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Spiegel
des 21. Jahrhunderts: Die Zukunft des Krieges
Uwe Buse
Spiegel Spezial 11/1999
Der Kalte Krieg ist Geschichte, die Globalisierung
soll die Erde dem Frieden näher bringen. Doch die Nato übt für
den Krieg der Zukunft, im Rest der Welt rüsten Übervölkerungskrieger
zum Kampf. Kommt Frieden aus der Mode?
Der Mann, der auf Bestellung Kriege führt, sitzt in einem Korbsessel und
blättert in einer Zeitschrift für besseres Wohnen. Links von ihm steht
ein rotes Sofa, mit Kissen für den Mittagsschlaf, unter ihm ein weißer
Teppich, fleckenlos.
Im Angebot sind Spezialisten. Sie fallen nachts aus dem Himmel, haben Gewehre,
Granatwerfer, Sprengstoff im Gepäck und erledigen ihre Arbeit bis zum Morgen.
Wird etwas Größeres gewünscht, empfiehlt der Mann im Sessel Kampfhubschrauber,
den Mi-17 oder den Mi-24, robust, verlässlich, aus russischer Produktion.
Wenn das nicht reicht, gibt es die Armee komplett, zum Preis von über 30
Millionen Dollar. Die Regierung von Papua-Neuguinea bestellte diese Variante.
Bedauerlicherweise wollte das Militär des Landes die besetzten Kupferminen
dann doch selbst zurückerobern. Der Auftrag wurde storniert. Man einigte
sich auf eine Aufwandsentschädigung von 13,3 Millionen Dollar.
Der Mann im Sessel war Mitglied der britischen Eliteeinheiten, bevor er begann,
mit Armeen zu handeln. Auf den Falklandinseln kämpfte Tim Spicer gegen Argentinien,
im Golfkrieg gegen Saddam Hussein. Heute kämpft er gegen eine Welt, die ihn,
den Verteidiger der Demokratie, wie einen Aussätzigen behandelt. Spicer ist
Geschäftsführer der Söldnerfirma Sandline International, eingetragen
auf den Bahamas, mit Büros in London und Washington. Sein Motto: Wir kämpfen
dort, wo Europas Demokratien nicht kämpfen können. Oder wollen. Spicer
sieht sich als entfernten Vetter von Roland Berger, dem Unternehmensberater. Berger
hilft Firmen, die in Not sind. Spicer hilft Staaten, die Probleme haben. Seine
Kunden sind Regierungen, deren eigene Armee zu klein, zu undiszipliniert, zu schlecht
ausgerüstet ist, um mit dem Feind fertig zu werden. Oder es ist eine Regierung,
deren Armee plötzlich der Feind ist. Wird Spicer gerufen, sammelt er seine
Männer, kauft ein paar Tonnen Waffen, chartert ein Flugzeug und fliegt los.
„Ein Spezialistenteam schaffe ich in 36 Stunden in jeden Winkel
der Erde. 2000 Mann inklusive Ausrüstung sind in einem Monat an der Front“,
sagt er. Jeder dritte Soldat in Spicers Armee ist ein Sanitäter, jeder zwölfte
ein Arzt. Geschossen und getötet wird nur für international anerkannte
Regierungen, nicht für Rebellen, nicht für geächtete Regime wie
das von Saddam Hussein. Sagt Spicer. Viel mehr sagt er nicht. Spicer hat das Schweigen
über die Einsätze wie fast alle Söldner-Bosse zum Geschäftsprinzip
erhoben. Eine Ausnahme war Eeben Barlow, Chef der südafrikanischen Firma
Executive-Outcomes. Executive-Outcomes wurde Ende vergangenen Jahres aufgelöst.
