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Welche Perspektive hat Kolumbien in Südamerika?
Analyse unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte
Luis Alberto Matta Aldana [*]
19. Januar 2004
Die Departements Arauca und Putumayo und ein großer Teil von Santander Nord
sowie die Region Magdalena Medio – wo die Territorien von Antioquia, Santander
und Bolívar zusammentreffen – sind vielleicht die gefährlichsten
Orte der Welt für einen Aktivisten, der sich der wirksamen Verteidigung der
Menschenrechte verschrieben hat.
Die genannten Gebiete umfassen zusammen etwas mehr als 105 Quadratkilometer, die
heute in geheime Konzentrationslager verwandelt worden sind – für die,
die die Regierung in Frage stellen oder Menschenrechtsorganisationen angehören
oder, schlimmer noch, in politischen Linksparteien, demokratischen Koalitionen
wie A Luchar oder die Patriotische Union aktiv waren, und am schwerwiegendsten,
wenn ihnen nachgewiesen wird, dass sie sich an Bauernbewegungen beteiligt haben,
die für die Agrarreform kämpfen. Wenn Sie in Kolumbien mit den Kämpfen
der Bauernschaft für Land und Gerechtigkeit verbunden gewesen sind, sind
Sie ein sicherer Kandidat für die Einstufung als Guerillero oder Terrorist.
Und der übrige Teil des Landes bleibt nicht etwa außerhalb der Willkürmaßnahmen
der Regierung, an deren Spitze Präsident Álvaro Uribe Vélez
steht, da die Massenverhaftungen – oder kollektiven Geiselnahmen –
unter der Zivilbevölkerung in abgelegenen Regionen, die Zwangsvertreibungen,
die Bedrohungen, die Blockaden der Lebensmittelversorgung gegen belagerte Siedlungen
und die selektiven Verbrechen gegen Volksführer auf dem ganzen nationalen
Territorium immer häufiger werden. Es ist eine Schande für die Menschheit,
dass man immer wieder moralische Sanktionen gegen die aufeinander folgenden kolumbianischen
Regierungen diskutiert, die das hohe Maß der Verletzung der Menschenrechte
verurteilen, aber keine konkreten Maßnahmen ergreift, um den Verbrechen
Einhalt zu gebieten. Weiterhin werden in Kolumbien Dutzende von wehrlosen Gewerkschaftern
ermordet, alle Opfer der Barbarei der Paramilitärs und des Staatsterrorismus.
Präsident Uribe gewährt stolz den paramilitärischen Banden das
Privileg des Dialogs – in Wahrheit Monologs – und der Vereinbarung,
aber gegenüber der aufständischen Guerillabewegung bewahrt er Zorn und
Rachegelüste. Das schlimmste ist aber, dass er eine ähnliche Haltung
auch gegen fast alle zivilen und demokratischen Ausdrucksformen der politischen
Opposition einnimmt, womit er ein deutliches Licht auf seine angeblichen Friedensabsichten
wirft. Zuletzt hat die Regierung in einem Akt der Verzweiflung und Unfähigkeit
angesichts der mageren Ergebnisse bei der Aufstandbekämpfung ihre Rohre gegen
die Organisationen zur Verteidigung der Menschenrechte gerichtet, sie ist so weit
gegangen, diese als „Tarnorganisationen, die Komplizen des Terrorismus sind“
zu bezeichnen.
Das liebenswürdige und beinahe romantische Gesicht dieser Gaunerbande ist
der berühmte Friedensbeauftragte Luis Carlos Restrepo, bekannt auch als „Doktor
Freundlich“. Der Friedensbeauftragte wurde nicht müde zu wiederholen,
dass „die Regierung die Möglichkeit begrüßt, dass die paramilitärischen
AUC (Vereinigte Selbstverteidigungseinheiten Kolumbiens) eine Partei gründen
und sich in das legale politische Leben integrieren“.
Erinnern wir uns, dass in der ersten Augustwoche 1989 ACDEGAM, eine Filiale der
Nationalen Föderation der Viehzüchter (FEDEGAN), heute unter dem Vorsitz
des Magnaten Jorge Visbal Martelo, der im Verdacht steht, zu den Chefs des Kartells
von Medellín zu gehören, den gleichen Vorschlag unterbreitete, damals
unter dem Namen „Morena“ (Movimiento de Restauración Nacional,
Bewegung der nationalen Wiederherstellung). Und welcher Zufall: Zahlreiche Politiker
und Partner der gegenwärtigen Regierung, in der Mehrheit Unternehmer wie
der Justizminister Sabas Pretelt de la Vega und Großgrundbesitzer, und Abgeordnete,
die damals mit Champagner jene mit dem Geruch von Verbrechen gegen die Menschlichkeit
behaftete politischer Verirrung feierten, sind die gleichen, die heute über
die mögliche Gründung einer neuen Partei vor Freude singen und tanzen.
Wir sollten uns vorbereiten, denn langsam, aber sicher und ruhig nimmt die Straflosigkeit
ihren Weg.
