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Solidarität oder Mitgefühl
Hugo Ruiz-Diaz Le
Monde diplomatique vom 16. September 2005 25.
November 2005
Die UNO stand einmal für Entkolonialisierung und eine gerechte Weltordnung.
Seit diese Vision durch die Globalisierung abgelöst wurde, müssen sich
die Länder des Südens neu organisieren
Im September 2003 ließen zwanzig Länder des Südens unter Führung
Brasiliens, Indiens und Südafrikas die Cancún-Konferenz der Welthandelsorganisation
(WTO) platzen. Vergeblich hatte die als G20 bekannt gewordene Ländergruppe
versucht, das zur Verabschiedung anstehende Abkommen mit der Abschaffung der
europäischen und US-amerikanischen Agrarsubventionen zu verknüpfen.
Mit einer Gesamtbevölkerung von 1,5 Milliarden Menschen und einem kumulierten
Bruttoinlandsprodukt von 12,5 Prozent des Weltsozialprodukts streben Brasilien,
Indien und Südafrika eine politische und strategische Rolle an, die ihrem
demografischen und wirtschaftlichen Gewicht angemessen sein sollte.
Der brasilianische Staatspräsident Luis Inácio Lula da Silva hatte
die Stärkung der Süd-Süd-Zusammenarbeit zu einem Hauptanliegen
seiner Außenpolitik erklärt. Seit seiner Wahl 2002 reiste er viermal
nach Afrika. Und am 10. und 11. Mai dieses Jahres fungierte er in Brasilia als
Gastgeber des ersten Gipfeltreffens der lateinamerikanischen und arabischen Staaten.
Obwohl sich diese Initiativen deutlich von der terziomondistischen Ideologie
der 1960er- und 1970er-Jahre unterscheiden – schon weil sie die liberale
Verfassung der Weltwirtschaft nicht offen in Frage stellen –, bedeuten
sie eine neue Etappe in dem Prozess, in dem sich die südlichen Länder
seit 1945 Schritt für Schritt die internationale Bühne erobert haben.
Eine entscheidende Rolle in dieser auf weltweite Anerkennung zielenden Strategie
spielt die Organisation der Vereinten Nationen (UNO). Seit Erlangung ihrer staatlichen
Unabhängigkeit in den Fünfziger- und Sechzigerjahren nutzen die Länder
der Dritten Welt die UNO durchaus erfolgreich als Tribüne für ihre
Forderungen, die vor allem auf politische Unabhängigkeit und ökonomische
Entwicklung gerichtet waren.
Dabei war die aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangene UN-Charta nicht frei
von Widersprüchen: Auf der einen Seite installierte sie ein System der kollektiven
Sicherheit und internationalen Zusammenarbeit, auf der anderen Seite sah sie
für bestimmte Völker des Südens ein Treuhandsystem vor, das nur
ein legalistisches Mäntelchen war, unter dem sich die Verwaltung der kolonisierten
Völker durch fremde Mächte faktisch fortsetzte. [1] Auch wenn man berücksichtigt,
dass das internationale Recht 1945 der Notwendigkeit entsprechen musste, den
damals beginnenden Ost-West-Konflikt auf UN-Ebene zu neutralisieren, drückte
es nach wie vor auf klassische Weise jene Kräfteverhältnisse zwischen
den Staaten aus, die der Dritten Welt noch keinen eigenen Platz beließen.
Die UN-Charta konzentrierte sich auf die gravierendste Frage, die der gerade
beendete Weltkrieg aufgeworfen hatte: das Verbot von militärischen Angriffshandlungen.
Doch das andere große Thema, nämlich die ökonomischen Dominanzverhältnisse,
die später das Kernstück der Nord-Süd-Geopolitik bilden sollten,
wurde in keiner Weise angegangen.
Als die ehemaligen Kolonialländer in den 1950er- und 1960er-Jahren ihre
staatliche Unabhängigkeit erlangten, veränderte sich nicht nur das
Gesicht der UNO, sondern auch ihre Funktionsweise. Am Anfang dieser Entwicklung
stand die Bandung-Konferenz im April 1955, an der 29 Staaten und 30 Befreiungsbewegungen
aus Afrika und Asien teilnahmen. [2] Das erklärte Ziel war die Beendigung
von Kolonialherrschaft und Rassentrennung. In Bandung entstand die Bewegung der
blockfreien Staaten, die sich in dieser Zeit des sich verschärfenden Kalten
Kriegs weigerten, dem einen oder anderen Block beizutreten, und sich damit zur
potenziellen dritten Kraft formierten.
