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Krieg und Frieden
Gegeninformationsbüro 7. Februar 2003


„Krieg nach Außen“ – „Krieg nach Innen“

Zwölf Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks stehen der BRD als souveränem Staat alle Möglichkeiten für eine außenpolitische sowie innenpolitische Neupositionierung zur Verfügung. Außenpolitisch geht es um eine führende Rolle der BRD als Teil der EU, nicht nur im europäischen sondern im weltweiten Maßstab.

Im Inneren findet seit mehr als zehn Jahren ein Umstrukturierungsprozess statt, in dessen Zentrum Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes stehen. Der Sozialstaat, als eine Möglichkeit der kapitalistischen Herrschaftssicherung hat – als historisch überholtes Nachkriegsmodell, vor allem in Konkurrenz zur DDR – ausgedient.

Während bei dem ‚Krieg nach Außen‘ Ressourcen, Marktanteile und Einflusssphären sichergestellt werden sollen, und dass nicht nur militärisch, zielt der ‚Krieg nach Innen‘ auf eine Entwertung der Ware Arbeit ab. Beides jedoch folgt der gleichen, der inneren Logik des Kapitalismus nach maximalem Profit.

So sollen im Inneren ökonomisch effizientere Systeme herbeigeführt werden, um die BRD im Rahmen der EU als Wirtschaftszentrum ganz nach vorn zu katapultieren. Löhne und Arbeitsrechte werden beschnitten, Arbeiter und Arbeiterinnen massenweise aus Tarifverhältnissen getrieben. Durch diese vom Staat massiv geförderte Individualisierung der Ausbeutungsverhältnisse – weg von gewerkschaftlicher Interessensvertretung mit Flächentarifvertrag und Arbeitskampfmöglichkeit – wird jede und jeder gezwungen individuell Löhne und Bedingungen auszuhandeln. Diese sind natürlich nur zu schlechteren Konzessionen zu bekommen. Damit wird das Recht sich zusammenzuschließen, um gemeinsam seine Interessen zu vertreten, außer Kraft gesetzt. Das Gesundheits- Renten- und Ausbildungssystem soll privatisiert werden. Der Druck auf Arbeitslose, Kranke, Sozialbedürftige, auf Auszubildende und Arbeitende steigt. Kein Raum soll mehr bleiben für soziale Utopien.

Propagandistisch wird dieser ‚Krieg nach Innen‘ begleitet von einer Sorgendebatte. Neben leeren Kassen, wird die drohende Gefahr eines ökonomischen Desasters für das Wirtschaftszentrum Europa vor uns ausgebreitet. Suggeriert wird, dass der ‚Standort Deutschland‘ gefährdet sei – die BRD ins wirtschaftliche Hintertreffen geraten könnte. Um den Standort zu retten gilt es Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen, die zwar alle nicht schön – womöglich auch schmerzvoll, aber unabdingbar und zwingend notwendig sind. Diese Krisendrohung verschafft den staatlichen Souveränen die Mittel, um jedes Opfer nach innen durchzusetzen.
Staatliche Politik soll nicht mehr an bewusst geschaffenen Fakten und imperialistischer Planung gemessen werden, sondern ihre Macher als Gefangene einer bedrohlichen Lage entschuldigt werden.


„Frieden nach Innen“ – „Frieden nach Außen“

In den verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 erklärte die BRD, unter anderem, dass sie ihre Interessen an „Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Wirtschaftsordnung“ in Zukunft gern auch militärisch vertreten wolle. Seitdem ist Jahr für Jahr, auch mit Hilfe der Alliierten, an der so genannten Enttabuisierung des Militärischen gearbeitet worden. Während deutsche Soldaten in aller Welt und im Rahmen von UN-Einsätzen die gerechte Wirtschaftsordnung und Schlimmeres verteidigten, beziehungsweise durchsetzten, wurde man im deutschen Heimatland von Gerechtigkeit und Frieden nicht müde zu beteuern: Ja, Deutschland wird seiner Verantwortung in der Welt gerecht und endlich wieder normal.

Den endgültigen Beweis trat die BRD an, als sie sich 1999 am Angriffskrieg gegen Jugoslawien beteiligte – erstmals ohne UN-Mandat, unter Bruch der UN-Charta und dem deutschen Grundgesetz, begleitet von einer Propaganda- und Desinformationskampagne, die ihres Gleichen sucht.