Es ist nicht leicht zu entscheiden, ob ein Politiker noch ein Regierungschef ist
oder schon ein Rebell. Als Spicer 30 Tonnen Kalaschnikows an Ahmed Tejan Kabbah
schickte, war Kabbah nicht mehr Präsident von Sierra Leone, sondern nur noch
Ex-Präsident des westafrikanischen Staates. Das Militär hatte geputscht
und stellte jetzt die Regierung. Spicer lieferte trotzdem an Kabbah und sorgte
für eine innenpolitische Krise der Regierung Blair.
Vor dem Kosovo-Krieg fragten Vertreter der kosovarischen Exilregierung, ob Sandline
der UÇK helfen könne im Kampf gegen die Serben. Der britischen Regierung
gefiel die Vorstellung nicht, dass der Einsatz einer Söldnerfirma die Krise
im Süden Jugoslawiens in einen Krieg verwandelt. Sie verbat Spicer den Auftrag.
Spicer gehorchte.
Sandline braucht das Vertrauen der Regierenden, wenn die Firma den Ruf loswerden
will, bezahlte Killer zu beschäftigen, wenn sie das Führen von Kriegen
in eine ganz normale Dienstleistung verwandeln und wenn sie an das große
Geld will. Sandline hofft auf Aufträge der Vereinten Nationen. Wenn in Ruanda
wieder 800 000 Menschen massakriert werden, wenn die Nato keine Lust hat,
einen Krieg zu beginnen, dann soll bei Spicer das Handy klingeln.
Spicer hofft, dass dieser Moment nicht mehr lange auf sich warten lässt.
Zwar nennt Enrique Ballesteros, der Söldner-Beauftragte der Uno, alle Söldner
„Kriminelle“, aber US-Präsident Bill Clinton teilt diese Meinung
offenbar nicht. Im vergangenen Jahr schickte er 150 Söldner der US-Firma
DynCorp ins Kosovo, um den Abzug der serbischen Truppen zu beobachten. Das ist
ermutigend, findet Spicer und glaubt in eine glänzende Zukunft zu blicken.
Als George Bush und Michail Gorbatschow vor neun Jahren vereinbarten, große
Teile ihrer Interkontinentalraketen abzurüsten, schien die Erde dem Frieden
ein Stück näher zu kommen. Der amerikanische Politologe Michael Mandelbaum
schwärmte „von der besten aller Welten“, jemand hatte das Wort
„Friedensdividende“ erfunden, und die Welt wartete auf die große
Ausschüttung. Die gewalttätigsten Auseinandersetzungen der Zukunft sollten
Handelskriege sein, in denen Staaten mit Strafzöllen um den Preis von Zündkerzen
oder Rindfleisch kämpfen. Krieg wäre so etwas wie Rülpsen nach
fettem Essen, eine anrüchige Angewohnheit, der kultivierte Menschen nicht
mehr nachgeben. Und sollte es doch einmal so weit kommen, würde die Uno es
schon richten.
Spicer glaubt nicht an die Macht einer Organisation, die ihre Schulden von fast
drei Milliarden Dollar nicht eintreiben kann und jährlich über 20 Millionen
Dollar verschlampt. Spicer glaubt auch nicht an die Weltfriedensordnung, er glaubt
an das Comeback des Krieges. Spicer weiß, wie der Krieg der Zukunft aussehen
wird. Er hat ihn schon erlebt, und er hat mit dem zukünftigen Feind an einem
Tisch gesessen.
Der Krieg der Zukunft wird in Sierra Leone geprobt, er dauert bereits acht Jahre,
und er ist ein Bürgerkrieg. Vier Fraktionen bekämpfen einander. Die
Hälfte der Bevölkerung wurde vertrieben, zehntausende verstümmelt
und massakriert.
Der Krieg der Zukunft ist ein totaler Krieg. Er unterscheidet nicht zwischen Soldaten
und Zivilisten. Und er ist eine Zeitmaschine. Er katapultierte Sierra Leone von
der Schwelle der Neuzeit zurück ins Mittelalter. Die ehemalige Vorzeigekolonie
der Briten wird heute von Feudalherren beherrscht. Die Uno-Hochkommissarin für
Menschenrechte, Mary Robinson, sagt über den Krieg in Sierra Leone: Es ist
„schlimmer als im Kosovo“.