Die UNO legitimiert nationale Befreiungskämpfe
Auf der internationalen Bühne wehte ein frischer Wind. In den knapp zehn
Jahren von 1955 bis 1964 erlangten 32 meist afrikanische Staaten ihre Unabhängigkeit. [3]
Zum Symbol wurde dabei vor allem die Befreiung Algeriens, die aufgrund der gewaltsamen
kolonialen Unterdrückungspolitik einen besonders hohen Preis gekostet hatte.
Dieses Maghreb-Land hat, wie es Henri Lopes, der ehemalige Ministerpräsident
des Kongo, ausdrückte, „für ganz Afrika das Kreuz getragen“.
Denn der algerische Befreiungskampf schuf die Voraussetzungen für eine friedliche
Entkolonisierung im übrigen französischen Kolonialreich. Im portugiesischen
Kolonialreich siegten die Befreiungsbewegungen erst in der ersten Hälfte
der 1970er-Jahre (Guinea-Bissau, Mosambik, Angola, Kap Verde und São Tomé).
Die Hoffnungen, die damals geboren wurden, versuchten die Länder der Dritten
Welt im Rahmen der UNO einzulösen. Da sie in der Generalversammlung nunmehr
die Mehrheit ausmachten, versuchten sie alles, um in diesem Gremium die Kolonialherrschaft
für rechtswidrig zu erklären. Die am 14. Dezember 1960 verabschiedete
Resolution 1514 erkennt die Legitimität nationaler Befreiungskämpfe
an. Nachdem das Völkerrecht lange Zeit das Recht des Stärkeren sanktioniert
hatte, erfuhr der Kampf der Unterdrückten gegen Gewaltverhältnisse
nun erstmals in der Geschichte der internationalen Beziehungen rechtliche Anerkennung.
Damit veränderten sich auch die Widersprüche innerhalb der internationalen
Gesellschaft.
In den 1970er-Jahren nutzten die Länder des Südens die Vereinten Nationen
als „antiimperialistische“ Tribüne. Damit trugen sie maßgeblich
dazu bei, dass die nationalen Befreiungsbewegungen internationale Anerkennung
erfuhren, zum Beispiel die Organisation für die Befreiung Palästinas
(PLO), deren Führer Jassir Arafat vor der Generalversammlung am 13. November
1974 eine historische Rede hielt, oder die Organisation des Volks Südwestafrikas
(Swapo), die als Befreiungsbewegung des damals von Südafrika besetzten Namibia
einen Beobachterstatus erhielt.
Die Jahre von der Bandung-Konferenz bis zur offiziellen Gründung der Bewegung
der Blockfreien im September 1961 in Belgrad waren jedoch auch von Ambivalenzen
geprägt. Die inoffizielle Afrika-Asien-Konferenz vom 26. Dezember 1957 in
Kairo markierte die Geburtsstunde der Bewegung, doch an dieser Veranstaltung
nahm auch die Sowjetunion teil, die Gamal Abdel-Nassers Ägypten im Vorjahr
in der Suezkrise [4] unterstützt und sich „zum natürlichen Bündnispartner
der Dritten Welt“ erklärt hatte. Aber auch die Anwesenheit Japans
ließ Zweifel an der Unabhängigkeit der Staatengruppe aufkommen, handelte
es sich doch um eine ehemalige Kolonialmacht, die praktisch unter US-amerikanischem
Befehl agierte.
Es sind nicht die einzigen dunklen Flecken in der Geschichte einer Bewegung,
die den Ländern der Dritten Welt im internationalen Kräftespiel zu
neuer Bedeutung verholfen hat. Im Laufe der Zeit stieg die Zahl der Mitglieder
von anfangs 25 auf über 100. Auf zahlreichen Gipfeltreffen – Kairo
1964, Algier 1973, Havanna 1979, Belgrad 1989 – suchten sie eine gemeinsame
Strategie zu entwickeln.
Die bestehende Wirtschaftsunordnung
Diese „Macht der Schwachen“ [5], die sich in der UNO Ausdruck verschaffte,
beeinflusste im Zeitraum 1960 bis 1975 ganz entscheidend die Fortentwicklung
des internationalen Rechts in eine Richtung, die den Nord-Süd-Beziehungen
immer größere Bedeutung beimessen musste. Bereits 1957 tauchte in
einer UN-Resolution zum ersten Mal der Begriff „Unterentwicklung“ auf.
Den ersten größeren Erfolg verzeichnete die Dritte Welt dann jedoch
1964 mit der Gründung der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten
Nationen (Unctad).
