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Farbbeutelinfo
Nummer 1
Farbbeutelinfo 15. November
2000
Infos zu den Prozessen anlässlich des Widerstandes gegen den grünen
Kriegsparteitag in Bielefeld
Vor mehr als einem halben Jahr bekam Kriegsaußenminister Joseph Fischer
einen Farbbeutel um die Ohren gepfeffert. Das war gut so und hat Freude gemacht.
Im Zusammenhang mit dieser Aktion und dem Widerstand am Kriegsparteitag der Grünen
hängen einige Prozesse in der Luft. Damit diese nicht in Vergessenheit geraten,
wollen wir uns noch einmal den Anlass und aktuellen Stand der Dinge vergegenwärtigen
und breiter zugänglich zu machen, damit im Bedarfsfall eine schnelle gemeinsame
Mobilisierung zu dem Prozess/den Prozessen möglich wird.
Gegen mindestens zwei Urteile wegen Widerstand und Landfriedensbruch ist Einspruch
eingelegt worden.
In Bezug auf den Farbbeutelprozess hat das Gericht auf Betreiben des Anwaltes
der WerferIn S. die Vernehmung Fischers angeordnet. Fischer wird sowohl zum Tathergang
befragt werden, als auch zu seiner wissentlichen Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen
Angriffskrieg.
Die nichtöffentliche (!) Vernehmung kann kurzfristig angesetzt werden, einen
Termin gibt es bislang nicht. Dazu werden wir in Kürze mehr erzählen.
Zur gemeinsamen Erinnerung:
Am 13. Mai veranstalten Die Grünen/Bündnis 90 ihren Sonderparteitag
in Bielefeld zum Kosovokrieg. Bereits seit einigen Wochen fliegen die Nato bis
zu 600 Kampfeinsätze über Serbien und Kosovo und schmeißen bis
an die 120 Bomben täglich auf das Land. Wir ersparen uns an dieser Stelle
weitere Beschreibungen der Situation, bzw. der Fakten, weil trotz der schnelllebigen
Zeit noch viele Sequenzen in unseren Köpfen sind. Vielleicht kurze Stichworte
zum Erinnern: (Rambouillet, die grüne Zerrissenheit, mediale Bombardierungen,
verheuchelte PolitikerInnen, ihre Wortverdrehungen, „humanitäre Katastrophe“,
„Friedenseinsatz für Auschwitz“, „Verantwortung der Deutschen“,
Tornados, Flüchtlingsströme, Spenden, Spenden und noch mal Spenden,
Bombardierungen, zerbombter Flüchlingstreck, Brücken, Chinesische Botschaft,
Fernsehstadion, Bodentruppenvorbereitung ...
Erinnern wir uns auch noch an unsere Emotionen?
Wir sind geschockt, dass so wenig Widerstand gegen den Krieg organisiert wurde.
Dass dieses immer hässlicher werdende Deutschland wieder Krieg führt
und dass sie es wagen, Auschwitz zur Rechtfertigung dafür zu bemühen.
Wir sind konfrontiert mit dem Ausmaß der Korruption der Grünen, die
um jeden Preis an der Macht bleiben wollen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen,
dass es Linke gibt , welche einerseits sowohl bedingt durch die Propagandabilder
des Westens – welche die Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit verzerren –
und der aggressiven Macht- und Vertreibungspolitik der serbischen Machthaber andererseits,
die Frage aufwerfen, ob nicht doch ausnahmsweise militärisch in Jugoslawien
eingegriffen werden müsste. Und dann dieses Magenzwicken angesichts nationalchauvinistischer
Fahnen von serbischen Monarchisten und Tschetniks, die einigen von uns die Teilnahme
an den Demos unmöglich macht und es innerhalb der Linken an der Frage des
Umganges mit zum Beispiel serbischen Nationalfahnen, bzw. nationalistischen Positionen
zu heftigen Konflikten kommt. Wir haben zum Zeitpunkt der Bombardierung verdammt
vieles nicht verstanden, zum Beispiel dass alle einfach weiter arbeiten, in Urlaub fahren,
dass der Alltag einfach weitergeht als würde das niemand wirklich was angehen,
was da ein paar tausend Kilometer weit weg passiert.
