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Haitianer wehren sich gegen Putschversuch
Deirdre Griswold Workers World newspaper Übersetzung Klaus von Raussendorff 26. Februar 2004


Während schwer bewaffnete Banden unter der Leitung von Anführern der paramilitärischen Todesschwadronen aus der Zeit der früheren Diktatur einen breiten Landstreifen Haitis einnehmen und schwören, die Regierung von Präsident Jean-Bertrand Aristide zu stürzen und seine Anhänger in Scharen zu lynchen, wird in den Volksbewegungen der Region die Frage stellt: Welche Rolle spielt die imperialistische Regierung der USA dabei?

Washington ist vorsichtig genug, das Verdienst an dem Putschversuch, der am 5. Februar in der nördlichen Hafenstadt Gonaives angezettelt wurde, nicht für sich zu beanspruchen. Außenminister Colin Powell erklärte am 17. Februar, dass es bei der Bush-Regierung keine „Begeisterung“ für eine Intervention gebe.

Doch nicht jeder im Außenministerium scheint dies mitbekommen zu haben. Eine australische Zeitung, „The Age“, berichtet am 17. Februar, „US-Botschafter Foley sagte heute, Washington wünscht einen ‚radikalen Wechsel‘, selbst wenn Powell gesagt hat, die USA unterstützten nicht den Sturz von Aristide.“

Jede offene US-Intervention müsste zum gegenwärtigen Zeitpunkt zumindest in Worten die gewählte Regierung gegen jene unterstützen, die selbst nach dem Eingeständnis von Powell Banditen und Totschläger sind. Washington würde es wahrscheinlich lieber den Todesschwadronen überlassen, die Regierung und den Volkswiderstandes zu schwächen, um dann in der Pose des Retters einzuschreiten – und Aristide zu zwingen, solchen Figuren wie Marc Bazin Platz zu machen, einem ehemaligen Weltbankmitarbeiter, den Washington bei den Präsidentschaftswahlen als Kandidaten auserkoren hatte. Bazin wurde von Aristide überwältigend geschlagen, zum Verdruss der Imperialisten.

Offenbar glauben die maßgeblichen Politiker in Washington, sie könnten einen „Regimewechsel” nach ihrem Geschmack erzwingen, ohne zu diesem Zeitpunkt eigene Truppen einmarschieren zu lassen.


Kein Ende der US-Intervention

Die Wahrheit ist, dass es, verdeckt wie offen, bereits ein gerüttelt Maß an Einmischung der USA gegeben hat, um die Regierung von Aristide durch eine solche zu ersetzen, die jenen großkapitalistischen Wirtschaftsinteressen, die den Kurs der US-Außenpolitik bestimmen, bereitwilliger entgegen kommen würde.

Die USA haben sich zum Anführer einer internationalen Verschwörung gemacht, um Haiti, das ärmste Land der westlichen Hemisphäre, jeglicher Hilfsgelder zu berauben. Haiti ist seit seinem erfolgreichen Revolutionskrieg von 1804, der das Land von der französischen Kolonialherrschaft und seine Bevölkerung von der Sklaverei befreite, immer schon auf der Abschussliste der kapitalistischen Großmächte gewesen. Seine tiefe Armut geht aus einer zweihundertjährigen wirtschaftlichen Blockade hervor.

Das Elend vergrößerte sich nach den Wahlen im Jahre 2000 noch, als eine Anleihe von 500 Millionen Dollar, die Haiti bitter nötig hatte, von den US-kontrollierten Finanzinstitutionen zurückgehalten wurde. Die Absicht war klar: Die Regierung Aristide sollte unter Druck gesetzt werden, entweder vor den Forderungen der kapitalistischen Globalisierer zu kapitulieren oder gestürzt zu werden.

