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Staatsterrorismus und die Instrumentalisierung des Faschismus
voz de la nueva colombia
1. Februar 2004
Einige wenige Reste, das ist alles, was von der Verfassung von 1991, die einige
Fortschritte hinsichtlich individueller Rechte und Freiheiten gebracht hatte,
übrig geblieben ist. Auch von denen, die sie damals verteidigt haben und
noch heute verteidigen, sind nicht viele geblieben. Einige – zutiefst verängstigt
– haben nicht genug Mut, um den Mund aufzumachen oder sind ins Exil gegangen
und andere – vielleicht sogar die meisten – inzwischen am anderen
Ufer angelangt sind, dort wo die Toten sind.
Von Anbeginn hat die Ultrarechte, der die Fortschritte unbequem waren, Front gemacht
gegen alle demokratischen Aspekte der Verfassung und nichts unversucht gelassen,
sie zu zerstückeln und zerstören.
Das Anti-Terror-Statut, das am 10. Dezember vergangenen Jahres im Senat angenommen
wurde, setzt die Artikel 15, 24, 28 und 250 der Verfassung außer Kraft,
welche die Unverletzbarkeit der Kommunikationsmittel und die Bewegungsfreiheit
der Bürger schützten, Verhaftungen und Durchsuchungen ohne richterlichen
Beschluss verboten und verhinderten, dass die Streitkräfte zugleich Richter
und Konfliktpartei waren.
Mit diesem Beschluss werden die Gräueltaten der für den Staatsterror
Verantwortlichen legalisiert, die Strukturen des schmutzigen Krieges gestärkt
und ein Freibrief erteilt, damit weiterhin ungestraft Verbrechen begangen werden
können. Vorher wurde das ohne Statut getan, aber jetzt erfolgt das alles
mit noch mehr Gewalt und in aller Offenheit unter dem Schutz dieses verdammten
Gesetzes. Die Reiter des schmutzigen Krieges, die in den staatlichen Institutionen
fest im Sattel sitzen, haben allen Grund zur Freunde, denn exakt am Tag der allgemeinen
Menschenrechte wurden sie durch den Kongress in Form der Verabschiedung jenes
Gesetzes belohnt, das sie so nachdrücklich gefordert hatten und das ihnen
einen Freibrief gibt, mit ihren schrecklichen Verbrechen fortzufahren ohne die
unbequemen Fesseln der Gesetzwidrigkeit, die ihnen zum Ärgernis geworden
waren. Auch jene großmäuligen Generäle, die bereits verkünden,
jetzt würden sie die Aufständischen in kürzester Zeit besiegen,
da sie nun jene Instrumente zur Verfügung hätten, die sie seit langem
forderten. Da sie nun die Hände frei haben, sind sie sich ihres Erfolges
so sicher, dass sie ihren Rücktritt verwetten, falls sie innerhalb Jahresfrist
scheitern. Und die Geschäftemacher des Krieges spenden ihnen eifrig Beifall,
weil sich ihnen ein Panorama für gewinnbringende Investitionen in die Maschinerie
des Todes auftut.
Keinen Grund zur Freunde hat das Land, das sich einer Ansammlung von Perversionen
gegenübersieht. Im Gegenteil, es wächst die Angst, denn das Leiden wird
noch schlimmer und die bevorstehenden Zeiten werden noch schlimmer, als jenen,
die schon bis heute durchlebt werden mussten.
Was sich für Kolumbien abzeichnet, ist sehr ernst, denn das Anti-Terror-Statut,
das in wenigen Monaten in Kraft treten wird, ändert die Verfassung und verleiht
berüchtigten Verletzern der Menschenrechte große Vollmachten: Skrupellosen
Funktionären, die „Protokolle“ schreiben mit gekauften Zeugen,
unschuldig Verurteilten und Tätern auf freiem Fuß, korrupten Militärs
und Staatsanwälten, die im Spinnengewebe des Drogenhandels verstrickt sind
und Paramilitärs, die zur Schande des Landes und zum Schrecken der Menschheit
ihre „Gerechtigkeit“ durchsetzen.
Sehr bald und unter dem Vorwand des von Mr. Bush entworfenen Kreuzzuges gegen
den Terrorismus können die Regierungskräfte den sozialen Organisationen
und ihren Führern das wenige nehmen, was ihnen noch geblieben ist, die individuellen
Rechte und gesetzlichen Freiheiten der Bürger missachten. Sie können
einfache Kolumbianer – tot oder eingekerkert – als Folgen von nie
stattgefunden Kämpfen mit den „Terroristen“ präsentieren,
so wie sie es immer getan haben, um ihre Ziffern aufzubauschen, Meriten einzuheimschen
und ihre Auftraggeber zufrieden zu stellen. Mit der kategorischen Forderung des
Präsidenten an die Generäle, kurzfristige Ergebnisse vorzuzeigen oder
nach Hause gehen zu müssen, werden mehr Tote und unschuldig Eingekerkerte
gezählt werden müssen, nur um den Generälen den Stuhl zu sichern.
Der Sturm, der mit der Präsidentenwahlkampagne Uribes und mit Unterstützung
und Beratung des US-Imperialismus in dessen Programm angekündigt worden ist,
wird kein Zuckerschlecken noch sonst etwas. Unter dem Vorwand der Verteidigung
der Sicherheit der Bürger geht man daran, all jenes zu beerdigen was noch
vom sozialen Rechtsstaat übrig geblieben ist. Durch die wiederholten Reformen
der öffentlichen Macht geht man weitere Schritte zur Institutionalisierung
eines autoritären Staates faschistischen Zuschnittes.