In dieser Situation veranstalten die Grünen in Bielefeld ihren Parteitag.
Die korrumpierten Regierungsgrünen und angeblichen „Linken“ in
der Partei wollen über „Krieg und Frieden“ reden. Angesicht der
Entscheidung der Grünen zum Krieg gab und gibt es mit den Grünen nichts
mehr zu reden. Sie sind Teil der Herrschenden, die – zum Teil in linkem
Duktus – nicht nur staatstragend, sondern kriegstreibend waren.
Ein Aufruf von radikalen Linken will den Kriegsparteitag stören, stürmen
und verhindern. Und er wird massiv gestört. Vor der Halle werden die Grünen
beschimpft und ihnen der Zugang massiv verwehrt. Absperrgitter der Polizei werden
auseinander gerissen. Ein Versuch, die Halle zu stürmen, kann nur knapp durch
die Polizei vereitelt werden. Bei unterschiedlichen Anlässen werden bis zu
60 Menschen festgenommen, zwei gesuchte Totalverweigerer werden in Haft genommen
(!). An die zehn Menschen um den Lautsprecherwagen wurden bis zu zehn Stunden
festgehalten. In der Halle: Antikriegstransparente und der Gestank der Buttersäure.
Als spektakulärste Aktion wird Außenminister Fischer ein Farbbeutel
ins Gesicht gepfeffert. Die Presse transportiert das Attentat international. In
der Halle kommt es zu tumultartigen Szenen. Der Parteitag kann nur verzögert
beginnen. Obwohl der Parteitag nicht verhindert und in einen Antikriegskongress
umgedreht werden kann, wird die offensive Mobilisierung als ein Erfolg gewertet.
Und das, obwohl wahrscheinlich mehr KriegsgegnerInnen vor der Glotze hängen
anstatt sich selber zur Verhinderung zum Parteitag zu begeben.
Dabei wurden die Grünen als schwächstes Glied in der Kette der Kriegstreiber
ausgemacht, und mit mehr Menschen, so die Einschätzung Einiger, wäre
der Parteitag zu verhindern gewesen.
Verfolgen wir den Farbbeutel: Was geschah seitdem?
Noch am selben Tag stellt Joseph Fischer Strafanzeige, nach der entkommenen FarbbeutelwerferIn
S. wird gefahndet, während diese einer Regionalzeitung ein Telefoninterview
gibt. Bild-Zeitung und BZ geben dieses Interview als ihres aus und verbreiten
die Antikriegserklärung zu dem Farbanschlag millionenfach. Darüber hinaus
werden ihre Titelseiten mit „Transvestit besudelt Fischer“ aufgemacht.
Gleichzeitig überschlagen sich Interviewangebote seitens verschiedenster
Medien an die AttentäterIn, welche allesamt ignoriert werden.
Während die Fahndung läuft, stellt sich die Beschuldigte mit Ihrem Anwalt
in Bielefeld und wird nach anschließender ED-Behandlung wieder entlassen.
Auf Ihrer Arbeitsstelle wird sie beurlaubt, nach 1,5 Wochen ist sich der vermeintliche
Alternativbetrieb „Cabuwazi“ in Kreuzberg nicht zu schade, S. unter
fadenscheinigen Gründen rauszuschmeißen. Die Machtpolitik des Vereinsvorstandes
in Gestalt des ehemaligen Hausbesetzers und Betriebsrat bei Krupp, K. Köckenberger,
und der vorauseilende Gehorsam wegen der Sponsoren (Bewag, Frauen-Lionsclub etc.)
wirken wie die Verlängerung dessen, was auch aus den Grünen geworden
ist. Die Kündigung kann weder nennenswert juristisch noch durch politischen
Druck verhindert werden.