Die offiziell erklärte diplomatische Position der USA war, die Regierung Aristide anzuerkennen, und zugleich den Gruppen, die Washington als „demokratische“ Opposition bezeichnet, Hilfe und Ermunterung – und eine beträchtliche Finanzspritze – zukommen zu lassen. Und da ist noch eine andere düstere Geschichte der US-Intervention in Haiti.

Das haitianische Volk, das sich der Machenschaften, die hinter den Kulissen gegen das eigene Land ablaufen, sehr bewusst ist, weiß, dass Washington seit langem geheime Absprachen mit seinen Peinigern getroffen hat, angefangen von der blutigen Duvalier-Dynastie, die Haiti 29 Jahre lang beherrschte.

Die Menschen wissen auch von den geheimen Akten, die 1994 von US-Truppen aus Haiti weggeschafft wurden, als Aristide ins Präsidentenamt zurückkehrte, nachdem er bei einem Militärputsch gestürzt worden war. Diese Akten enthalten, so nimmt man an, Informationen über die verdeckten Beziehungen zwischen der CIA und der Front für die Förderung des Fortschritts Haitis (FRAPH) – ein nett klingender Name für die Todesschwadronen, die während des Militärregimes 1991 bis 1994 operierten.


Städte von Todesschwadronen „befreit”

Nun sind Mitglieder der FRAPH in Haiti wieder da und treten in Gegenden auf, die sie meinen, befreit zu haben. Die US-Truppen, die im Jahre 1994 landeten und die Militärdiktatur absetzten, ermöglichten ihnen, trotz ihrer zahlreichen Verbrechen gegen die Bevölkerung Haiti unbehelligt zu verlassen. Viele landeten in einem angenehmen Exil in den Vereinigten Staaten oder in der Dominikanischen Republik. Ihr Führer, Emmanuel „Toto“ Constant, verbrachte zehn Jahre in einem besseren Viertel von Laurelton, Queens in New York City. Vor seinem Haus fanden oft Demonstrationen der in Brooklyn beheimateten haitianischen Gemeinde statt.

Um ins Land zurückzukehren, haben sich haitianische Kommandos kürzlich ihren Weg durch die dominikanische Grenze freigeschossen und dabei zwei dominikanische Soldaten getötet (Associated Press von 14. Februar). Bei ihnen war Guy Philippe, der frühere Polizeichef der nördlichen Hafenstadt Cap Haitien, sowie auch ein ehemaliger Armeeoffizier und Louis Jodel Chamblain, der Anführer der Duvalier-Todesschwadron in den 80er Jahren.

Laut einem zuverlässigen Artikel von Tom Reeves, der am 17. Februar bei ZNet ins Internet gestellt wurde, war Chamblain auch ein Anführer der FRAPH: „Ein enger Mitarbeiter von Chamblain, Emmanuel ‚Toto‘ Constant, hat die Finanzierung und Leitung durch die CIA zugegeben. Chamblain war nach Erkenntnissen aus Dokumenten, die vom Center for Constitutional Rights in New York eingesehen wurden, 1993 mit einem Agenten der USA zugegen, als die Ermordung des Justizministers, Guy Malary, der für Aristide war, geplant wurde.

Die USA weigern sich, die Dokumente, die sie bei der FRAPH während der US-Invasion 1994 beschlagnahmt haben, freizugeben, vermutlich um die CIA-Verbindungen der FRAPH zu verheimlichen. Philippe und Chamblain gehörten zur haitianischen Opposition – der Convergence –, die, von den USA anerkannt, in der Dominikanischen Republik mit finanzieller Hilfe und Beteiligung des International Republican Institute Konferenzen abgehalten hat.


Zusammenspiel von FRAPH, Convergence und USA

Obwohl Außenminister Powel behauptet, die Todesschwadronen und die Convergence hätten nichts mit einander zu tun, ist das Zusammenspiel zwischen ihnen mit dieser Invasion deutlich geworden. Ein Führer der politischen Opposition, der Schwitzsbudenbesiter André Apaid, erklärt, er wolle mit den bewaffneten Banden nichts zu tun haben, aber welcher „respektable“ Boss des Bandenmilieus hat sich je zu seinen blutbefleckten Statthaltern bekannt?