In ihrer Überheblichkeit werden die vernünftigen Stimmen von humanistischen
Persönlichkeiten und solidarischen Organisationen auf nationaler und internationaler
Ebene zur Verteidigung der Menschenrechte ignoriert, die das Anti-Terror-Statut
als verhängnisvoll für und unvereinbar mit Demokratie und Menschenrechten
zurückweisen. Nicht einmal die autorisierte Stimme der UNO und deren Warnungen
wurden gehört und stattdessen hinweggegangen über deren Empfehlungen
sowie auch über die von Kolumbien unterzeichneten internationalen Verträge.
Von dieser faschistisch inspirierten Strategie ist das Schlimmste zu erwarten:
dass die Intoleranz jeden zum Feind werden lässt, der nicht Freund und diesen
dann auch so behandelt, dass um die sozialen Bewegungen endgültig zu zerschlagen
das Konzept des Terrorismus ausgedehnt wird und alle jene umschließt, die
für soziale und gewerkschaftliche rechte kämpfen, die in Opposition
zum Regime stehen und natürlich alle jene, die ein neues Kolumbien fordern.
Auch ist es nicht verwunderlich, wenn der legalisierte Vernichtungskrieg gegen
die Kolumbianer im Rahmen des Plan Colombia auf die Nachbarländer übergreift,
um den Aufschwung der sozialen Bewegungen im Süden des Kontinents einzudämmen,
die dort der Kolonialisierungsstrategie des US-Imperiums entgegenstehen und diese
behindern. Die Ermordung von sieben venezolanischen Militärangehörigen
an der Grenze zu Kolumbien durch Paramilitärs kann der Auftakt sein zu einer
Provokation mit weitreichenden Zielen. Weiter zu erwarten ist eine Intensivierung
der ideologischen Offensive gegen die Aufständischen – als Ergänzung
der militärischen – um den politischen Charakter ihres Kampfes zu negieren
und sie zu isolieren. Dazu werden sie als Terroristen bezeichnet und fürchterliche
Lügen zur Begründung erfunden. Dies wird nicht so einfach gelingen,
denn der zutiefst politische Charakter der kolumbianischen Guerilla hängt
nicht von einem Beschluss der Regierung ab, sondern von uneigennützigen Zielen,
die sie verfolgt und die mit den Interessen der großen Mehrheit der Nation
übereinstimmen.
Aber das Perverse und von jedem ethischen und moralischen Gesichtspunkt Zurückzuweisende
ist, dass die Regierung die in den Kampfgebieten ansässige Zivilbevölkerung
mit der Guerilla gleichsetzt und somit in den Konflikt hineinzieht. Die letzten
Weisungen des Präsidenten an die Streitkräfte, in den er Massenfestnahmen,
die Blockade von Ortschaften sowie die Verhinderung von Lebensmitteltransporten
anweist und unverzügliche Ergebnisse im Krieg gegen die Aufständischen
fordert, sind nur der Auftakt für das Kommende. Diese Maßnahmen erinnern
uns an die Folterungen in den Stallungen von Usaquén während der der
Regierung von Turbay Ayala, an die Nacht des Grauens mit Laureano Gómez
Mitte des vergangen Jahrhunderts oder auch an den Albtraum, den die europäischen
Völker in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchlebten. Die Gelegenheit
und die Bedingungen für eine politische Lösung im Kampf für Frieden,
soziale Gerechtigkeit und Entwicklung schwinden, angesichts des Charakters den
das Regime immer mehr annimmt, mit jedem Tag.
Die mit der “Demobilisierung” der paramilitärischen Gruppierungen
und den so genannten Verhandlungen aufgeführte Komödie, soll außer
der Legalisierung der befreundeten Narco-Paramilitärs und deren Integration
in die Streitkräfte durch eine Versöhnungsgeste an diese Paramilitärs
gegenüber der internationalen Öffentlichkeit den Anschein erwecken,
der Friede werde bald erreicht sein.
Angesichts dieser Lage werden die Anhänger Uribes die einzigen sein, die
nicht von dem kürzlich beschlossenen Statut und den Grausamkeiten, die in
seinem Schatten geschehen werden, betroffen sind.
Die dunklen Wolken, die sich über Kolumbien zusammenballen, kündigen
schwere Stürme an. Was geschieht, ist viel zu ernst, dass jeder dazu ruhig
bleiben oder einfach seinen normalen Dingen nachgehen könnte. Bevor der Sturm
alles und jeden hinwegfegt, ist es dringend notwendig, die Kräfte zu sammeln
und dem sich etablierenden Regime entschlossenen und tapferen Widerstand zu leisten
und gemeinsam voranzuschreiten mit der Perspektive eines neuen Kolumbiens, das
wir ersehnen. Mehr kann man nicht erwarten. Wir alle, Revolutionäre, Demokraten,
progressive Kräfte, die wir ein anderes Land erträumen und die vor dem,
was heraufzieht, erschaudern, wir die wir im Kolumbien von heute definitiv keinen
Platz finden, wir müssen eine gemeinsame front bilden. Die Zeit der großen
Entscheidungen ist gekommen, die Zeit, uns zusammenschließen, uns gemeinsam
zu retten auf der Grundlage dessen, was wir gemeinsam haben und der Respektierung
unserer Unterschiede. Die Zeit, uns breiten Plattformen zu verbünden, in
deren Mittelpunkt die Verteidigung des Vaterlandes, der Demokratie, der nationalen
Entwicklung und der sozialen Gerechtigkeit für alle Kolumbianer steht. Überwinden
wir uns! Es geht um das Vaterland und die Zukunft der Kolumbianer. Gehen wir gemeinsame
Schritte, begraben wir das Sektierertum und die prepotenten, schädlichen
Haltungen. Verwandeln wir das Jahr 2004 in das Jahr der Einheit des Kampfes und
es Widerstandes gegen das Regime. |
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