|
|
|
|
Broschüre
„Der Informationskrieg“
Broschüre vom Gegeninformationsbüro
21. April 2000
Massaker auf Bestellung
Der Titel dieses Beitrags deutet bereits auf eine kritische Auseinandersetzung
mit den offiziellen Nachrichten hin. Denn auch für einen Krieg gegen Jugoslawien
musste die Zivilbevölkerung der Nato-Länder dazu gebracht werden, den
Wunsch nach einer Kriegsbeteiligung zu hegen und den Einsatz von Truppen einzufordern.
Hierzu diente unter anderem das so genannte „Brotschlangenmassaker“
vom 27. Mai 1992, bei dem angeblich serbisches Artilleriefeuer mindestens 20 Menschen
auf einem Markt in Sarajevo tötete. Drei Tage später beschloss der UNO-Sicherheitsrat
ein Embargo gegen Jugoslawien. Anschließend auftauchende Zweifel bezüglich
der Täter, nämlich die zufällige?! Anwesenheit eines bosnischen
Fernsehteams, die Tatsache, dass es sich bei den Toten überwiegend um Serben
handelte, nicht vorhandene Granateinschläge usw. änderten nichts an
der internationalen Isolation Jugoslawiens.
Auch der erste Kriegseinsatz der Nato seit ihrer Gründung sowie der erste
Kampfeinsatz von US-Truppen auf europäischem Boden seit 1945 hatten ein Massaker
als Auslöser: Am 5. Februar 1994 wurden 68 Menschen durch eine Mörsergranate
in Sarajevo getötet und ca. 200 verletzt. TV-Sarajevo und CNN meldeten übereinstimmend
sofort, dass es sich um eine serbische Granate gehandelt habe, und für Clinton
lag es bereits zwei Tage später „auf der Hand, dass mit größter
Wahrscheinlichkeit die Serben verantwortlich sind“ [1].
Eine unabhängige Untersuchung der Tathergänge fand nicht statt. Während
die nichtdeutsche Presse offen die Beteiligung bosnischer Serben an dem Attentat
aufgrund verschiedener Hinweise bezweifelte, begann hier die totale Kriegspropaganda.
So titulierte die FAZ „Wann, wenn nicht jetzt?“, „Rufe nach
Schlägen gegen die serbischen Belagerer“, und die FR fragte „Wie
lange noch?“ Während die taz intellektuell verbrämt konstatierte:
„Luftangriffe auf serbische Stellungen machen vor allem psychologisch Sinn“,
brachte es die BILD für einfachere Gemüter auf den Nenner: „Bombt
die Mörder nieder!“.
Ein weiteres Attentat in Sarajevo am 28. August 1995 führte zwei Tage später
zur Erfüllung des von Cohn-Bendit im Frühjahr desselben Jahres gehegten
Wunsches „Zuerst wird Pale bombardiert und dann ...“ [2]:
Nato-Geschwader bombardierten tagelang die „Republika Srpska“. Auch,
dass unter anderem zwei Republikaner des US-Senats die Anschuldigung gegen serbische
Täter öffentlich zurückwiesen, hatte keinerlei Auswirkungen mehr
auf die geschickt herbeigeführte Kriegsbereitschaft der Deutschen.
Nun zum Fall Srebenica, der aktuell wieder Schlagzeilen macht, denn seit dem 13.
März 2000 steht Radislav Krstic vor dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal.
Der bosnisch-serbische General wird wegen Völkermord, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Vertreibung angeklagt, da er als Stabschef des „Drina-Korps“
entscheidend an dem Vorgehen in Srebenica am 13. Juli 1995 mitgewirkt haben soll.
Vielleicht klären sich jetzt die Widersprüche zwischen angeblich sechs
bis 8000 Toten, die die moslemische Regierung bzw. das Tribunal beklagt, und den
holländischen Blauhelm-Soldaten, die keinerlei Gräueltaten beobachtet
hatten bzw. dem IKRK (Internationales Rotes Kreuz), das in seinem Memorandum feststellt:
„Mehrere 1000 der vermissten Soldaten erreichten Zentralbosnien“ [3].
