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Email eines Arztes
veröffentlicht in www.indymedia.de 23. Oktober 2001


News aus Pakistan und Afghanistan

Ein Arzt aus der BRD, der bis zum Krieg in Afghanistan tätig war und sich zurzeit in Pakistan aufhält, hat sich per Email gemeldet. (genaue Quelle unbekannt)

Liebe GenossInnen,
für lange Artikel habe ich wenig Zeit, da wir solange es geht Hilfstransporte organisieren. Nur soviel: einige Lügen der gleichgeschalteten Medien (CNN, BBC und Co.)


1. Es gibt bisher fast ausschließlich zivile Opfer. Die Camps wurden natürlich rechtzeitig geräumt. Die schönen Luftbilder zeigen Schrottflugzeuge und KFZ, die als Zielscheibe aufgestellt wurden. Die Taliban bewegen sich ständig und in kleinen Gruppen, so dass sie kaum geortet werden können. Ein Hubschrauber der Amis wurde an der pakistanischen Grenze abgeschossen (zwei Tote) und mehrere Spionageflugzeuge.


2. Es gibt keine Flüchtlingswelle in die Nachbarländer. Diese, insb. Pakistan haben ihre Grenzen und grenznahen Gebiete zu Afghanistan hermetisch abgeriegelt. Es gibt sogar zwangsweise Rück-Deportationen von einzelnen Flüchtlingsfamilien, die es über Seitenwege in den Bergen beinahe geschafft haben. Alles andere, was zum Teil im Fernsehen zu sehen ist, sind normale Grenzgänger zum Beispiel Nomaden auf dem Weg in ihre Winterlagerplätze. In Quetta müssen an die paschtunischen Tribals bis zu 100 Dollar Bestechung gezahlt werden. Dagegen gibt es eine unklare Zahl von „temporary internally displaced persons“, Familien, die vor den Bombardements vorübergehend zu Verwandten aufs Land ausgewichen sind.


3. Das Leben in den Städten geht tagsüber seinen gewohnten gang. Märkte und Basare sind offen. Der Handel in das Land läuft. Rein geht’s nur raus nicht. Die Bevölkerungsbilanz ist ausgeglichen, da auch ärmere Familien aus den Bergregionen zum Beispiel in Kabul Zuflucht suchen.


4. Gangs aus den Ausbildungscamps machen in mehreren Städten Raubzüge, konfiszieren Autos und Equippement der UN und großer Hilfsorganisationen. Dese haben fast alle ihre Büros geschlossen und die Mitarbeiter, die besser verdienen, haben das Land verlassen. Insofern besteht nahezu keine Infrastruktur mehr um Hilfslieferungen ins landesinnere zu bringen.


5. Unverändert liegt kein beweis vor, dass Osama bin Ladin oder seine Gang tatsächlich hinter dem 11. September steckt. Es kann sich ebenso um ein hausgemachtes Ami-Problem handeln (CIA-Connection zu enttäuscht Ex-Mujaheddin). Das Bild ist komplizierter, da die sog. Terroristen (muslimische Gäste in Afghanistan keineswegs eine einheitliche Gruppe darstellen. So istzum Beispiel Al-Rashid Trust eine wohlbekannte internationale muslimische NGO, die auch in Pakistan registriert ist.


6. Es wurden auch viele Hilfsgelder eingefroren (u.a. ICRC, Hammer-Forum) die für humanitäre Zwecke in AFG bestimmt waren. Der Rundumschlag der Banken ist keineswegs zielgerichtet und geeignet irgendwas zu befruchten. Im Gegenteil ist das Halal-Transfersystem hier marktüblich auch bei NGO’s die die üblichen Banken zu ineffektiv arbeiten und niemand für ein korruptes Staatswesen Steuern bezahlen will.


7. Die diplomatische ebene ist auch fragwürdig, da sie nach dem Motto arbeitet: Willst du nicht mein Freundchen sein, haue ich dir die fresse ein. Viele Ländern haben in der Sache abstriche gemacht, verstehen unter Terror etwas unterschiedliches oder treiben ein doppeltes Spiel wie Pakistan. Das hat jahrelang mit seinem Geheimdienst ISI die Taliban aufgepäppelt und sicher nach wie vor wesentlichen Einfluss auf das geschehen. Das Land ist bisher der große Krisengewinner, da ein beträchtlicher Teil der Hilfe, auch für angebliche Flüchtlinge hier in dunklen Kanälen verschwindet, Sanktionen wegen des letzten Militärputsches von General Muscharaff wurden aufgehoben und wegen der Nuklearbombe.


8. Die USA haben nie direkt mit den Taliban verhandelt, sondern nur über die intern. Medien Forderungen gestellt. Auf entsprechende Angebote vor allem der klerikalen Ratsversammlung (Ulema – immerhin 1000 Mullah) wurde nicht eingegangen. Dagegen gab es noch 1998 beste Kontakte zwischen beiden und hochrangigen CIA und ISI Vertretern. Wegen der geplanten Turmenistan Gas Pipeline Route über Herat-Kandahar (Firmen BRIDAS OIL und UNOCAL) waren sogar 1996 hochrangige Taliban in die USA eingeladen. Iran vermutet hegemoniale Interessen der USA in Zentralasien. Dafür spricht die Anwesenheit von US-Truppen in Usbekistan immerhin erstmals dass die USA nach dem Ende des kalten Krieges eigene Truppen direkt auf dem ehemaligen Sowjetterritorium haben. Die ehemaligen zentralasiatischen Republiken der UdSSR werden noch offiziell von einer mit Russland gemeinsamen (CIS-)Truppe verteidigt. Selbst haben sie nur kleine Nationalwachen (2000 bis 3000 Mann).


9. Der Krieg der Zivilisationen wurde zuerst von US-Denkfabriken (Uni Harward-Boston) herbeigeredet. Der bisher eher farblose Präsident profitiert im Public Image erheblich von dem virtuellen gemeinsamen Feind. Irrational ist auch die Anthrax-Seuche, eine Viehseuche, die in vielen armen Ländern nichts ungewöhnliches ist, auch Kinderkrankheit Kabul.


10. Imagegewinner sind auch die Muslim Hardliner, da die USA auf ihre Eskalationsschiene hereingefallen ist und sie was PR betrifft einiges dazugelernt haben in den letzten Jahren. Eigentliches Ziel sind nicht die „ungläubigen“ sondern die instabilen Regime der arabischen Staaten (v.a. Saudi). Durch die Liquidierung eines wehrlosen und ausgehungerten Volkes von Bruder-Muslims können sie ihre Anhänger mobilisieren und weitere Anschläge werden folgen.
 23. Oktober 2001