Nach dem 11. September 2001 und der Ausrufung des Nato-Bündnisfalls konnte die BRD ihr Engagement noch vergrößern. Erst tauchten irgendwo in Afghanistan KSK-Soldaten auf und gleich wieder ab, dann schickte man ein reguläres Kontingent nach Kabul. Kriegsschiffe wurden vor der Küste Somalias, Spürpanzer in Kuwait stationiert. In türkischem Luftraum kreisen Awacs-Maschinen, die als fliegende Feuerleitzentralen benutzt werden können – geflogen von deutschen Piloten. Seit 2003 ist die BRD mit Unterstützung der Niederlande Lead-Nation in Afghanistan. Es befinden sich augenblicklich 11 000 deutsche Soldaten in aller Welt und führen Frieden. Insgesamt sind bis zu 60 000 an Einsätzen beteiligt. Die BRD ist, wie Kriegsminister Peter Struck Anfang 2003 stolz vermeldete, „der größte Truppensteller (...) nach den USA“!
Am Vorabend eines Krieges gegen den Irak nun schießt die BRD Friedenstauben! Die Gründe dafür bringt Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik auf den Punkt, wenn er schreibt: „Deutschland ist ein geographischer Nachbar des Irak, folglich sicherheitspolitisch zumindest mittelbar betroffen, besitzt aber eher ökonomische als militärische Einflussmöglichkeiten (...) es hat wirtschaftliches und politisches Interesse an einer weitgehenden Einbindung des nahen Ostens in das Einflussgebiet der EU“ (Deutsche Nahostpolitik – Interessen und Optionen). Eine ähnliche Sprache sprechen die Äußerungen des früheren Wirtschaftsministers Müller, wonach die „Lieferbedingungen für die deutsche Industrie gegenüber dem Irak „gut“ seien und man eine „Außenwirtschaftsoffensive“ plane, die den „gesamte(n) Nahe(n) und Mittlere(n) Osten sowie Nordafrika (als) Absatzmärkte“ erschließen solle. BDI-Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg gab 2002 bekannt, dass sich der deutsche Export in den Irak 2001 gegenüber 140 Millionen Euro im Vorjahr mehr als verdoppelt habe. Er monierte jedoch, dass der französische Export in den Irak trotz Wirtschaftssanktionen mit drei bis vier Milliarden Euro weit größer sei. Die Versorgung mit der Schlüsselressource Öl war für die BRD bereits 2001 potentiell garantiert, als ihr größter Erdöllieferant, die Russische Föderation, einen Optionsvertag über 40 Milliarden Dollar mit dem Irak schloss. Eine etwas kleinere Vereinbarung hat auch Frankreich geschlossen. Im Wirtschaftsministerium sprach man bereits vom Russisch-Arabischen Rohstofftrumpf Europas, freilich nur für den Fall einer Lockerung der Sanktionen.

All dies zeigt, dass der deutsche und auch der französische Wille zum Frieden vor allem aus massiven Interessensgegensätzen mit den USA besteht. Interessengegensätze zweier konkurrierender imperialistischer Zentren, die ihre jeweiligen Machtinteressen mit allen Mitteln in aller Welt vertreten wollen. Der deutsche Wille zum Frieden ist der Wille, ein Europa zu schaffen, das unter deutscher Führung endlich all das kann, was die USA schon können – Neuordnen, Intervenieren, Durchdringen – wo nötig ohne, wo möglich mit Waffengewalt.

Dies wird von Teilen der Friedensbewegten ignoriert. Eher schon wird über Irre im Weißen Haus schwadroniert, als würde imperialistische Politik aus Vaterkomplex betrieben. Es werden übliche Amerikaklischees abgespult (Schlapphut, Knarre, Unkultur) und dem Mythos vom guten, humanen Europa gegenübergestellt (Aufklärung, Zivilgesellschaft, öffentlich-rechtliches Fernsehen). Ein Mythos, der nur allzu gut in das Konzept „Europa als Weltmacht“ passt. So machen sich Friedensbewegte zu Befürwortern eines neuen, vernünftigeren europäischen Imperialismus, der zweifellos ganz der Alte sein wird.

Dieser fatalen Politik müssen wir uns entgegenstellen. Wo Friedensbewegte mit SPD und Oliv-Grün marschieren, kämpfen sie gegen den einen und für den anderen Krieg!

Krieg dem Krieg! Eigene Bourgeoisie zuerst ummüllern!
 7. Februar 2003