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Grünem Richter droht Rauswurf
Lukas Walraff taz
17. April 2000
Der linke Lübecker Richter Wolfgang Neskovic wehrt sich gegen seinen drohenden
Ausschluss aus der grünen Partei. „Ich werde nicht freiwillig austreten“,
sagte er gestern, „ich bleibe in der Partei und werde mich dem Verfahren
stellen.“ Die schleswig-holsteinischen Grünen hatten Neskovic am Freitag
per Post mitgeteilt, gegen ihn laufe ein Ausschlussverfahren. Grund dafür
seien öffentliche Äußerungen, mit denen er „der Partei schweren
Schaden zufügte“. Der als liberaler Marihuana-Richter bekannt gewordene
Jurist erklärte vor der Landtagswahl im Februar, wer grüne Ideen wählen
wolle, dürfe nicht grün wählen. Im vergangenen Jahr hatte er die
Haltung der Grünen zum Kosovokrieg kritisiert. Gegenüber der taz beklagte
Neskovic gestern die „mangelnde Souveränität“ der Grünen,
die abweichende Meinungen nicht mehr zuließen.
Der Störenfried
Die Grünen in Schleswig-Holstein wollen Richter Wolfgang Neskovic aus
der Partei ausschließen
Der linke Flügel der Grünen wird schwächer. Erst vor kurzem traten
zwei prominente Politikerinnen aus der Partei aus, weil sie die Atompolitik nicht
mehr mittragen wollten. Vorstandssprecherin Gunda Röstel bedauerte die Austritte,
und es klang so, als nähme die Parteiführung den Protest ernst und als
wolle sie einen weiteren Aderlass verhindern.
Die Grünen in Schleswig-Holstein sehen das offenbar anders. Sie warten nicht
ab, bis linke Kritiker austreten – sie wollen sie gezielt rausschmeißen:
Am Freitag beantragte der Kieler Landesverband den Parteiausschluss des Störenfrieds
Wolfgang Neskovic. Der Lübecker Richter wurde in den 90er-Jahren durch seine
milden Urteile bei Verfahren gegen Marihuana-Raucher bundesweit bekannt und gilt
als einer der profiliertesten Juristen in der Partei.
Neskovic ist schon lange klar: „Man will mich loswerden.“ Der versuchte
Rauswurf hat ihn nicht wirklich überrascht. Was ihn ärgert, ist der
Stil: Dass ein Ausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, erfuhr er am Freitag
per Post. „Guten Tag Wolfgang Neskovic“, schrieb die Landesgeschäftsführerin,
„mit Datum des heutigen Tages habe ich im Auftrag des Landesvorstandes einen
Antrag auf Parteiausschluss bezüglich Deiner Person gestellt.“
Begründet wird der Antrag damit, dass Neskovic „der Partei schweren
Schaden zufügte.“ Als Beweise führt der Landesvorstand zwei Zeitungsinterviews
an, in denen Neskovic vor der schleswig-holsteinischen Landtagswahl im Februar
gesagt hatte, wer grüne Ideen wählen wolle, dürfe nicht mehr grün
wählen. Neskovic bestreitet diese Sätze nicht, sie seien aber aus dem
Zusammenhang gerissen worden. Er vermutet, dass die Interviews nicht der einzige
Grund für seinen Rauswurf sind. Im vergangenen Jahr hatte er mehrfach öffentlich
die Haltung der Grünen zum Kosovo-Krieg kritisiert.
Neskovic wehrt sich entschieden gegen die Vorwürfe: „Wirklich geschadet
hat der Partei nicht meine klare Haltung, sondern die Führung der Landespartei.“
Die habe sich nicht nur beim Thema Kosovo, sondern zum Beispiel auch in der Umweltpolitik
von grünen Grundsätzen verabschiedet und viele Wähler vergrault.
„Wenn ich der Partei geschadet haben soll, wie kann es dann sein, dass die
Grünen gerade hier in Lübeck ein besseres Ergebnis hatten als im Landesdurchschnitt?“
Auch bei der letzten Kommunalwahl habe er persönlich Stimmen dazugewonnen. |
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