Indessen reorganisiert der Drogenhandel, der der offiziellen Propaganda zufolge
angeblich geschwächt ist, beschleunigt seine alten Strukturen, während
er an dem paramilitärischen „Dialog“ beteiligt ist. Die brutalen
Konflikte, die gegenwärtig zwischen den verschiedenen Gruppierungen der Kartelle
ausgetragen werden und die mit der Pistole, mit Vorankündigungen und Massaker
gelöst werden, sind ein Signal für seine innere Anpassung an die neuen
Bedingungen. Eins ist klar: Diejenigen, die außerhalb des Abkommens mit
der Regierung bleiben, werden ausgetilgt, eingekerkert oder in die Vereinigten
Staaten ausgewiesen, wahlweise. Die übrigen kommen in den Genuss des Gesetzes
über die Strafablösung, sie werden nicht ausgewiesen und werden augenscheinlich
die neue Partei bilden.
Der alte Gedanke einer Rechtspartei hat neuen Atem gewonnen mit der – vorerst
noch verdeckten – Unterstützung durch eine Gruppe von etwa dreißig
Abgeordneten, die mit der Geschäftswelt und den Großgrundbesitzern
liiert sind. Die Abgeordnete für Antioquia Rocío Arias und der „unabhängige“
Senator und Ex-Verteidigungsminister Rafael Pardo Rueda haben die zukünftigen
Pläne durchblicken lassen. Arias wurde emphatisch, als sie am 16. Januar
in der Tageszeitung „El Tiempo“ behauptete: „In den Regionen,
wo diese Selbstverteidigungsgruppen operieren, haben wir bereits gelernt, mit
ihnen geordnet zusammenzuleben. (...) Diese Gruppen sind zum Rettungsbalken für
diese Regionen geworden“, sagte die Abgeordnete.
Die schwere humanitäre Krise, die Kolumbien durchleidet, verschlimmert sich
deutlich mit der Regierung Uribe Vélez, und in dem Maße, wie diese
zum Hauptverbündeten der Vereinigten Staaten in der Region wird, tendiert
die Krise dahin, sich in ein Problem regionalen Charakters zu verwandeln. Übel
wie die Korruption, der Drogenhandel, der Militarismus, die Ausbreitung der Armut,
das Fehlen von Arbeit, der Hunger, die Gewalt und das Verbrechen, Produkt der
verfaulten Regimes, die die Gringos gestützt haben, sind Probleme, die heute
zum Vorwand für Eingreifpläne werden, wie mit dem so genannten Plan
Colombia. Und jetzt, wenn sich die Völker angesichts der Armut, der Unterdrückung
und der Ungerechtigkeit empören, treten die Gringos auf den Plan, um die
Demokratie zu verteidigen und den Terrorismus einzudämmen.
Mit aller Sicherheit kann ich sagen, dass mein Land als zukünftiger Brückenkopf
oder als das Instrument für eine massive Intervention der Vereinigten Staaten
in Südamerika fungiert. Es liegt auf der Hand, dass das erste Ziel die Niederschlagung
der kolumbianischen Guerillas ist, da die Aufständischen von den FARC-EP
und dem ELN zunehmend zum Symbol der Rebellion in der Region werden. Die ausgewogenen
Botschaften und der unleugbare politische Realismus des legendären Comandante
Manuel Marulanda und die in aller Stille vor sich gehende Ausbreitung der Bolivarianischen
Bewegung für ein Neues Kolumbien bereiten den Strategen des Pentagon auf
jeden Fall schlaflose Nächte.
Angesichts der offensichtlichen Befürchtung, dass Uribe seine Amtszeit nicht
überstehen wird – viele denken wie wir, dass seine Regierung kein glückliches
Ende nehmen wird – und dass der kolumbianische Bürgerkrieg seiner Kontrolle
entgleitet, beeilen sich die USA, den Konflikt zu regionalisieren, um ihre Anwesenheit
zu sichern. Die Einmischung in den inneren Konflikt unter dem Vorwand, den Drogenhandel
zu bekämpfen und die „Demokratie“ im Lande zu verteidigen, zielt
auch darauf ab, in Nachbarländern zu intervenieren. Das Epizentrum der Strategie
wird zu Anfang die Bolivarianische Republik Venezuela sein, die sich ihrerseits
in ein Signal für andere Völker des Gebietes verwandeln muss, die gepeinigt
von Hunger und Ungerechtigkeit heute Demokratie und Souveränität fordern,
um ihre sozialen und politischen Probleme zu lösen.
Vergessen wir nicht, dass die kolumbianische Regierung sich als Hauptverbündeter
des Imperialismus aufspielt, einschließlich ihrer schändlichen Unterstützung
für die Intervention in Irak, während die Nordamerikaner aus der übel
zugerichteten und korrumpierten Institutionalität Kolumbiens, die unterwürfig
auftritt und an die Verräterrolle als „Kain Amerikas“ gewöhnt
ist, ihren Nutzen ziehen.
