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Broschüre „Der Informationskrieg“
Broschüre vom Gegeninformationsbüro 21. April 2000

Die Instrumentalisierung deutscher Verbrechen
Die Kriegspropaganda gipfelte in der Demagogie von Außenminister Joseph Fischer: „Wir werden kein neues Auschwitz zulassen“. Hier werden in den Köpfen der Bevölkerung Bilder der Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus auf den Plan gerufen.
Hieß es bisher: „Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz“, so soll es jetzt heißen: „Krieg, weil nie wieder Auschwitz“.


Wie konnte geschehen, dass trotz dieser beiden über 50 Jahre untrennbaren Aufrufe: „Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz“ der neue Kriegsappell bei breiten Teilen der Bevölkerung funktionierte?

Viele Intellektuelle haben die deutsche Geschichte aufgearbeitet, eine Aufarbeitung dahingehend, dass die Verhältnisse, die Krieg und Völkermord verursachten, aufgezeigt wurden. Konsequenzen hieraus erfolgten in der gesellschaftlichen Praxis kaum. Von Staats wegen hingegen wurde die deutsche Geschichte bearbeitet, und diese Bearbeitung, gekennzeichnet von Verschweigen und Lügen, prägte nachhaltig die bundesdeutsche Gesellschaft deutlich. Die Bearbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus erfolgte sofort nach dem Krieg in Form einer Kanalisierung der Geschehnisse:

Zum einen
wurden die TäterInnen umgehend von den Westalliierten in die kapitalistische Interessengemeinschaft aufgenommen. Dadurch und durch die Unterstützung der Westalliierten beim Wiederaufbau wurden die „Deutschen“ fortan zu Dank verpflichtet.

Zum anderen
wurde der Krieg gegen das sozialistische Lager unmittelbar in den Kalten Krieg übergeleitet mit all seinen Erscheinungsformen. Die Ostzone wurde von den Westzonen durch die Einführung der DM wirtschaftlich getrennt und Deutschland somit geteilt.
Im Verhältnis zur Sowjetunion wurden die TäterInnen zunehmend zu Opfern: Volkstrauertage, Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Tage der deutschen Einheit ...
Die Sowjetunion galt nahtlos als der Hauptfeind.

Zum dritten
blieb der Widerstand gegen den deutschen Nationalsozialismus in seiner Bedeutung unerwähnt. Die Tausenden ermordeten und zwangsinternierten AntifaschistInnen, KommunistenInnen, SozialistenInnen, ChristenInnen, AnarchistenInnen, Wehrmachtsdeserteure und Homosexuelle finden bis heute kein Gedenken. Sie verschwinden hinter der Glorifizierung des Attentäters von Stauffenberg als gefeiertem Widerstandshelden. In der beabsichtigten Fortsetzung der kapitalistischen und damit imperialistischen Politik der BRD ist das eine logische Folge.

Die „Stauffenbergs“ widerstanden nämlich nicht den Expansionskriegen des deutschen Imperialismus, des deutschen Kapitals, nicht der Vernichtung der JüdInnen, der Roma und Sinti, sondern sie wollten mit ihren Generälen den deutschen Sieg herbeiführen, der unter Adolf Hitler in seiner Funktion als oberster Heerführer zum Zeitpunkt des geplanten Attentats in Gefahr zu sein schien. Mit der Ehrung eines Stauffenberg wird deutlich, dass der Überfall auf Polen und der Angriff auf die Sowjetunion durch die deutsche Wehrmacht bis in den heutigen Tag hinein durch Staat und Kapital Verehrung findet. Schließlich setzte der deutsche Imperialismus nahtlos seine Interessen fort. Trotz mehrheitlicher Abstimmung wurde die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien wie Kohle und Stahl vereitelt. Wiederaufrüstung, Aufbau der Bundeswehr, Ausbau zum Atomstaat, Notstandsgesetze, Wehrstrafrecht und Wehrgerichtsbarkeit sind die geschaffenen Grundlagen für die Fort- und Durchsetzung kapitalistischer Interessen. Erklärt wurden diese Installierungen als Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung des Wohlstands und – nach wie vor – zur Verteidigung gegen den Kommunismus.