Den Gegner der Zukunft traf Spicer in der jugoslawischen Stadt Pale. Die Uno verhandelte
dort 1994 mit den militärischen Führern der Serben über den Frieden.
Spicer war Mitglied der Unprofor, als er im Hauptquartier der Serben General Ratko
Mladi´c traf. Mladi’c saß auf einem Stuhl, erzählte dreckige
Witze, spendierte Drinks und versuchte die Briten auf der anderen Seite des Tisches
zu überzeugen, dass er eigentlich ein netter Kerl sei, ein bisschen grob
vielleicht, aber sympathisch.
Mladi’c war im Bosnienkrieg der Kommandeur der serbischen Truppen. Er führte
seine Soldaten 1995 in die bosnische Stadt Srebrenica, ließ mehr als 5000
Menschen ermorden und in Massengräbern verscharren. Er eröffnete die
Großoffensive auf die muslimische Enklave Gorazde und kommandierte von den
Berghügeln um die Uno-Schutzzone den Dauerbeschuss. Das Haager Uno-Tribunal
nennt Mladi’c einen Kriegsverbrecher. Spicer nennt Mladi’c „einen
sehr gefährlichen Mann, der keine Regeln gelten lässt“. Mladi’c
selbst sieht sich als „serbischer Napoleon“.
Mladi’c und seine Blutsbrüder werden Karriere machen in den Kriegen
der Zukunft. Der amerikanische Militäranalyst Ralph Peters ist überzeugt,
dass sich die Welt in zwei Lager spaltet. In einem steht die Nato, im anderen
der Rest, den Männer beherrschen, „denen es nur um Geld, Gold und Frauen
geht“. Der Soziologe Hartmut Dießenbacher hat in Afrika, in Südamerika,
in Asien den „Übervölkerungskrieger“ entdeckt, der Frieden
für einen unangenehmen Ausnahmezustand hält. Der israelische Militärhistoriker
Martin van Creveld glaubt, dass sich die Welt von der Idee des Territorialkrieges
verabschiedet, in dem Regeln wie die Genfer Konvention existierten und manchmal
auch beachtet wurden. Vom Optimismus am Ende des Kalten Krieges ist nichts mehr
zu spüren. Vor den Menschen scheint eine Epoche zu liegen, die nicht friedlicher,
sondern gewalttätiger und chaotischer ist als der Kalte Krieg, die nicht
nur viele Menschen das Leben kosten wird, sondern viele Staaten die Existenz.
Allein in diesem Jahr kapitulierte Ahmed Tejan Kabbah, jetzt wieder Präsident
Sierra Leones, vor einer Rebellenarmee und ernannte mutmaßliche Mörder
zu Ministern. In Kolumbien resignierte Finanzminister Juan Camilo Restrepo vor
Drogenbaronen und gab bekannt, das Land werde künftig Heroin und Kokain in
das Bruttoinlandsprodukt einrechnen. In Tschetschenien kontrolliert Präsident
Aslan Maschadow mit Mühe und Not die Hauptstadt Grosny, während 150
kriegerische Clanchefs das Land unter sich aufteilen. In Indonesien erreichte
der Konflikt auf Osttimor einen neuen Höhepunkt. Und im Kosovo hat die Nato
zur Kenntnis zu nehmen, dass sie sich die Macht mit der albanischen Mafia teilen
muss.
Während des Kosovo-Krieges wurde in Deutschland gestritten, ob der postnationale
Krieg, der ethische, der humane, der bessere Krieg, in Mode kommt. Peters, Dießenbacher
und van Creveld glauben nicht daran. Es ist der pränationale Krieg, der vor
einer großen Karriere steht. Viele Kriege der Zukunft werden an das Chaos
in Sierra Leone erinnern, kaum einer an die relative Ordnung des Kampfes um das
Kosovo.
