neoliberalen Modells, der erhöhte Drogenkonsum in der Welt und die Konjunktur des Drogenhandels seit den 80er Jahren.

Diese Elemente, die Teil der Dynamik des politischen, sozialen und bewaffneten Konflikts in Kolumbien sind, erklären den Kokaanbau als eine Tätigkeit, die die Bauern als Form ihres Widerstands und für ihre Existenz ausüben. Ebenso wirkt sich der Aufschwung des Drogenhandels auf alle Bereiche der Entwicklung der kolumbianischen Gesellschaft aus.

Das Gerede vom „Krieg gegen die Drogen“, mit dem die USA vermittels des Plan Kolumbien die politische und militärische Einmischung in den kolumbianischen Konflikt rechtfertigt, verbirgt ganz andere Interessen. Diese sind jenseits des Prozesses der Produktion, der Vermarktung und des Konsums von Betäubungsmitteln angesiedelt und darauf abgestellt, den permanenten Fluss an strategischen Rohstoffen wie Erdöl und die Errichtung einer neuen kontinentalen Marktordnung mit Hilfe der Errichtung der Amerikanischen Freihandelszone zu garantieren.

Im Falle Kolumbiens können wir beobachten, wie der Konflikt befriedet werden soll, und man assoziiert von Seiten des herrschenden politischen und ideologischen Systems den Drogenhandel und den Terrorismus mit dem Kampf der sozialen und Volkskräfte und mit dem Kampf der aufständischen Bewegungen um die Kontrolle der politischen Macht. Auf diese Weise dient das Gespenst des „Drogenterrorismus“ der Neutralisierung Abtrünniger und der Unterdrückung des Widerstandes gegen die neokoloniale Politik, die von den USA durchgesetzt werden soll.

Auf sozialer und regionaler Ebene, wo sich die Konflikte um das Recht auf Land und die Würdigung der Existenz bäuerlicher, eingeborener und schwarzhäutiger Gemeinwesen entwickelt, die von allem ausgeschlossen bleiben, hat der „Krieg gegen den Drogenterrorismus“ verheerende Folgen. Das gesellschaftliche Leben wurde militarisiert und paramilitarisiert, soziale Organisationen werden auf dem Weg des Mordes, des Verschwinden-Lassens von Personen oder ihrer Bedrohung zerschlagen. Es finden willkürliche und massenhafte Verhaftungen statt, massiv und systematisch werden Menschenrechte verletzt.

Die unkontrollierte Anwendung von Entlaubungsaktionen hat der bäuerlichen Wirtschaft großen Schaden zugefügt, die Gesundheit der Landbevölkerung beeinträchtigt und unvorhergesehene Umweltschäden in Folge der Entlaubung des Regenwaldes, der Vergiftung von Flüssen, Brüchen, Mooren und Feuchtgebieten verursacht. Im Tal des Flusses Cimitarra, in Magdalena Medio, hat man festgestellt, dass mit der Verbrennung jedes Hektars Kokalandes im Durchschnitt vier Hektar Urwald sowie weitere Anbaugebiete mit vergiftet wurden.

Die Konsequenzen des Plans Kolumbien stellen einen weiteren Grund für die gewaltsame Vertreibung dar, die die militärischen und paramilitärischen Aktivitäten, die Errichtung von Lebensmittelblockaden und sanitären Problemen in ländlichen Gebieten ergänzt. Die Lebensbedingungen der Landgemeinden werden immer ungünstiger. Die Entlaubungen führen in einen Teufelskreis, der zur Erneuerung und Vervielfachung des Kokaanbaus führt.

Da die Bauern keine andere Alternative haben, säen sie immer wieder neu aus bis zur nächsten Entlaubung. Dies ist eine dumme Politik, die einzig und allein dem militärisch-industriellen Komplex der USA dient, der die Waffen für den Krieg herstellt; sie dient dem Multikonzern Monsanto, der die Chemikalien produziert, sie dient der chemischen Industrie, begünstigt die mit dem Staat verquickte Bürokratie und die korrumpierten Behörden.

Diese Aktionen legitimieren den gegenwärtigen Staat, entfernen ihn von seinen Einwohnern und – im Gegensatz zum erwarteten Ergebnis – stärken die Guerilla und, was am Schlimmsten ist, lösen weder das Problem des Kokaanbaus noch des Drogenhandels. Kurios ist, dass in Folge der ausbleibenden Lösung des Problems sowohl für Kolumbien als auch im internationalen Maßstab ein Handel aufrechterhalten wird, der den Umfang von 500 Milliarden Dollar jährlich übersteigt. Es ergibt sich die Frage, wenn den Bauern im Handel für die Drogen 2 400 000 Dollar für das Kilo Kokagrundstoff (nicht Kokain) gezahlt wird, wer dann in der Handelskette vom Mehrwert profitiert. Und wo geht dieses Geld hin? Allein im Jahr 2001 hat Kolumbien 839 Tonnen Kokain exportiert.

Die Bauernbewegung Kolumbiens hat eine Lösung auf zwei Ebenen vorgeschlagen: auf der einen Seite die Legalisierung der Kokablätter für den traditionellen und medizinisch orientierten Genuss, die Legalisierung der Drogen und die gesundheitliche Versorgung der Drogenabhängigen. Auf der anderen Seite Strukturreformen, die den Zugang zu Land über die Agrarreform sichern, womit das unproduktive Latifundium beseitigt wird. Damit wird der einheimische Markt für die landwirtschaftliche Produktion gesichert. Diese Vorschläge sind Bestandteil der Lösung des politischen, sozialen und bewaffneten Konflikts, der sozialen Gerechtigkeit auf dem Lande und des Friedens.
 26. Januar 2004