„Die Entkolonisierung hatte die internationale Landschaft verändert“,
schreibt rückblickend der ehemalige Unctad-Generalsekretär Rubens Ricupero.
Sie habe nicht nur politische Unabhängigkeit verheißen, „sondern
auch Entwicklung und soziale Gerechtigkeit für Millionen Angehörige
bislang vergessener Völker“. [6]
Die politische Unabhängigkeit bleibt in der Tat reine Fiktion, wenn die
Regeln des Weltmarkts die Völker um ihren Reichtum bringen, weil die Profite
an ausländische Investoren gehen. Die Unctad unterstützte in den Ländern
des Südens die Strategie der Importsubstitution und den Aufbau eigener Industrien
unter staatlicher Kontrolle. Aus der Unctad-Konferenz ging die „Gruppe
der 77“ hervor, die die Forderungen der Dritte-Welt-Länder im Rahmen
der UNO strukturiert. Sie umfasst heute 132 Staaten.
Wohl wissend, dass sie sich wirtschaftlich in einer ausweglosen Lage befinden,
forderten die Führer der blockfreien Staaten 1973 in Algier die Einberufung
einer außerordentlichen UN-Generalversammlung, die im Mai 1974 stattfand.
Auf der Tagesordnung standen die Entwicklungsprobleme der Dritten Welt und die
internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Die Teilnehmer verabschieden die Resolution
3201, in der es heißt, es habe sich gezeigt, dass bei der „derzeitigen
internationalen Wirtschaftsordnung“ eine „harmonische und ausgewogene
Entwicklung der internationalen Gemeinschaft“ unmöglich zu erreichen
sei. Die bestehende Weltwirtschaftsordnung befinde sich „in direktem Widerspruch
zur Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen unserer Zeit“.
Auf Initiative der südlichen Länder empfahl die Resolution den Aufbau
einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung. [7]
Die Länder der Dritten Welt kritisierten die Herrschaftsverhältnisse,
die die internationale Gesellschaft strukturierten, aber auch das internationale
Recht, das ein „permissives, liberales und gleichgültiges“ [8]
Regelwerk sei und nur Not und Elend legitimiere. In der Tat bleiben rechtliche
Regeln bloße „Fiktion“, wenn sie die Ungleichgewichte in den
zwischenstaatlichen Beziehungen nicht berücksichtigen. Auf der Anklagebank
saßen also das gesamte kapitalistische System und seine Weltordnung.
Für Mohammed Bedjaoui, damals ständiger Vertreter Algeriens bei der
UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco), war die Sache
klar: „Jedermann weiß, dass die derzeitige Ordnung blanker Unsinn
ist, und doch erhält sie sich am Leben, mit gefährlicheren Folgen denn
je. Der Grund dafür ist, dass sich neben der antikolonialen und antiimperialistischen
Logik eine konkurrierende Logik entwickelt, in deren Mittelpunkt Profit, Rentabilität,
roher Realismus und rohe Gewalt stehen.“ [9]
Am 12. Dezember 1974 wurde die Forderung nach einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung
durch die Erklärung der „Ökonomischen Rechte und Pflichten der
Staaten“ ergänzt, die in der UN-Resolution 3281 festgehalten wurden.
Ausdrücklich erwähnt werden dabei unter anderem das Recht auf Verstaatlichung
(das sich hier und da in der Verstaatlichung der Erdölressourcen konkretisierte),
die Unterordnung der transnationalen Unternehmen unter die Gesetze des Landes,
in das sie investieren, die Reglementierung von Auslandsinvestitionen, das Recht,
die Kapital- und Finanzströme zu kontrollieren, das Recht, ausländisches
Vermögen zu enteignen, das Recht auf die eigenen Naturressourcen und das
Recht auf Entwicklung. [10] Diese Forderungen – für die Länder
der Dritten Welt ein Mittel, ihre zahlenmäßige Stärke konkret
umzusetzen – mündeten in ein umfangreiches Aktionsprogramm für
die Bereiche Ernährung, Handel, Technologietransfer und Geldpolitik. Dieses
Programm hatte allerdings keinen zwingenden Rechtscharakter und deshalb lediglich
eine politisch-deklaratorische Bedeutung.
