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Die Amerikanische Freihandelszone und das Kommando Süd
Camelo Riuz Marrero Wochenzeitung Claridad (Puerto Rico) 18. September 2003
Die Bestimmungen der Amerikanischen Freihandelszone, die die USA in den nächsten
Jahren durchzusetzen gedenken, sind – so ihre die Kritiker – eine
Handlungsanleitung für einen in seinen Ausmaßen unvorstellbaren Abbau
des Sozialwesens und der Umwelt in Lateinamerika.
Die Amerikanische Freihandelszone wird das gegenwärtig geltende Nordamerikanische
Freihandelsabkommen mit den Mitgliedsstaaten USA, Kanada und Mexiko bis Feuerland
ausweiten. Dies wird einer Welle der Privatisierung von Ländereien und Bodenschätzen
Tür und Tor öffnen und somit zu einer großen Gefahr für die
eingeborenen Völker und die Landbevölkerung in Amerika werden. Das ist
die Warnung eines kürzlich veröffentlichen Berichts der Internationalen
Aktion für Genetische Ressourcen (GRAIN), einer internationalen Organisation
mit Sitz in Barcelona.
Der mexikanische Ökonom Giancarlo Delgado Ramos, Forscher im Lateinamerikanischen
Rat für Sozialwissenschaften, macht deutlich, dass die explosive wirtschaftspolitische
Situation im Gefolge der Auswirkungen der Freihandelszone neue Vorwände für
Interventionen des Südkommandos der USA in Lateinamerika schaffen wird. Diese
reichen von der Bewahrung oder Wiederherstellung von „Gesetz und Ordnung“
angesichts von Situationen der „Nichtregierbarkeit“ zur Sicherung
der Wirtschaftsinteressen und Investitionen der USA in Situationen der „sozialen
Instabilität“, bis zum Umweltschutz.
„In ressourcenreichen Gebieten wurde der Schachzug der Geopolitiker
mit dem unvorhergesehenen und angeblichen Anstieg krimineller Aktivitäten,
in Sonderheit des Drogenhandels, begründet“, stellt Delgado Ramos in
seiner Monografie ‚Imperialistische Geopolitik und Naturreichtümer‘
fest. „Ebenfalls ausgehend von der plumpen Behauptung der „nachhaltigen
Entwicklung“ ist dies ein Joker für jedwede Aktion der kapitalistischen
Eliten und „zwingt“ die militärischen Kräfte auf den Plan,
um die „Verteidigung“ der eine oder anderen Territorien zu gewährleisten“.
Delgado Ramos nimmt Bezug auf die Geschehnisse in Mexiko seit Inkrafttreten des
Freihandelsabkommens 1994, als Beispiel und Warnung dafür, was dem übrigen
Teil Lateinamerikas mit der Freihandelszone widerfahren könnte. Damit wurde
nämlich der formellen und/oder tatsächlichen Privatisierung von Eisenbahnen,
Autobahnen, dem Banken- und Rentensystem, von Häfen, Flughäfen, des
Telefonnetzes, von Satellitensphären, Energielieferern, Erdöl. Gas,
Wasserversorgungs- und -aufbereitungsanlagen, Gehölzen, biologischer Artenvielfalt
– letztere als Genbank im Dienste der transnationalen Unternehmen in der
Biotechnologie – Vorschub geleitet.
Es handelt sich nicht mehr und nicht weniger als um die Entnationalisierung strategischer
Ressourcen. Mit dem Freihandelsvertrag wir die Aufgabe des Staates, eine Wirtschaftspolitik
zu entwerfen, zu einer Angelegenheit aus der Vergangenheit, und die Staatschefs
mutieren zu einfachen „Landesmanagern“ des neoliberalen Projekts unter
der Führung der USA.