Der Kosovo-Krieg war ein Luxus, den sich selbst das mächtigste Militärbündnis
der Erde nicht oft leisten wird. 35 Milliarden Dollar sind eine Menge Geld. Und
Mitleid allein reicht nicht aus, um neue Kriege zu führen. US-Außenministerin
Madeleine Albright in einem SPIEGEL-Gespräch: „Wie müssen auch
in unsere Entscheidungen einbeziehen, wie strategisch wichtig die entsprechende
Region ist.“
Friedensforscher beklagen, dass die Zahl der Kriege steigt, dass neue Kriege meist
Bürgerkriege sind, dass sie länger dauern als die alten und dass Siegen
selten bedeutet, den Gegner zu schlagen. Immer häufiger soll ein Volk vernichtet
werden. Heute kommen mehr Menschen bei Völkermorden ums Leben als in erklärten
oder nichterklärten Kriegen. Forscher wie Dießenbacher prognostizieren,
dass die Zahl der Bürgerkriege steigen wird, solange die Weltbevölkerung
wächst.
Die neue Unordnung ist so verwirrend, dass es schwer ist, die Übersicht zu
behalten, wer Freund ist und wer Feind. Im Kampf um die pakistanische Hafenstadt
Karatschi wurden 18 rivalisierende Gruppen gezählt, dazu schwer bewaffnete
Killerbanden, Milizen und Geheimdienste. In Indien kämpfen private Kastenarmeen
und Kriminelle gegen oder für Politiker. In Kolumbien stehen sich Guerilleros,
paramilitärische Einheiten, die Rauschgiftmafia und staatliche Sicherheitskräfte
gegenüber, und im Sudan musste der deutsche Bischof Klaus Engelhard erleben,
dass der Krieg „das Land ins totale Chaos gestürzt hat“.
Sicher scheint der Frieden nur noch in Teilen Westeuropas zu sein. In den USA
attackieren immer wieder einzelne Bürger ihren Staat. Der bislang verheerendste
Angriff gelang dem Rechtsradikalen Timothy McVeigh. Er sprengte 1995 ein Bundesgebäude
in Oklahoma City. 168 Menschen starben. Vor zwei Jahren warnte der US-Verteidigungsminister
William Cohen eindringlich vor dieser „Achillesferse“ des Staates.
Bill Clinton gründete im Weißen Haus ein „Büro für
Terrorismusabwehr“, das die Aktionen von Pentagon und FBI im In- und Ausland
koordinieren soll.
In den Verteidigungsministerien der Nato macht sich seit einiger Zeit die Einsicht
breit, dass der Dritte Weltkrieg bereits begonnen hat, dass man ihm nicht entgehen
kann und dass es nicht der Krieg ist, den die USA und Westeuropa 50 Jahre lang
gefürchtet hatten. Die große Schlacht fällt aus.
Der Golfkrieg war möglicherweise der letzte Krieg, in dem riesige Armeen
aufeinander trafen und in dem die Übermacht des Westens so erdrückend
war, dass selbst der ehemalige US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger von
„einem seltsamen Krieg“ sprach. Der Krieg der Zukunft findet nicht
in der Wüste statt, sondern in Städten, in verwirrenden Orten wie Mogadischu,
wo es kaum Straßennamen gibt, noch Schilder.
Wie schlecht Amerika auf diese Art des Krieges vorbereitet ist, erfuhr die letzte
Supermacht der Erde während ihres Somalia-Einsatzes. Beim Versuch, den Rebellenführer
Aidid festzunehmen, starben proportional zur Truppenstärke mehr Soldaten
als im gesamten Golfkrieg. Boris Jelzin machte die gleiche Erfahrung in Grosny,
der Hauptstadt Tschetscheniens. Die mächtige russische Armee wurde von Rebellen
vertrieben.