Mit dem Sieg des liberalen Wirtschaftsmodells fanden diese Versuche, das internationale
Rechtssystem zu reformieren, ein jähes Ende. Als sich wenig später
der Ost-West-Gegensatz auflöste, war die Dritte Welt unversehens der Möglichkeit
beraubt, den Antagonismus der beiden Kontrahenten auszunutzen, und sah sich politisch
wie wirtschaftlich zunehmend isoliert. Einen allgemeinen Ausdruck fanden die
Forderungen der Dritten Welt aber weiterhin im Begriff des Weltgemeinguts, der
durch das 1982 verabschiedete Montego-Bay-Übereinkommen über das Internationale
Seerecht Eingang ins Völkerrecht fand. Doch faktisch blieb auch dies folgenlos.
Die Bewegung der Länder des Südens hat zum antikolonialen und antiimperialistischen
Kampf also durchaus einen historischen Beitrag geleistet. Doch ihr Bemühen,
die ökonomische und politische Weltordnung grundlegend neu zu ordnen, blieb
vergebens. In dem Maße, wie der Prozess der Globalisierung sich lähmend
auf die wirtschaftliche und soziale Zusammenarbeit auswirkte (siehe den Beitrag
von Christian Caubet), erfolgte im internationalen humanitären Recht
ein Paradigmenwechsel – und zwar weg von aktiven Prinzipien wie Befreiung
und Solidarität und hin zu passiven Mechanismen wie Schutzprogrammen, karitativen
Aktionen und repressiven Eingriffen. [11]
Der Nord-Süd-Gegensatz blieb auch für die Wirtschafts- und Handelsordnung
bestimmend, die von der industrialisierten Welt seit Beginn der 1980er-Jahre
durchgesetzt wurde. Im Zuge dieser Entwicklung entstanden neue Staatengruppen
wie die G90, die sich für die Abschaffung aller Exportsubventionen für
Agrarerzeugnisse einsetzt. Noch wichtiger ist die G20, die im Vorfeld der fünften
WTO-Ministerkonferenz im September 2003 in Cancún gegründet wurde. [12]
Diese Gruppierung darf nicht mit der von der G8 initiierten G20 verwechselt werden,
die sich aus den G8-Ländern sowie den wichtigsten Schwellenländern
zusammensetzt. Die neue G20 repräsentiert dagegen Schwellenländer,
die bei den anstehenden Handelsgesprächen ein Gegengewicht zu den führenden
Industrienationen darstellen wollen.
Der Kampf um die Agrarsubventionen
Bereits auf der vierten WTO-Konferenz 2001 in Doha hatten sich die Länder
des Südens auf eine Reihe gemeinsamer Forderungen geeinigt. Die bezogen
sich etwa auf die Abschaffung der Agrarsubventionen in den Industrieländern,
auf den Zusammenhang zwischen Auslandsschulden, Entwicklung und Welthandel und
auf das internationale Abkommen über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte
des geistigen Eigentums (Trips) in den Bereichen öffentliche Gesundheit
und generische Medikamente.
Die Gründung der G20 wurde mit großem Interesse zur Kenntnis genommen.
Und die Erwartungen an die neue Gruppierung sind noch größer geworden,
seit sie die Cancún-Konferenz zum Scheitern gebracht hat. Mit den Ministertreffen
in Brasília im Dezember 2003 und in Saõ Paulo am 12. Juni 2004
anlässlich der 11. Unctad-Konferenz hat sich die G20 festere Strukturen
zugelegt. Seither gilt sie im Rahmen der WTO-Verhandlungen als legitimer Gesprächspartner
in allen Handelsfragen.
Die Mitgliedstaaten der G20 repräsentieren knapp 70 Prozent der Weltbevölkerung
und 26 Prozent der Weltagrarexporte. Wenn sie isoliert auftreten, sind sie gegenüber
der Macht der USA jedoch hoffnungslos unterlegen. Die Länder Lateinamerikas
schwanken zwischen Widerstand gegen die Forderungen Washingtons und Angst vor
möglichen Repressalien. So hat Chile mit den Vereinigten Staaten bereits
ein Freihandelsabkommen unterzeichnet, während Bolivien, Kolumbien, Ecuador,
Peru und die Länder Mittelamerikas noch mit Washington verhandeln.
Ein Problem sind auch die Interessengegensätze zwischen den G-20-Großmächten
Indien und Brasilien und den kleineren Mitgliedern. Brasilien zum Beispiel befürwortet
bei allem Staatsinterventionismus die Öffnung der Agrarmärkte. Die ärmeren
Länder hingegen wollen ihre landwirtschaftlichen Produkte vor der Weltmarktkonkurrenz
schützen. Einen Sonderweg beschreitet dagegen Venezuela. Die Politik von
Staatspräsident Hugo Chávez setzt – in prononciertem Gegensatz
zu Freihandel und Wettbewerb – auf die Bolivarische Alternative für
Lateinamerika und die Karibik. Kooperation und Solidarität auf politischer,
sozialer, kultureller und wissenschaftlicher Ebene sollen dazu beitragen, die
strukturellen Schwächen der Entwicklungsländer gegenüber den Industriestaaten
auszugleichen.