Nicht ohne Grund betonte der vormalige Vizepräsident der USA, Albert Gore,
vor dem Kongress, dass die Zustimmung zum Freihandelsabkommen dieselbe Bedeutung
hätte wie der Aufkauf von Louisiana und Alaska im 19. Jahrhundert. „All
das, was ein Land im Kriegsfall verteidigt ist genau das, was zerschlagen wurde“,
stellt Delgado Ramos fest. „Das ist sehr delikat, denn im Falle der „inneren
sozialen Destabilisierung“ wäre es wahrscheinlicher, dass die USA auf
unserem Territorium das verteidigen, was ihre „Unternehmer“ aufgekauft
haben.
Die Ausweitung des Freihandelsabkommens auf Mittelamerika stellt sich dar im Plan
Puebla Panamá und im Mittelamerikanischen Biologischen Korridor. Dieser
Plan Puebla Panamá sieht die Errichtung einer gewaltigen Infrastruktur
in der gesamten mittelamerikanischen Region vor – Autobahnen, Häfen,
Energieleitungen und Staudämme –, um die Natur- und Humanressourcen
dort maximal ausbeuten und als Brücke zwischen den Ozeanen nutzen zu können.
Währenddessen hat der Biologische Korridor – unter Nutzung von Satellitenaufnahmen
– die Zielstellung, die Region für biologische Erkundungen der Unternehmen
aus der Biotechnologie und für den „ökologischen„ Tourismus
nutzbar zu machen. Der Plan Puebla Panamá und der Korridor entsprechen
den neuen Sicherheitsbedürfnissen der ausländischen Interventionisten,
mehrheitliche US-amerikanischen Ursprungs. „Die territoriale Neuordnung
Mittelamerikas (anhand von Fotos der NASA) muss demzufolge mit der Wiedergewinnung
der „Unregierbarkeit“ von Wäldern und Bergen beginnen, da diese
– den „Landesmanagern“ zufolge die wirtschaftliche Entwicklung
und die Bewahrung der Ökosysteme blockiert“.
Eine düstere Zukunft
GRAIN malt ein noch viel düsteres Bild. In ihrem Dokument ‚Beitritt
zum Freihandelsabkommen‘ macht die Organisation darauf aufmerksam, dass
die Unterzeichnerländer einige unkalkulierbaren Verpflichtungen eingehen
werden. Sie werden zulassen müssen, dass ausländische Transnationale
sich der Ländereien bemächtigen, dass sie ebenso Patente nutzbar machen
werden, um sich der biologischen Ressourcen zu bemächtigen – egal ob
landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Natur – bis hin zu den Überlieferungen
der Eingeborenen und traditionellen Kenntnissen über die Nutzung der biologischen
Vielfalt.
„Der Zugang zu Gebieten mit biologischer Vielfalt und zu den Pflanzen,
Tieren und Mikroorganismen, die hier leben, gerät unter die absolute Kontrolle
derjenigen, die sich ihrer bemächtigt haben. Gelänge es jemandem, Pflanzen
oder Vieh aus diesem Gebiet herauszubringen, so würden diese beschlagnahmt
und eine Strafe verhängt werden ... Wenn ein Unternehmen der Entnahme
und Nutzung von lebendem Material zustimmen würde, könnte dies unter
sehr spezifischen und eingeschränkten Bedingungen geschehen, sogar indem
man Nutzungsformen festlegt und die Reproduktion verbietet.“
Laut GRAIN könnten die Erkenntnisse ganzer Völker und Gemeinschaften
in die Hände privater Unternehmen übergehen. „Einmal zu Eigentum
des Unternehmens erklärt, müssten all diese Völker und Gemeinschaften
sich verpflichten, diese Erkenntnisse weder zu verbreiten noch zur Anwendung zu
bringen. Diejenigen, die es dennoch täten, würden mit Strafen oder Gefängnis
belegt.“ Wenn die agroindustriellen Unternehmen die traditionellen Saatgüter
patentieren lassen, werden die einfachen Völker, die sie entwickelt haben,
dazu gezwungen werden, sie nicht mehr anzubauen, nicht einmal für den privaten
Verzehr, sofern sie nicht die Eigentumsrechte der neuen „Herren“ akzeptieren.