Ebenso behielt der Staat relativ unbemerkt Erziehung und Bildung unter Kontrolle. Der Nationalsozialismus blieb im BRD-Geschichtsunterricht zunächst ausgeblendet, Kapitalismus und Kommunismus kamen nicht vor, der Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus blieb verschwiegen. Erst später wurde in den Schulen der Nationalsozialismus behandelt. In Filmen begann man, Kindern Leichenberge zu zeigen, aber die fortbestehende Grundlage für Krieg und Faschismus wurde und wird nicht erklärt. Der Entzug von Wissen im staatlichen Bildungsapparat zielt auf die Zurichtung der Menschen zu unmündigen und funktionierenden „Zöglingen“ ab. Die KPD wurde verboten. Kritische ErzieherInnen und LehrerInnen bekamen Berufsverbot und wurden gefeuert mit dem Vorwurf der Indoktrination. Mitgliedern der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ wurde die Aufklärung in den Schulen verboten. Vielmehr hielt die Bundeswehr in den 70ern in Westdeutschland im Schulunterricht Einzug, um für Soldatennachwuchs und die sogenannte Verteidigungsbereitschaft zu werben. Dementsprechend wurden Friedensbewegung, Anti-AKW-Bewegung erfasst und kriminalisiert. Totalverweigerer landen im Knast. Erst im letzten Verfassungsschutzbericht wird die Antifa-Bewegung in der BRD zum innerdeutschen Staatsfeind Nr. 1 erklärt.

Geblieben ist die Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen. Eine Aufarbeitung der politischen Bedeutung des Antisemitismus im Nazideutschland, in der jetzigen BRD und im Zusammenhang des weltweit existierenden Antisemitismus wurde unterbunden.

Das wirklich persönlich erfahrene Leid der Opfer des Nationalsozialismus verschwindet zunehmend in der Anonymisierung. Bei den „Wiedergutmachungen“, „Entschädigungen“, den Mahnmalen geht es Politik und Wirtschaft nicht um die Opfer, es geht ihnen auch nicht um Auschwitz, sondern es geht um die Verwirrung von Wissen und Gefühlen durch die propagandistische Umgestaltung realer Geschichte.

Jetzt geht es wieder um Krieg des deutschen Imperialismus. Diesmal unter dem Motto „Nie wieder Auschwitz“ – und wer jetzt nach Beweisen im Bezug auf Jugoslawien verlangt, leugnet auch Auschwitz, und wer dem Krieg nicht zustimmt, der rechtfertigt Auschwitz. So einfach funktioniert das. Schon während des Golfkrieges lief der Angriff auf die Köpfe: Lauthals hieß es: „Deutschland darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen“, sprich wer sich verantwortlich zeigen will, muss Kriege führen.

„Deutschland kann nicht länger eine Sonderrolle in der Völkergemeinschaft einnehmen“ bedeutete Schluss zu machen mit der Einmaligkeit deutscher Verbrechen.

Jetzt formuliere ich eine These, von der ich glaube, dass sie zwar sehr simpel erscheint, aber dennoch im wesentlichen dazu beigetragen hat, dass sich das gesellschaftliche Bewusstsein kaum geändert hat.

Fast alle haben den Gefühlsspagat gegenüber der Kriegsgeneration, die aus unsere Eltern und Grosseltern besteht, nicht ausgetragen.
Wir wissen, dass sie lügen, wenn sie sagen, sie wussten nichts, dass sich hinter ihrem Schweigen die Verbrechen verbergen.
Und doch haben wir nicht auf der Wahrheit der persönlichen Geschichte bestanden. Die Person, die dann zum Vorschein gekommen wäre, wäre unerträglich, und was wären die Konsequenzen daraus?
Faktisch beließen die Nachkriegsgenerationen es dabei, dass es „gewesen“ ist, und die Auseinandersetzung mit der Eltern- und Grosselterngeneration versackte in der stillen Hoffnung, dass jene nur ein kleines Rädchen im Getriebe waren.

Die Mehrheit nimmt nicht zur Kenntnis, dass die soziale Marktwirtschaft mit ihren Verlockungen eine Erscheinung des Kapitalismus ist, mit dem die Planung von Kriegen untrennbar verbunden ist.

Die Gesichter können sich wandeln. Die Profiteure sponsern nämlich auch Schulen und Altenheime. Die, die bereit sind, dich ggf. zu erschlagen, können auch freundlich mit dir reden, und die Kriegsverbrecher knallen nicht immer die Hacken der Schaftstiefel, sondern führen in grünen und roten Krawatten Reden von der Humanität, wenn sie den Krieg wollen.
 21. April 2000