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Von Krieg zu Krieg!
Gegeninformationsbüro 27. Januar 2002


Die Kriege gegen Irak, Jugoslawien, Afghanistan und nun gegen Somalia haben den gleichen Charakter, der nach alter Schreibweise die Bezeichnung „Imperialismus“ beschrieb. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat ein neuer Wettlauf der Großmächte um Einflusssphären begonnen und hat alt-neue deutsche Großmachtträume reaktiviert. Die Brisanz dieser Träume, die sich vor unseren Augen und an den besuchten Tatorten zusehends materialisieren, sollen hier kurz und skizzenhaft dargestellt werden:

Der Druck zur räumlichen Expansion und Militarisierung der deutschen Außenpolitik, den sowohl politische Zirkel – insbesondere der CDU/CSU und SPD – als auch die wehrtechnische und die zivile Industrie auf die politischen Entscheidungsträger ausüben, hat sich in den letzten Jahren verstärkt und seit 1992 zu einer zunehmenden Akzentuierung der deutschen Außenpolitik auf militärische Optionen geführt.

Der Wille der deutschen politischen und wirtschaftlichen Eliten, ihren Einflussbereich vor allem nach Ost- und Südosteuropa sowie Zentralasien zu erweitern, wird zwangsläufig zu sozialen Verwerfungen in den betreffenden Ländern führen. Weiterhin werden zwischenstaatliche Konflikte geschürt, sobald regionale oder staatliche Instabilitäten geplante Investitionsvorhaben in Frage stellen. Dies folgt aus der definitiven Erwartung der transnationalen Konzerne – und nicht nur der deutschen – nach Planungssicherheit und der für die Kapitale notwendigen Erweiterung von Absatzmärkten und Erschließung von Arbeitskräftereservoiren und Rohstoffvorkommen.

Die Bereitschaft diese Interessen mit einer funktionierenden bundesdeutschen Angriffsarmee zukünftig eher militärisch durchzusetzen wird sich deutlich erhöhen, wobei dies mit oder ohne UN-Mandat; mit oder ohne Nato, im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) oder auch im Alleingang geschehen kann.

Militärische Potenz ermöglicht zudem in gesteigertem Maße diplomatische Erpressungen gegenüber anderen Staaten, so wie es Seiters für die (CDU/CSU-Fraktion) im Februar 1998 im deutschen Bundestag formulierte: „Eine Diplomatie ohne Schwert ist eine Diplomatie ohne Wert.“ Weitergedacht bedeutet diese Aussage nichts anderes als: Eine Diplomatie mit Schwert ist nichts anderes als imperialistisches Großmachtstreben.

Die von Deutschland dominierte EU steht bislang nur wirtschaftlich in Konkurrenz zur USA. Angestrebt wird jedoch eine eigenständige Europäische Verteidigungs- und Sicherheitsidentität, die langfristig außerhalb der Nato-Strukturen auch ein militärisches Gegengewicht zur USA darstellen soll. Die daraus resultierenden Risiken und Konfliktpotenziale werden in der Öffentlichkeit weder wahrgenommen noch thematisiert. Sie äußern sich bislang lediglich in der Militarisierung der Sprache, wenn zum Beispiel von „Wirtschaftskrieg“ zwischen der EU und den USA die Rede ist oder der US-Diplomat Robert Zoellick EU-Strafzölle mit Nuklearwaffen gleichsetzt. Kaum abschätzbare Gefahren ergeben sich des Weiteren aus dem Engagement der USA und Nato in Zentralasien, einer Region, in der sowohl Russland als auch die aufstrebende Wirtschaftsmacht China eigene vitale Interessen verfolgen.

Die Kosten dieser aggressiven Politik der Großmächte haben die Bevölkerungen der betroffenen Staaten zu tragen. In den Industriestaaten wird die Belastung erhöhter Militärausgaben, wehrtechnischer und wirtschaftlicher Forschung auf die Lohnabhängigen und Arbeitslosen umgewälzt, während die Unternehmen Steuererleichterungen einstreichen können. In den Zielländern der marktwirtschaftlichen Durchdringung – wie den Transformationsstaaten der GUS ist Massenarbeitslosigkeit bereits heute Realität. Dadurch initiierte Migrationsbewegungen gelten in den USA und innerhalb der EU schon heute als Gefährdungspotential des westlichen Wohlstands. Rudolf Scharping erklärt in der Zeitschrift Europäische Sicherheit zum Konzept des „erweiterten Sicherheitsbegriffs“: „Dabei hat die deutsche Sicherheitspolitik zu berücksichtigen, dass immer mehr Risiken, die uns direkt betreffen, ihren Ursprung in einem erweiterten geographischen Umfeld haben: die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen (...) wie auch sozioökonomische Instabilitäten, die zu Migrationswellen großen Ausmaßes führen können.“

Die von Scharping erwähnte Verbreitung von Massenvernichtungswaffen fällt auf die Industrienationen zurück, da sie mit mehr oder weniger verdeckter Unterstützung diese Entwicklung fördern. Die Verbreitung von Waffensystemen ist indes ein weiterer Faktor, der integraler Bestandteil der Forderungen der Rüstungsindustrie darstellt. Der Waffenexport – von der Kleinwaffe bis zur Fregatte – soll nach den Worten Thomas Diehls generell dann genehmigt werden, „wenn nicht gewichtige außenpolitische Interessen zwingend dagegen sprechen. Die diktatorischen, autoritären Machthaber dieser Welt werden sich freuen, auch deutsches Tötungs-know-how ohne den Umweg des Schwarzmarkts beziehen zu können, um nach innen wie nach außen Terror zu verbreiten.

Wer es nicht wahr haben möchte, dass kommende Kriege vorhersehbar sind und logische Konsequenz der kapitalistischen Konkurrenz, möge in die Werke Rosa Luxemburgs schauen, die u.a. mahnte: „Ein Blick um uns in diesem Augenblick zeigt, was ein Rückfall der bürgerlichen Gesellschaft in die Barbarei bedeutet. Dieser Weltkrieg – das ist ein Rückfall in die Barbarei. Der Triumph des Imperialismus führt zur Vernichtung der Kultur – sporadisch während der Dauer eines modernen Krieges, und endgültig, wenn die nun begonnene Periode der Weltkriege ungehemmt bis zur letzten Konsequenz ihren Fortgang nehmen sollte.“ (Rosa Luxemburg: Die Krise der Sozialdemokratie, Januar 1916).
 27. Januar 2002