Die amerikanischen Militärplaner wussten um die strategische Schwäche
ihrer Armee und schrieben in ihre Militärdoktrin, dass Konflikte in Großstädten
vermieden werden sollten. Die Politik hielt sich nicht an die Doktrin. Das US-Marinecorps
kämpfte in den vergangenen zehn Jahren bei 237 von 250 Einsätzen in
Städten. Experten glauben, in naher Zukunft wird der Einsatz kleiner Einheiten
nicht mehr ausreichen. Das US-Militär geht in einer internen Studie davon
aus, dass im Jahr 2015 etwa 85 Prozent der Menschen in Städten leben.
Spätestens seit dem Sieg über Saddam stecken die Regierenden der Nato-Staaten
in einem dreifachen Dilemma. Sie dürfen während eines Krieges keine
Zivilisten töten. Sie dürfen nicht zulassen, dass im Kampf eigene Soldaten
sterben. Sie dürfen keinen Krieg verlieren. Was im Golfkrieg scheinbar glückte,
muss jetzt in jedem anderen Krieg gelingen, wenn die Nato-Regierenden nicht politischen
Selbstmord begehen wollen.
Zu Beginn des Kosovo-Krieges war die Furcht vor Wahlniederlagen so groß,
dass die späteren Sieger eine Todsünde begingen. Sie offenbarten ihre
Strategie und sagten Milosevic, sie würden keine Bodentruppen einsetzen.
Im Krieg der Zukunft wird die Nato den Bodenkrieg wieder führen müssen.
Der Kampf in den Städten ist nicht anders zu gewinnen. Um dieses Ziel zu
erreichen, warfen die amerikanischen Stabschefs ein langgedientes Dogma auf den
Müll. Es hieß: Feuerkraft ist Macht. Im Strategiepapier „Joint
Vision 2010“ steht nun „Wissen ist Macht“. Mehr Kommunikation
zwischen Befehlshaber und Truppe soll die Gefahr für die Soldaten mindern.
Die Waffen, die den Sieg sichern sollen, präsentierte 1998 Jason Petree,
Soldat der US-Armee, während der jährlichen Konferenz der Association
of the U. S. Army. In seinen Händen hielt Petree einen M-4-Karabiner, ausgestattet
mit einer Videokamera, einer Infrarotkamera, einem Laser-Entfernungsmesser und
einem digitalen Kompass. Auf seinem Kopf trug er einen Helm, ausgestattet mit
einem Nachtsichtgerät, einem Alarmgerät, das meldet, wenn er von einem
feindlichen Laserstrahl erfasst wird, und einem Mini-Bildschirm, auf den Karten,
Befehle und Bilder der Videokamera des Karabiners übertragen werden. Sollte
Jason Petree mit dieser Ausrüstung auf einen Feind treffen, könnte er
ihn bekämpfen, ohne seine Deckung zu verlassen. Petree würde das Gewehr
in Richtung des Gegners halten, die Videokamera würde das Bild auf seinen
Helm-Bildschirm senden, der Laser würde die Entfernung zum Ziel messen und
eine Granate programmieren. Versteckt sich ein Feind in einem Haus, fliegt durchs
Fenster und explodiert über ihm. Oder Petree setzt ameisengroße Roboter
in Marsch, programmiert mit den Koordinaten des Feindes. Die Roboter sind laufende
Mini-Bomben, die auf Körperwärme reagieren und explodieren.
Trifft Petree auf einen Freund, der ihn für den Feind hält, sendet Petrees
Computer einen Code, der ihn identifiziert. Sollte Petree sich verirren, würde
ihm sein Satelliten-Kompass sagen, wo er ist. Ohne Computerhilfe funktioniert
der Abzug, noch. Im Dezember 2001 werden die ersten 1800 Ausrüstungen ausgeliefert.
2020 sollen 425 000 US-Soldaten vernetzt sein.