Ein britischer Beobachter berichtet in „The Independent” vom 17. Februar: „Die Rebellen werden manipuliert und anscheinend von verbitterten ehemaligen Armeeoffizieren übernommen, die, falls man sie ihren eigenen Planungen überlässt, Haiti wahrscheinlich wieder in die Diktatur und den Militärterror der Duvalier-Zeit stürzen würden. Obgleich eine solche Aussicht öffentlich bedauert wird, erklären diplomatische Quellen in Port-au-Prince, westliche Regierungen fragten sich mehr und mehr, ob Haiti nicht unter einer Diktatur stabiler wäre – zumindest von ihrem Standpunkt aus – als unter Herrn Aristides verfehlter Version von Demokratie.“

Die Convergence, zu der viele haitianische Geschäftsleute gehören, hat für den Rücktritt von Aristide Propaganda gemacht und verschiedene Straßenproteste organisiert, welche eine sympathische Berichterstattung in den Konzernmedien der USA fanden. Weitaus größere Demonstrationen zur Unterstützung der Regierung wie jene am 7. Februar, die in Port-au-Prince Hunderttausende anzog, werden von denselben Medien unbeachtet gelassen.

Nachdem Aristide durch die USA 1994 wieder in sein Amt eingesetzt worden war, löste er die haitianische Armee auf. Diese Maßnahme, die seinen pazifistischen Anschauungen entsprach, war gedacht, um die anhaltende Gefahr eines Militärputsches zu mindern. Aber er errichtete keine alternatives Verteidigungssystem wie eine Volksmiliz, sodass der Regierung eine starke Kraft fehlt, um sich gegen ehemalige Militärs zu verteidigen, die nun überraschend gut koordiniert und ausgerüstet auftreten.

Diese ausgebildeten Totschläger haben eine Reihe von Städten nördlich der Hauptstadt eingenommen, wo sie sofort Polizeistationen und Rathäuser angriffen und Aristide-loyale Polizisten töteten und Waffen und Munition erbeuteten. Es gibt Berichte, dass sie Leichen durch die Straßen zogen, um die Bevölkerung zu terrorisieren.

Der Miami Herald berichtet am 16. Februar: „Gonaives und St. Marc wurden der Regierung entrissen, indem die Rebellen ihren Weg durch Städte und Dörfer schossen, brandschatzten und plünderten.”

Haitis gesamte Polizeitruppe – die nun die Aufgabe einer Armee erfüllen muss – hat nur 5000 Mann. Zum Vergleich: Die Stadt New York, die etwa eine Million weniger Einwohner hat als Haiti, hat 32 000 Polizisten, einschließlich der schwer bewaffneten SWAT-Mannschaften, die jeder Zeit durch die National Guard verstärkt werden können.

In dieser Krisensituation sind jedoch, endlich die Massen gefordert einzuschreiten. Laut der haitianischen Zeitung „Haiti Progress“ vom 11. Februar „reagierte die Bevölkerung anscheinend mit Begeisterung auf den Aufruf von Premierminister Yvon Neptune vom 8. Februar, das haitianische Volk solle der Polizei dabei helfen, ‚den bewaffneten Zweig der Opposition‘ zurückzuschlagen. Am 8. Februar errichteten Aktivisten von Volksorganisationen, darunter einige bewaffnet, Barrikaden in den hauptstädtischen Stadtvierteln Canapé Vert und Carrefour.“

Diese Reaktion, meist von Arbeitern und Armen, hat bisher dazu beigetragen, die Kämpfe aus der Hauptstadt Port-au-Prince fernzuhalten. Die organisierte und, soweit möglich, bewaffnete Antwort des Volkes auf den Terrorismus der Bosse und ihrer imperialistischen Hintermänner, ist das Beste, was sich Haiti erhoffen kann.
 26. Februar 2004