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Was
macht eigentlich ... Jutta Ditfurth?
Tilman Gerwien Stern
25. April 1999
Die streitbare Pazifistin und Radikal-Ökologin war Mitbegründerin der
Grünen. 1991 verließ sie aus Protest gegen den „Realo“-Flügel
um Joschka Fischer die Partei
Jutta Ditfurth im Günthersburg-Park im Frankfurter Nordend und 1987 auf dem
Bundesparteitag der Grünen in Oldenburg. 1991 gründete sie mit politischen
Freunden die „Ökologische Linke“. Die 46jährige lebt in
Frankfurt, dort arbeitet sie als freie Journalistin und Buchautorin. Anfang September
erschien ihr erster Roman „Die Himmelsstürmerin“ Stern: Sie haben
gerade Ihren ersten Roman veröffentlicht. Wird aus der Polit-Aktivistin jetzt
eine Literatin?
Ditfurth: Warum kann ein Mensch nicht vielseitig sein? Ich habe auch früher
schon geschrieben und gemalt, lange bevor ich politisch aktiv wurde. Für
mein Buch habe ich in Archiven in Paris, Weimar und anderswo recherchiert. Dazwischen
habe ich mich an stille Orte verzogen. Das war eine wunderschöne Arbeit.
Stern: Die Hauptfigur in Ihrem Roman ist Ihre Urgroßmutter Gertrud von Beust,
deren Weltbild in den Wirren des Pariser Kommune-Aufstandes von 1871 ins Wanken
gerät. Hat das was mit Ihrem Lebensweg zu tun?
Ditfurth: Nein. Die „Himmelsstürmerin“ ist eine stockkonservative,
gebildete Adelige, die von den revolutionären Verhältnissen in Paris
mitgerissen wird. Ich habe das „von“ vor meinem Nachnamen vor mehr
als 20 Jahren abgelegt und mit 18 Jahren die Aufnahme in den Adelsverband abgelehnt.
Elitäres Denken ekelt mich an.
Stern: Können Sie vom Schreiben leben?
Ditfurth: An diesem Buch habe ich zweieinhalb Jahre geschrieben. Eins davon war
bezahlt, der Rest sind Schulden. Das heißt jetzt Mehrarbeit, zum Beispiel
als freie Autorin. Stern: Was denken Sie, wenn Sie die Wahlplakate Ihrer einstigen
Parteifreunde mit dem grünen „Ü“ sehen?
Ditfurth: „Ü“ wie Übel.
Stern: Wieso?
Ditfurth: Die Grünen sind grausam verlogen. Sie behaupten, sie wollen sofort
aus der Atomenergie raus. Intern verhandeln die führenden Figuren über
Ausstiegszeiten von 14 Jahren und länger. Sie wollen atomare Zwischenlager,
lehnen Castortransporte und Atomfusion nicht mehr vollständig ab. Sie mutieren
zur „alternativen“ Pro-Atom-Partei.
Stern: Aber ein Benzinpreis von fünf Mark müsste Ihnen als Radikal-Ökologin
doch gefallen.
Ditfurth: Keine ökologische Verkehrspolitik, aber fünf Mark? Das ist
unsozial. Die Grünen kneifen vor dem Konflikt mit den Autokonzernen.
Stern: Aber die Grünen haben auch einiges erreicht. Ohne sie gäbe es
heute ...
Ditfurth: ... keine Tempo-30-Zonen, keine Mülltrennung, ich weiß. Dafür
drücken sie sich vor allen brenzligen Themen: Kapitalismus, Rassismus, Abschiebung
von Ausländern, Militäreinsätze, Armut. Die Grünen haben ihren
Frieden mit den herrschenden Verhältnissen gemacht. Sie entpolitisieren alle
halbwegs kritischen Leute. Ihr Motto: „Wählt uns, dann könnt ihr
ein gutes Gewissen haben“.
Stern: Sie scheinen immer noch verbittert darüber zu sein, dass Sie den Machtkampf
gegen Joschka Fischers Realo-Flügel verloren haben.
Ditfurth: Nicht verbittert, zornig. Eine emanzipatorisch-linke Partei wäre
heute nützlich. Ich war Anfang der 80er Jahre so naiv zu glauben, man könne
Karrieristen wie Fischer und seine Gang in die Grünen aufnehmen und überzeugen.
Aus der Anti-AKW-Bewegung kommend, konnte ich mir soviel Skrupellosigkeit und
Brutalität nicht vorstellen. Fischer hat nie eine inhaltliche Position gehalten,
wenn sie seinem Aufstieg im Wege stand.
Stern: Nach Ihrem Parteiaustritt haben Sie in Frankfurt die „Ökologische
Linke“ gegründet. Warum kandidieren Sie nicht für den Bundestag?
Ditfurth: Wir streiten bundesweit für eine emanzipatorische, linke, ökologische,
antifaschistische Gegenmacht. Da sind Parlamentssitze nicht entscheidend. Mein
Traum ist eine neue Apo.
Stern: Welches Ergebnis wünschen Sie den Grünen für die Bundestagswahl?
Ditfurth: 4,9 Prozent.
Mit Jutta Ditfurth sprach Stern-Redakteur Tilman Gerwien. |
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