„Solch einen Anbau würde man unter den Bedingungen und zu dem Zweck
betreiben, den die Industrie bestimmt ... Die Industrie wird zum absoluten
Kontrolleur dessen, was angebaut, verzehrt, gehandelt wird.“ Dergestalt
wäre das Schicksal der reichen Erkenntnisse der Bauern- und Eingeborenenvölker,
die sie freiwillig miteinander und mit der Welt geteilt hatten.
Mit dem Freihandelsabkommen bewegen wir uns auf „die Ruinierung und Landvertreibung
einer großen Zahl von lateinamerikanischen Bauern und Ureinwohner zu, gepaart
mit der völligen Missachtung der Landrechte und Kulturrechte der eingeborenen
Völker. Auf dieser Grundlage wird sich ein Prozess der Aneignung von Ländereien
durch die transnationalen Unternehmen entfalten, die noch dazu unter besonderen
Normen und besonderer Aufsicht privater Organe gehalten werden.“
„Diejenigen, denen der Verbleib in den ländlichen Gebieten erlaubt
ist, müssen sich den Bedingungen und Normen der Transnationalen fügen,
möglicherweise als billige und schutzlose Arbeitskraft.“
Neue Horizonte für das Südkommando
Diese Neuordnung bringt neue Herausforderungen für das Südkommando.
Während ihre Mission während des Kalten Krieges darin bestand, die so
genannte „sowjetische Weltverschwörung“ zu bekämpfen, hat
es heute ein vielschichtigeres Mandat übernommen, nämlich die Stabilität
und das gute Verhandlungsklima für die riesigen Investitionen zu bewahren,
die mit dem Freihandelsvertrag kommen werden. Es soll einen bedrohlichen Schatten
auf die sozialen und alternativen Protestbewegungen (die so genannten nichtstaatlichen
Akteure) und nicht kooperierende Regierungen wie die von Chavez in Venezuela und
Lula in Brasilien werfen.
„Der Zusammenhang zwischen imperialistischer Geopolitik und Bodenschätzen
wird verständlicher, wenn man den Standort militärischer Einrichtungen
in Bezug auf wichtige Reserven an biologischer Vielfalt, Wasser, Erdöl und
Mineralien untersucht“, sagt Delgado Ramos.
Indem wir uns von Nord nach Süd bewegen, beginnen wir unsere Reise mit dem
Radar ROTHR in Corpus Christi in Texas, gehen über Chiapas mit den reichen
Vorkommen an Holz, Süßwasser und Lebewesen neben Erdöllagerstätten,
Uran und anderen Mineralien. Für den dort gelegenen Lacandona-Dschungel sind
große Elektrizitätswerke und Projekte des Ökotourismus geplant.
In Guatemala geht es um den Dschungel von Petén mit seinen großen
Wasser- und biologischen Reserven. Im Usumacinta-Fluss sind einige Elektrizitätswerke
im Plan Puebla Panamá vorgesehen. Petén ist ein gesetzloses Land,
wo die örtliche Mafia nach Lust und Laune Wälder rodet und archäologische
Schätze räubert. Solch „Unregierbarkeit“ könnte einen
Vorwand für eine künftige Intervention des Pentagons bieten. Im Jahr
2001 hat das Südkommando eben dort sein Manöver New Horizons durchgeführt.
In El Salvador haben wir die Militärbasis von Comalapa und das regionale
Antidrogenzentrum; in Honduras, wo es sehr unterschiedliche Bodenbeschaffenheit,
Pinienwälder und ausgedehnte Kupferlagerstätten gibt, befindet sich
die Rdarbasis Soto Cano. Nicaragua besitzt Gold, im Osten ausgedehnte Wälder
und Erdöl an der Karibikküste; Costa Rica ist ein Zeugnis von Modellprojekten
der biologischen Forschung, des Ökotourismus und elitärer Bestrebungen.
Der Darién-Dschungel an der Grenze zwischen Panamá und Kolumbien
ist reich an endemischen Arten.