Läuft alles nach Plan, werden sie dann aus der Luft unterstützt, zum
Beispiel von der Schwarzen Witwe, einer fliegenden Untertasse aus Plastik, die
15 Zentimeter misst und mit einer Kamera bestückt ist. Ferngesteuert soll
sie in Gebäude fliegen, den Gegner finden und seine Position übermitteln.
Den gleichen Zweck erfüllt Cypher, ein unbemannter Hubschrauber, der aussieht
wie ein umgekippter Ventilator. Am Boden kundschaftet Sarge für die Soldaten.
Der unbemannte Wagen ist 50 Stundenkilometer schnell und vollgestopft mit Tag-
und Nachtsensoren, mit einem lasergesteuerten Entfernungsmesser und einer Hochleistungs-Überwachungskamera,
die Livebilder an die Kommandozentrale sendet. Am Ende der Modernisierung lockt
das transparente Schlachtfeld, auf dem jeder Gegner entdeckt wird und jede Gefahr
kalkulierbar ist.
Die Bundeswehr trainiert den Krieg der Zukunft auf dem US-Truppenübungsplatz
im oberpfälzischen Hohenfels. Auf den Computer-Monitoren des „Combat
Maneuver Training Centers“ simulieren deutsche Krisenreaktionskräfte
künftige Schlachten. Jeder Soldat, jeder Panzer ist mit einem GPS-Satelliten-Sender
ausgerüstet, der den Männern an den Monitoren die Position auf einer
digitalen Karte zeigt. Bewegt sich ein Soldat oder ein Panzer, kriecht auf der
Karte ein Rechteck los. So will die Heeresführung den Überblick über
den nächsten Krieg behalten.
Außer den Peilsendern und unbemannten Aufklärungsdrohnen hat die Bundeswehr
noch nicht viel zu bieten, um im Krieg der Zukunft zu bestehen. Die deutsche Armee
steckt in einer Aufholjagd mit den Amerikanern. Noch gibt es keine Beschaffungspläne,
keine Zeitpläne, kaum Geld im Haushalt, nur Prototypen von Prototypen, denen
beigebracht wird, miteinander, nicht gegeneinander zu arbeiten. Während einer
Nato-Tagung im Jahr 2001 will die Bundeswehr trotzdem ein komplettes System zeigen,
das dem amerikanischen ähnelt. Auch die Briten und Franzosen arbeiten an
„Mensch-Maschine-Systemen“, um die Effektivität und Durchsetzungsfähigkeit
des einzelnen Soldaten zu steigern.
Bill Clinton nutzte die Möglichkeiten des modernen Krieges bereits. Auf dem
Höhepunkt der Lewinsky-Affäre griff er den Sudan und Afghanistan mit
Marschflugkörpern an und zerstörte eine vermeintliche Giftgasfabrik
sowie Lager, in denen angeblich Selbstmordattentäter ausgebildet wurden.
Im Pentagon freute man sich: „Sogar die Wände der Gebäude fielen
wie berechnet nach innen.“ Edward Herman, emeritierter Professor am Wharton
College in Pennsylvania, spottete: „Wenn die USA Terroristen in anderen
Ländern angreifen dürfen, dann können die Kubaner Miami bombardieren.
Schließlich wurden dort jahrzehntelang Terroranschläge gegen Kuba geplant.“
Möglicherweise legen die Politiker zu viele Hoffnungen in den digitalen Krieg.
Während eines ersten Tests der U.S.-Army traten Kämpfer mit traditioneller
Ausrüstung gegen Soldaten mit Hightech-Waffen an. Die Krieger der Zukunft
verloren. Schuld war ihr Übergewicht. Die Ausrüstung wog 40 Kilo. In
Test Nummer zwei lösten die Soldaten das Problem. Sie ließen die Waffen
auf der Ladefläche eines Trucks zurück. Den Artikel
erreichen Sie im Internet unter der URL: http://www.spiegel.de/spezial/0,1518,48492,00.html
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