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Was kostet Sie das rote Ohr des Außenministers?
Rüdiger Göbel
22. Februar 2000
Samira wird beschuldigt, auf dem Bielefelder Kriegsparteitag der Grünen
Außenminister Fischer mit einem roten Farbbeutel attackiert zu haben. jW
sprach mit ihm
Sie haben am Dienstag mit etwa 100 Kriegsgegnern und Kriegsgegnerinnen vor
dem Auswärtigen Amt in Berlin demonstriert. Was war der Anlass für den
Protest?
Der Anlass war zum einen die Vernehmung Außenminister Fischers in der Sache
des Farbbeutelwurfes auf dem Kriegsparteitag der Grünen am 13. Juni 1999
in Bielefeld, der mir zugeordnet wird und der ihn in seiner Funktion als Mitverantwortlicher
für den Krieg blutrot markierte. Zum anderen sollte das Auswärtige Amt
mit den Antikriegspositionen sozusagen negativ eingeweiht werden. Wir wollten
noch einmal einen der Orte aufsuchen, die sehr wichtig und treibend im Krieg waren
und sind. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Fischer am Mittwoch über
die Presse höhere Verteidigungsausgaben forderte. Das Auswärtige Amt
hat eine viel stärkere kriegstreibende Funktion, als uns bisher vielleicht
bewusst war.
Was hat Außenminister Fischer zu der Farbbeutel-Attacke von damals nun
gesagt?
Fischer hätten die Ohren gedröhnt. Dem Richter ging es vorwiegend darum
zu ermitteln, wie viel Schmerzen Herr Fischer hatte, und ob er mich als werfende
Person gesehen hätte, ob da Buttersäure drin gewesen sei und auch wie
teuer sein Stangen- und Lieblingsanzug war.
Von Seiten der Verteidigung wurde der Außenminister mit der Frage konfrontiert,
„ob der Zeuge Fischer die Beteiligung der Bundesrepublik an dem Krieg der
NATO gegen Jugoslawien mit durchgesetzt hat“. Diese Frage wurde von dem
Richter allerdings zurückgewiesen, da sie „ohne Bedeutung“ sei.
Wir haben einen Befangenheitsantrag gestellt, da der Richter offensichtlich parteiisch
ist. Im Übrigen brachte er auch keine Zeit mit, eine Vernehmung im Sinne
der Verteidigung tatsächlich zuzulassen.
Es gab von Fischer den Vorschlag, die Anzeige zurückzuziehen, wenn Sie
die Arztrechnung bezahlen und an die Kosovo-Hilfe spenden. Warum haben Sie dieses
Angebot abgelehnt?
Zunächst einmal war es ein taktisches Angebot, das Herr Fischer der Öffentlichkeit
präsentierte, und nicht den Anwälten oder mir. Er hat es im „Spiegel“
lanciert. Von daher kann man sich über den Gehalt oder die ernsthaften Absichten
sicherlich streiten.
Aber politisch ist es vielleicht viel relevanter, darüber nachzudenken. Die
Ohrverletzung von Herrn Fischer war bekanntermaßen nicht Absicht der Aktion.
Insofern hatte ich mich zur Übernahme der Behandlungskosten bereiterklärt,
vorausgesetzt, er würde angesichts seiner Mitverantwortung an diesem Krieg
entsprechend die Verletzten, Traumatisierten und die Hinterbliebenen der Toten
angemessen entschädigen. Statt einer Spende an die Kosovo-Hilfe habe ich
Fischer vorgeschlagen, drei Deserteure aufzunehmen – einen der jugoslawischen
Armee, einen von der UCK und einen Deserteur, natürlich von der NATO, weil
ich mich quasi gegen alle Kriegsparteien richte.
Wie reagierte Herr Fischer auf den Gegenvorschlag?
Mit großem Schweigen.
Vom Bielefelder Parteitag erhofften sich viele in Jugoslawien, die Grünen
würden doch wieder zu ihren pazifistischen Wurzeln zurückfinden. Für
viele Menschen in dem damals bombardierten Land sind Sie mit dem Farbbeutelwurf
zu einem kleinen Helden geworden, weil diese Hoffnungen eben nicht erfüllt
wurden, Fischer aber auch nicht ungestraft für seine Kriegspolitik blieb.
In Deutschland selbst gab es kritische Stimmen: Mit der roten Farbe am Jackett
und einem schmerzenden Ohr habe sich Fischer als Opfer gerieren können und
so manchen Delegierten wieder in seine Arme schließen können.
Ich würde beiden Sichtweisen widersprechen. Zum einen ist die Hoffnung, die
Grünen würden sich auf ihre pazifistischen Wurzeln besinnen, vollkommen
verfehlt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Opportunismus der Grünen, an der Macht
zu bleiben, so groß geworden, dass alle Inhalte, die irgendwann einmal für
diese Partei von Relevanz waren, schon längst im Ausverkauf gehandelt wurden.
Von daher war die Hoffnung, dass auf diesem Parteitag noch irgendetwas Positives
passieren könnte, ziemlich unbegründet.
Zum anderen war die Entscheidung zum Krieg längst gefallen, und Fischer hätte
ihn so oder so weitergeführt. Die so genannte linke Opposition innerhalb
der Grünen hatte sich ebenfalls opportunistisch verhalten und nur eine Empfehlung
verabschiedet. Die einzige richtige Antwort wäre damals gewesen, sofort die
Regierung zu verlassen oder den Rücktritt von Außenminister Fischer
zu verlangen – oder eben der Partei den Rücken zu kehren. Das hätte
tatsächlich die einzige Antikriegsposition in der eskalierten Situation sein
können.
Die Bombardierung Jugoslawiens dauerte damals schon sieben Wochen an, und die
Grünen glaubten, sie könnten noch über Krieg oder Frieden diskutieren.
Insofern war es wichtiger, ein Zeichen zu setzen, dass man von einem Fischer nichts
mehr erwartet, dass man von den Grünen als fortschrittliche Kraft nichts
mehr erwarten kann. Sie waren längst schon Modernisierer von Herrschaft geworden.
Außerdem ging es praktisch auch darum, den Krieg zu stoppen und den Kriegsparteitag
zu verhindern.
Mit welcher Strafe muss man rechnen, wenn man einen Außenminister mit
roter Farbe besudelt?
Die Strafe für die Ohrverletzung eines deutschen Außenministers liegt
bei ungefähr sieben Monaten Gefängnis, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung,
sowie eine erkleckliche Geldstrafe. Ich habe gegen dieses Urteil bekanntermaßen
Einspruch eingelegt, um noch mal Öffentlichkeit gegen den Krieg herzustellen.
Das heißt, es wird zu einer Verhandlung kommen. |
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