Über die gesamte Region verteilt sind militärische Einrichtungen
für den Krieg „gegen die Drogen“, die das pentagon als forward
operating locations und forward operating sites bezeichnet – in Belize,
Honduras, Costa Rica, Panamá, den Ciaman-Inseln, Aruba und Curacao, nicht
zu vergessen Guatemala, Roosevelt Roads und den ROTHR von Vieques-Juana Diaz.
Südamerika jedoch ist der größte Preis aufgrund seiner riesigen
territorialen Ausdehnung, gewaltiger Trinkwasserreserven (Brasilien besitzt 20
Prozent der Weltreserven), landwirtschaftlicher Reichtümer (die Kartoffel
stammt aus den Anden) und Bodenschätze.
Zur maximalen Ausbeutung seiner Rohstoffe hat Südamerika seine Version des
Plans Puebla Panamá entwickelt, nämlich die Initiative zur Integration
der Regionalen Infrastruktur Südamerikas. Diese Initiative sieht vor, eine
gewaltige Infrastruktur für den Transport zu errichten, um die entferntesten
Winkel des Kontinents mit der Weltwirtschaft zu verbinden, einschließlich
Autobahnen, die die Anden queren um den Amazonas mit dem Pazifik zu verbinden.
Vorgesehen sind ebenfalls ambitionierte private Projekte zur Elektrifizierung,
denen die liberalisierten Energiemärkte zugute kommen werden.
Um die Sicherheit des südamerikanischen Integrationsprojekts und des Freihandelsvertrages
zu gewährleisten, gibt es die radarbasisi in Manta – Ecuador, in Kolumbien
Basen in Leticia, Caquetá und Putummayo; Santa Lucía in Perú
ebenso wie das peruanische Putumayo; die Erweiterung der
Basis in Alcantara in Brasilien; eine Installation in Chaparé und eine
„antiterroristische“ Einheit in Santa Cruz de la Sierra – Bolivien;
in Paraguay Trainingszentren für Grüne Barette, in Feuerland die Basis
von Tolhuin und zahlreiche weitere Installationen in Argentinien, dem Südatlantik
und sogar der Antarktis.
Überraschung auf dem Weg
Das Pech besteht darin, dass sich in Lateinamerika die fortschrittlichen Kräfte
neu gruppieren. Chavez und Lula sind in Venezuela bzw. Brasilien an der Macht
und damit ein Gräuel für Washington, die Erdölkonzerne und die
Internationale Bank. Neben den großen Leistungen dieser Staatsmänner
zeigt sich der Widerstand auch in kleinen Gelegenheiten, die für sich genommen
bescheiden erscheinen, insgesamt jedoch ausreichen, um den optimistischen Neoliberalen
zu beunruhigen. In Argentinien besetzt die Bevölkerung betriebe und organisiert
sich in Kommunalversammlungen. In Chimalapas, Mexiko, bildet die Landbevölkerung
ökologische bäuerliche Reserven, die den Gegensatz bilden zur Parole
der nachhaltigen Entwicklung von Präsident Fox und den örtlichen Eliten
der USA. In Brasilien hat die Bewegung der Landlosen mit 1,5 Millionen Mitgliedern
Ländereien zurückgewonnen und verteilt sie an 250 000 Familien.
In Chiapas wehren sich die zapatistischen Kommunen gegen Versuche der Vertreibung.
In Mittelamerika verblüffen die Ureinwohner, indem sie Regionalversammlungen
einberufen zur Organisierung des Widerstands gegen den Plan Puebla Panamá.
Und in Vieques achtet man sehr auf die Marine.
Zusammenfassend erlaube ich mir, Delgado Ramos nochmals zu zitieren; „Jeden
Tag geht es voran in dieser Richtung, und obwohl der Weg noch weit ist, sind die
Möglichkeiten viel versprechend, das System zu entlarven und Wege ausfindig
zu machen für die Errichtung einer anderen Zukunft von und für Lateinamerika
in dem Maße, in dem die Völker gemeinsam für ein übergreifendes
Ziel kämpfen.“ |
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