Bereits zwei Tage später ist die Entlassung Anlass zu einer Glosse im „Spiegel“.
Mehrere Wochen später unterbreitet Fischer wieder über den „Spiegel“
ein taktisches Angebot, welches in den meisten Tageszeitungen weiterverbreitet
wird: Wenn S. die ärztlichen Behandlungskosten von Fischer übernehme
und eine ordentliche Summe an die Kosovo-Hilfe spende, dann würde der grüne
Obermacker von einem Prozess absehen. Auf ein entsprechendes Gegenangebot (Presseerklärung
2 von S.) kommt keine Resonanz seiten Fischers. Darin bietet S. an, statt der
Kosovohilfe (sprich der Lagerhaltung von Flüchtlingen) zu spenden, würde
S. Deserteure aller Kriegsparteien (einschl. der Nato) bei sich aufnehmen. Die
Arztrechnung würde S. bezahlen, wenn Fischer die Angehörigen der Natobombenopfer
entschädige.
Ende September stellt das Amtsgericht Bielefeld ein Urteil an S. zu und verurteilt
diese zu sieben Monaten Knast auf drei Jahre zu Bewährung wegen gefährlicher
Körperverletzung. Die Zeitungen suggerieren zum Teil dass es einen Prozess
gegeben habe. Gegen das Urteil wird Einspruch eingelegt, so daß es einen
öffentlichen Prozess geben wird (siehe auch Presseerklärung Nummer 3)
Weitere Kriminalisierungen der Antikriegswiderstandes:
Bisher hat es einige Einstellungen der Verfahren gegen Zahlung eines Bußgeldes
gegeben. Die Meisten uns bekannten Ermittlungen zum Beispiel um den Lautsprecherwagen,
den Kessel, den es in Bielefeld mit 60 Menschen gab, den „Nackten“,
der im Anschluss an den Farbbeutel für Verwirrung auf dem Parteitag sorgte,
etc., sind noch nicht in dem Stadium, eines sich abzeichnenden Prozesses. Neben
der Farbbeutelwerferin hat allerdings eine weitere Frau durch das Amtsgericht
Bielefeld einen Urteil wegen Landfriedensbruch (15 Tagessätze zu 25 Mark)
bekommen. Ein Mensch am Lautsprecherwagen hat ein Urteil wegen Widerstand (60
Tagessätze á 30 Mark) bekommen. Beide haben Einspruch eingelegt.
Es gibt das Bemühen, den Überblick über die mögliche Kriminalisierungen
zu bewahren und darüber Öffentlichkeit, ggf. einen gemeinsamen Umgang
mit den Prozessen herzustellen (Bitte meldet Euch darum bei unten genannter Kontaktadresse
im Bedarfsfall wenn Ihr in irgendeiner Art und Weise juristisch behelligt werdet).
In Bezug auf den Farbbeutelprozess wird ein politischer Prozess angestrebt. Der
Prozeß soll noch einmal Öffentlichkeit über den Krieg und die
Kriegsfolgen herstellen. Ein offensiver Umgang mit der Publizität des Farbbeutelprozesses
ist in der Diskussion, an der sich auch noch gerne beteiligt werden kann.
An dieser Stelle sei allen noch einmal ganz herzlich gedankt, die bisher in irgendeiner
Art und Weise unterstützend tätig waren.
Wenn Ihr Partys machen wollt um Geld zu sammeln, dann bitte auf das Prozesskonto
des Ermittlungsausschuss Berlin: Kontonr: 20610-106, Postbank Berlin, BLZ: 10010010,
Wichtig: Stichwort Aufprall.
Was übrig bleibt, geht an den EA.
Welche Kontakt etc. suchen, können an folgende Adresse schreiben: „Fischerchöre“
c/o Buchladen „Schwarze Risse“, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
Einstellung aller Antikriegsprozesse!
Für eine radikale Perspektive gegen jeden Krieg! |
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