In diesem Sinn unterzeichnete Hugo Chávez mit 14 der 16 Staats- und Regierungschefs
des karibischen Raums am 30. Juni 2005 im venezolanischen Puerto la Cruz das
Petrocaribe-Abkommen über den Bezug von venezolanischem Erdöl zu Vorzugspreisen
und günstigen Zahlungskonditionen.
Im Unterschied zu den Bündnissen der Entwicklungsländer in den 1969er-
und 1979er-Jahren stellt die G20 die Wirtschaftsordnung der Weltgesellschaft
nicht in Frage und plädiert auch nicht für ein alternatives Gesellschaftsmodell.
Sie steht offensichtlich für das Bemühen der Länder des Südens,
sich gegenüber den Industriestaaten zu behaupten, doch für die Schaffung
neuer Kräfteverhältnisse und eine Neuorganisation der Weltgesellschaft
ist es eindeutig noch zu früh. Zumindest aber lässt sich sagen, dass
diese G20 die Süd-Süd-Beziehungen stärkt. Das hat auch die UN-Generalversammlung
honoriert, die 2004 beschlossen hat, den 19. Dezember zum offiziellen Jahrestag
der Süd-Süd-Kooperation zu bestimmen.
Fußnoten
- Das in Artikel 86 der UN-Charta festgelegte Treuhandsystem bezog sich
auf die Mandatsgebiete, die der Völkerbund nach dem Ersten Weltkrieg eingerichtet
hatte, und die Hoheitsgebiete, die von den für ihre Verwaltung verantwortlichen
Staaten (den Kolonialmächten) in das System einbezogen wurden. 1994 wurde
es abgeschafft. [back]
- Dazu Lean Lacouture, „Asien-Afrika-Konferenz in Bandung 1955“, „Le
Monde diplomatique, April 2005. [back]
- Im Einzelnen waren dies: Tunesien, Ghana, Malaysische Föderation,
Nigeria, Uganda, Kenia, Tansania, Marokko, Guinea, Senegal, Elfenbeinküste,
Tschad, Mali, Zentralafrika, Madagaskar, Algerien, Kongo, Kongo-Zaire, Ruanda,
Burundi, Benin, Burkina Faso, Kamerun, Gabun, Malawi, Mauretanien, Niger, Sierra
Leone, Somalia, Sudan, Toga, Sambia. [back]
- Als der ägyptische Staatspräsident Gamal Abdel-Nasser 1956
die Verstaatlichung der Suez-Gesellschaft verfügte, wollten Großbritannien,
Frankreich und Israel die Kanalzone besetzen, mussten sich auf Intervention der
Vereinigten Staaten und der Sowjetunion jedoch zurückziehen. [back]
- Robert Charvin, „Le discours sur le droit international“,
in: „Introduction critique au droit international“, Lyon (Presses
Universitaire de Lyon) 1984, S. 40. [back]
- Zitirt nach André Linard, „La Cnuced: de la contestation à l'intégration“,
in: „Cetim: ONU, droit pour tous ou loi du plus fort?“, Genf 2005,
S. 209. [back]
- “Erklärung über die Errichtung einer neuen internationalen
Wirtschaftsordnung“, Resolution 3201 (S-VI) vom 1. Mai 1974. [back]
- Mohammed Bedjaoui, „Pour un Nouvel Ordre économique international“,
Paris (Unesco), 1978, S. 62. [back]
- A. a. O. S. 93. [back]
- Charta der ökonomischen Rechte und Pflichten der Staaten, Resolution
3281 vom 12. Dezember 1974. [back]
- Siehe( )Serge Sur, „Les phénomènes de mode en droit
international“, SFDI: „Colloque de Paris – Le droit international
et le temps“, Paris (Pedone) 2001, S. 51. [back]
- Zu der neuen, im August 2003 gegründeten G20 gehören heute Ägypten,
Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, China, Indien, Indonesien, Kuba, Mexiko,
Nigeria, Pakistan, Paraguay, die Philippinen, Simbabwe, Südafrika, Tansania,
Thailand, Uruguay und Venezuela. [back]
Aus dem Französischen von Bodo Schulze.
Hugo Ruiz-Diaz ist Jurist und Mitglied der Internationalen Juristen-Kommission
(ICJ).
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