Obwohl zahlreiche Materialien ernstzunehmender Quellen existieren, die die Horrorversion
von Srebrenica deutlich in Frage stellen, ist es schwierig, eine eindeutige Aussage
bezüglich des tatsächlichen Ablaufs zu machen. Jedoch sollte bei der
Einschätzung der offiziell aufgetischten Daten und Infos folgendes berücksichtigt
werden:
1. Zu den Vorgängen in Srebenica und Umgebung haben seit Frühjahr 1992
mehrere Journalisten die Vorgeschichte Srebenicas recherchiert. So soll das serbische
Siedlungsgebiet um Srebenica und Bratunac seit April 1992 durch moslemische Truppen
blockiert worden sein, um einen moslemisch dominierten Staat innerhalb Bosniens
zu schaffen. Bei der anschließenden moslemischen Großoffensive sollen
50 serbische Dörfer dem Erdboden gleich gemacht worden sein. Über die
mehr als 1200 massakrierten serbischen Zivilisten und 3000 Verletzten wird in
der westlichen Presse jedoch erst ab 1995 berichtet (BBC, Misha Glenny; Joan Hoey;
The Times; etc.).
2. Louise Arbour, die oberste Strafverfolgerin des Den Haager Kriegsverbrechertribunals,
gab Ende 1998 in einem Spiegel-Interview zu, dass noch immer keine eindeutigen
Beweise vorlägen, um die serbische Seite zu belasten.
3. „Das Massaker von Srebenica beeinflusste die Haltung der internationalen
Gemeinschaft zu Serbien. Mit Nato-Hilfe kam es einen Monat später zu Gegenangriffen
der kroatischen Truppen in Kroatien und im September zusammen mit bosnischen Truppen
in Bosnien-Herzegowina. Die serbischen Armeen büßten große Gebiete
ein, die Belgrader Führung stimmte schließlich im November 1995 dem
Dayton-Abkommen zu, das den Krieg in Bosnien-Herzegowina beendete.“ [4]
Diese klaren Erkenntnisse bezüglich des engen Zusammenhangs von Massakern
und dem Kriegsverlauf stammen von dem als „Serbenfreund“ unverdächtigen
Erich Rathfelder von der taz.
Racak
Nun zu den Ereignissen von Racak, die unter anderem als Rechtfertigung für
die Auslösung des Nato-Kriegs gegen Jugoslawien dienten.
Im Folgenden werden die Racak-Version der OSZE-Newsletter [5]
vom Januar 1999 und die im Nachhinein auftauchenden Varianten und Zweifel gegenübergestellt:
„Der ernsthafteste Zwischenfall im Januar seit der Feuerpause im Oktober
1998 geschah am 15. Januar im Dorf Racak. Das Massaker von Racak wird lange als
ein Schlüsselereignis im Kosovokonflikt erinnert werden; es war sicherlich
ein entscheidender Moment für die Beobachterkommission der OSZE. Am 16. Januar
gingen Beobachter-Teams zum Dorf Racak in der Nähe von Stimlje.“ Als
sie in Racak ankamen, entdeckten sie 36 Körper (später wurden 45 bestätigt),
wovon 23 in einem Graben lagen. Nach der Stellungnahme von Kommissionsleiter Walker,
der den Ort besichtigte, waren „viele der Opfer ältere Menschen, viele
aus nächster Nähe erschossen, die meisten von hinten oder vorn in den
Kopf.“ Walker erzählte bei einer Nachrichtenkonferenz: „Ich habe
nicht die Worte, um meine persönliche Abscheu zu beschreiben, oder all derjenigen,
die bei mir waren, angesichts dessen, was man nur als unaussprechliche Grausamkeiten
beschreiben kann ... Obwohl ich kein Jurist bin, nachdem, was ich persönlich
sah, zögere ich nicht, dieses Ereignis als ein Massaker, ein Verbrechen gegen
die Menschlichkeit zu beschreiben. Noch zögere ich, die Sicherheitskräfte
der Regierung ihrer Verantwortung zu beschuldigen.“ Walker forderte eine
Untersuchung durch das Den Haager Kriegsverbrechertribunal. Am 18. Januar wurde
Walker durch den Außenminister der Republik Jugoslawien Jovanovi zur persona
non grata erklärt und sollte das Land innerhalb von 48 Stunden verlassen.
Am 20. Januar erklärte die OSZE-Troika (die Außenminister Vollebaek
aus Norwegen, Wolfgang Schüssel, Österreich und Bronislaw Geremek, Polen),
dass die Entscheidung, Walker auszuweisen, „völlig inakzeptabel“
sei und dass „Jugoslawiens Autoritäten ihre Entscheidung, Walker auszuweisen,
zurücknehmen und voll mit der OSZE kooperieren müssen“. Sie fügten
hinzu, „die Morde in Racak und der Unwille der jugoslawischen Führung,
mit der OSZE zusammenzuarbeiten, stellt einen ernsten Fall von Nichterfüllung
der UN-Resolution und der Abmachungen, die zwischen Minister Geremek und Minister
Lovanovic unterschrieben wurden, dar.“
Diesem OSZE-Newsletter-Bericht stehen nun folgende Beobachtungen gegenüber:
1. Die New York Times beruft sich auf einen anonymen Repräsentanten der US-Regierung,
wenn sie darauf verweist, dass die Außenministerin Albright bereits einen
Tag vor den Ereignissen in Racak Informationen darüber besaß. Sie erklärte,
dass das Abkommen vom Oktober 1998 über die Beruhigung der Lage in Kosmet
(Kosovo-Metohien) „jeden Moment“ gebrochen werden könne.