Es ist ein von Geistesabwesenheit zeugender Trugschluss glauben zu machen, dass
die Tag für Tag in Kolumbien angehäuften Arsenale allein dazu dienen
sollen, die legendäre Guerilla-Opposition zu liquidieren. Kolumbien ist durch
seine Schutzpatrone mit einer modernen Luftflotte ausgerüstet worden, zu
der 79 Helikopter der letzten Generation, alle mit Artillerie und Raketen bestückt,
neun mit Radar ausgestattete Flugzeugen zur Spionage gehören (zwei davon
wurden von den Aufständischen abgeschossen), und hat beschleunigt seine Bomberflotte
erneuert. Das geschieht parallel mit der so genannten Technifizierung oder Professionalisierung
des Landheeres, die bereits unter der vorangegangenen Regierung – Andrés
Pastrana – begonnen wurde und gegenwärtig von britischen und israelischen
„Beratern“ und natürlich solchen aus den USA trainiert wird.
Zu dem allen muss man die außergewöhnliche Verstärkung der Fußtruppen
hinzurechnen, die in den letzten 27 Monaten um 78 000 Mann gewachsen sind,
ohne die zwei Errungenschaften, die den größten Stolz von Präsident
Uribe darstellen, mitzurechnen: die „Bauernsoldaten“, die die einheimische
Presse mit etwa 23 000 beziffert, und eine Million Lumpen, die verharmlosend
„Informanten“ genannt werden. Das sind schlimmere Banden als die berüchtigten
„Bauernstreifen“ in Peru.
Die so genannten „Bauernsoldaten“ gehören anscheinend zu einer
öffentlich sichtbaren Strategie, zumindest in Gebieten, die unter absoluter
Kontrolle der Streitkräfte und der Paramilitärs stehen, während
die Informanten im geheimen über das ganze Land verteilt oder unter Kontrakt
genommen werden, vor allem aber im Grenzgebiet zu Venezuela, in den Departements
Arauca, Santander Nord und Cesar. Wie viele Waffen besitzen die Banden der „Informanten“?
Niemand weiß es, und noch weniger kennt man die Millionensummen, über
die sie verfügen. Ein Teil der Beute stammt aus den nicht einsehbaren Geheimkonten
des Verteidigungsministeriums, die jetzt durch den Plan Colombia gut aufgefüllt
worden sind und nur dank der Unzuverlässigkeit und der Korruption in den
Streitkräften und der Polizei Erwähnung finden.
Was die Polizei betrifft, die schon seit langem ihren Charakter als Element der
öffentlichen Ordnung verloren hat, so hat sie sich in eine mächtige
Okkupationsarmee in den städtischen Vierteln der kleinen Gemeinden umgewandelt.
Die Aufgabe der Polizei ist es, ohne jede Rücksicht die Zivilbevölkerung
und die organisatorischen Ausdrucksformen ihrer Opposition zum Regime zu unterdrücken,
damit die Truppen der Armee sich vollständig dem Einsatz in den ländlichen
Gebieten und besonders im Grenzgebiet widmen können.
Inzwischen und wie um eine Herausforderung großen Kalibers gegen Venezuela
auf den Weg zu bringen, haben dunkle Figuren wie die Generäle des Heeres
Iván Ospina und Martín Orlando Carreño sowie Unternehmer
der „überfälligen Oligarchie“ wie der Millionär und
Aktienbesitzer der Zeitung „El Tiempo“ von Bogotá, der Ex-Minister
und ehemalige Präsidentschaftskandidat Juan Manuel Santos, Partner und Beschützer
des Putschisten Carmona, eine Kampagne von Provokationen eingeleitet, deren Absicht
dahin geht, die venezolanische Regierung mit den Aktionen und der Entwicklung
der FARC-EP in Verbindung zu bringen, als ob die Guerilla erst gestern entstanden
wäre oder als ob sie nicht mit einer sozialen Basis und der Volksunterstützung
im Innern rechnen könnte.
Zunächst bleibt uns nur übrig, weiter auf den Dialog zwischen „Kontrahenten“
zu bestehen, das heißt zwischen dem Staat mit der Regierung an der Spitze
und seinen Verbündeten auf der einen Seite und den Aufständischen auf
der anderen Seite, ein Dialog, in den in unabhängiger Form die breite und
vielfältige zivile Oppositionsbewegung eingeschlossen werden muss, die zum
Leidwesen Uribes und seiner Verbündeten immer fest auf eine politische Lösung
des Konflikts gesetzt hat und immer der Suche nach Frieden verpflichtet sein wird.
* Luis Alberto Matta, Autor des Buches „Kapitalistische Macht und politische
Gewalt in Kolumbien“, das von dem Genozid gegen die politische Bewegung
Patriotische Union handelt, ist ein herausragender Friedensaktivist und gegenwärtig
politischer Flüchtling. Der vorliegende Artikel wurde am 19. Januar 2004
für die Agentur Landpresse mit Sitz in Magdalena Medio, Kolumbien, und für
die Zeitschrift Resumen Latinoamericano, die hauptsächlich in Bolivien, Venezuela,
Argentinien und Spanien verbreitet wird, geschrieben. [back] |
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