2. Le Figaro hinterfragt am 20. Januar in seinem Leitartikel die Darstellung Walkers,
da zu der serbischen Polizeiaktion gegen die Hochburg der UCK in Racak ein Fernsehteam
von AP-TV und OSZE-Beobachter eingeladen wurden, von denen nicht über ein
Massaker, sondern über Kämpfe berichtet wurde. Die Filmaufnahmen zeigen
ein fast leeres Dorf, einen starken Schusswechsel, den Ausbruchsversuch der eingekesselten
UCK-Kämpfer und intensive Kämpfe auf den Hügeln oberhalb des Dorfes.
3. Die am folgenden Tag eintreffenden Journalisten wurden von den UCKlern, die
bereits am Morgen das Dorf zurückerobert hatten, direkt zum Graben mit den
40 Leichen in Zivilkleidung geführt. Wieso war dieser Graben den Bewohnern,
den OSZE-Beobachtern und dem Fernsehteam am Tag zuvor entgangen? Wieso fanden
die Journalisten kaum Patronen und wenig Blut beim Schauplatz, wo doch angeblich
23 Personen mit Kopfschüssen getötet wurden?
4. Untersuchungen, die Licht in die Vorgänge bringen würden, werden
geheim gehalten, denn, wie die Herald Tribune schreibt: „Ein westlicher
Regierungsbeamter sagte, dass die deutsche Regierung das finnische Team angewiesen
habe, die Zusammenfassung ihrer Untersuchung nicht zu veröffentlichen.“
Helen Ranta, die Leiterin des finnischen Untersuchungsteams: „Es gab Druck
von verschiedenen Seiten.“ „Grundsätzlich habe ich in der Racak-Zeit
meine Instruktionen vom deutschen Außenministerium bekommen. Botschafter
Christian Pauls hat mich kurz vor der Pressekonferenz instruiert.“ [6]
5. Und wer ist dieser Walker? 1985 wurde er stellvertretender Staatssekretär
für Zentralamerika. Unter Reagan war er für die Operation zum Sturz
der Sandinistas in Nicaragua verantwortlich (Stichworte: Oliver North, Waffenlieferungen
über Ilopango in El Salvador für die Contras etc.). Von 1988 bis 1992
war er US-Botschafter in El Salvador, wo er von Jesuiten im Zusammenhang mit einem
Überfall von Todesschwadronen auf eine Universität und mit der Ermordung
von sechs Priestern erwähnt wurde. Während seiner Botschafterzeit sprach
Walker von 50 Militärberatern in El Salvador, jedoch bezeugte die Washington
Post 1996, dass er einer Feier von 5000 geheimen US-Kämpfern aus El Salvador
beiwohnte. Für einen unabhängigen Beobachter nicht gerade sehr vertrauensvoll
... [7]
Einige bürgerliche Medien und weite Kreise des öffentlichen Lebens äußern
ein Jahr nach den Bombenangriffen ihre Kritik an der Darstellung bzw. Benutzung
der Vorgänge in Racak durch die Bundesregierung und insbesondere die Minister
Fischer und Scharping harsche Kritik. Dagegen tun sich die AnhängerInnen
der These, dass das Wesentliche der Krieg in Jugoslawien sei (was die Kriegslegitimation
indirekt bestätigt), noch immer schwer damit, das Racak-Massaker als nützliche
Propaganda zu enttarnen und somit ihre These zu hinterfragen. So ist zum Beispiel
die Hauptthese des im November 1999 im ak erschienenen Artikels „Racak-
Mutation eines Massakers“ [8], dass ZweiflerInnen
an der offiziellen Racak-Version „Linke Verschwörungstheorien“
bzw. „serbische Propaganda“ verbreiten würden.
Abgesehen von diesen „Massakern“, bei denen ein direkter Zusammenhang
mit konkreten Krisenverschärfungen zu sehen ist, wurde während des gesamten
Krieges immer wieder auf die systematische und massenhafte Vernichtung von kosovo-albanischen
Zivilisten durch jugoslawische Sicherheitskräfte hingewiesen. Bis dann endlich
am 22. März 1999 der britische Premier Tony Blair vor dem Unterhaus sagen
konnte: „Wir müssen handeln, um Tausende von unschuldigen Männern,
Frauen und Kindern vor der humanitären Katastrophe zu retten, vor dem Tod,
vor der Barbarei und vor der ethnischen Säuberung durch eine brutale Diktatur.“
Jedoch bereits vier Monate nach Beginn des Krieges stellte der private amerikanische
Nachrichtendienst Stratfor Intelligence einen Zwischenbericht vor, der den zehntausendfachen
Massenmord in Frage stellte. Hierfür wandte er eine ungewöhnlich scheinende
Methode an: Stratfor Intelligence verglich die Zahl der tatsächlich gefundenen
Leichen mit der Zahl der behaupteten Toten. Systematisch werden Berichte von Flüchtlingen
oder Mitgliedern der KFOR-Truppen aufgenommen und von ICTY (Internationales Tribunal
für Kriegsverbrechen in der ehemaligen Republik Jugoslawien) an Ort und Stelle
überprüft. Auch wenn die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind,
besteht der Zwischenbericht darauf, dass die angeblich 10 000 Ermordeten
wohl kaum jemals gefunden werden. Zum Beispiel hat ein spanisches Team, das auf
2000 Autopsien vorbereitet war, lediglich 187 Leichen in Einzelgräbern gefunden.
[9]
Auch an der von der taz entworfene „Topographie des Schreckens“ (erschreckende
Parallelität!) mit ihren behaupteten Massakern sind arge Zweifel aufkommen,
da selbst bei den dort genannten Zahlen nur gut zehnProzent der behaupteten Toten
bislang gefunden wurden. [10]
27. Mai 1992 |
Brotschlangenmassaker, Sarajevo |
30. Mai 1992 |
Embargo durch UNO-Sicherheitsrat |
05. Februar 1994 |
Marktplatz in Sarajevo |
28. Februar 1994 |
1. Nato-Kriegseinsatz |
28. August 1995 |
Marktplatz in Sarajevo |
30. August 1995 |
Nato bombardiert Srpska |
13. Juli 1995 |
Srebenica |
21. November 1995 |
Abkommen von Dayton |
16. Januar 1999 |
Racak |
24. März 1999 |
Nato-Krieg gegen Jugoslawien |
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass auf jedes Massaker stets Verschärfungen
in Hinblick auf einen Nato-Angriffskrieg erfolgen. Wird jedoch die Arbeit der
PR-Agenturen und der Medien allgemein berücksichtigt, so können diese
Pfeile auch umgedreht werden, d.h. wenn die Nato-Länder bestimmte Ziele verfolgen
– auf die in den folgenden Beiträgen eingegangen wird – und dazu
ein Krieg in Jugoslawien dienlich ist, dann werden die entsprechenden Bedingungen
geschaffen, indem vorhandene Konflikte verschärft bzw. sogar neu kreiert
werden.
Quellen:
- Neue Staaten, neue Kriege, H. Hofbauer, in: Balkankrieg, Hannes Hofbauer (Hg.),
Wien, 1999. [back]
- Leichen auf Bestellung, H. Pankow, in: Konkret 8/99 [back]
- In unseren Himmeln kreuzt der Fremde Gott, Alexander Dorin (Hg.), Juni 1999.
[back]
- General wegen Morden von Srebenica vor Gericht, Erich Rathfelder, in: taz
v. 13. März 2000. [back]
- nach: Walker: „KVM is Making a Difference“ in: OSCE Newsletter,
Vol. 6 no.1, January 1999, von der Autorin übersetzt. [back]
- „Fragen Sie mich das nicht“, Interview mit H. Ranta in: Jungle
World vom 18. August 1999. [back]
- vgl.: Wie Dr. Fischer lernte, die Bombe zu lieben, Klaus Bittermann, Thomas
Deichmann (Hg.).
Geheim, Nr. 1/1999, „Massaker von Racak“:
Durchsichtige Manipulation, bestellte Provokation, Klaus Hartmann; jw vom 18.
März 2000.
Massaker oder Manöver, in jw vom 27. Januar 1999.
Virtuelle Massengräber, Rainer Rupp, in: jw vom 6. Juli 1999 [back]
- Racak – Mutation eines Massakers, Peter Wuttke, in: ak 432 v. 18. November
1999. [back]
- vgl.: jw, 28. Oktober 1999, „Wo sind die Todesfelder im Kosovo“
[back]
- vgl.: jw, 29. Oktober 1999, „Weit unter den Erwartungen“;
taz, 17. Juni 1999, Eine Topographie des Schreckens. [back]
|
|
|