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Krieg und Medien
Gegeninformationsbüro
27. Januar 2002
Nicht von ungefähr beginnt dieser Anti-Kriegs-Konvoi hier vor dem SFB-Gebäude,
vor dem Glas-Pavillion des Nachrichtensenders Inforadio. Die Bedeutung der Massenmedien
für die Vorbereitung, Durchführung und anschließende Aufarbeitung
– oder Aufbereitung – von Kriegen war schon immer zentral.
Seit dem 1. Weltkrieg ist eine systematische Medienarbeit fester Bestandteil jeder
Militärstrategie. Die französische Historikerin Ann Moreli beschreibt
die Prinzipien der Kriegspropaganda [Interview auf arte], die sich seitdem nicht
sehr verändert haben:
Zunächst muss die eigene Bevölkerung überzeugt werden, „dass
man selbst keinen Krieg will, sondern dass die anderen angefangen haben.
Wir verteidigen uns nur.“
Zudem muss der „Feind personifiziert werden. Man muss zeigen,
dass die anderen einen an der Spitze haben, der krank, geistig verwirrt,
ein Verbrecher ist.“
Verschwiegen werden muss, „dass es wirtschaftliche Interessen hinter jedem
Krieg gibt. Man stellt deshalb ‚humanitäre Ziele‘ in den Mittelpunkt
eines Krieges.“ Vorgeblich ging es beim 1. Weltkrieg um die Verteidigung
der kleinen Nationen oder um die Vorbereitung der Welt auf die Demokratie. Im
Hintergrund aber standen die Kontrolle des Suezkanals und der Kampf um die Kolonien.
Ähnlich beim Irakkrieg 1991. Vordergründig sollte die zivile Bevölkerung
Kuwaits und Iraks vor der Willkür der irakischen Machthaber geschützt
oder die Welt vor der Gefahr irakischer Massenvernichtungswaffen bewahrt werden.
Doch im Zentrum standen Öl und Hegemonieansprüche der westlichen kapitalistischen
Staaten in der Region.
Als letztes muss aber während des Krieges vor allem über die Gräueltaten
berichtet werden, „die die feindliche Armee begangen hat, obwohl alle Armeen
Grausamkeiten begehen.“ Man zeigt, „dass die Anderen Grausamkeiten
als taktisches Mittel einsetzen“. Die eigenen Grausamkeiten werden jedoch
als notwendige Kollateralschäden oder technische Pannen bagatellisiert. Paradebeispiel
ist der Jugoslawien-Krieg.
Deshalb will das Militär in Zeiten moderner Massenmedien Kontrolle über
Informationen, Bilder und JournalistInnen haben, damit sich die verheerende Wirkung
der Vietnamkriegs-Bilder nicht wiederholt.
Seitdem wird die totale Informations- und Bildkontrolle angestrebt. Erster Krieg
dieser Art war der Falklandkrieg 1984 mit festen Reporterpools. Bilderlos, da
die möglichen Bilder schädliche Bilder gewesen wären.
Anders zum Beispiel Panama 1989: die Verhaftung Noriegas wird extra für die Kameras
wiederholt, da ein Bild des Sieges gewollt war.
Doch es geht nicht nur um die Kontrolle über Bilder bzw. um die mediale Inszenierung
„realer“ Ereignisse, sondern auch um Fälschungen. Mit Einzug
der PR-Agenturen professionalisierte sich seit dem Golfkrieg die falsche Zuordnung
tatsächlicher Bilder und die Produktion gestellter Bilder und gestellter
Szenen.
Zu dem Zeitpunkt, als deren Lügen – wie die Brutkastenlüge –
publik wurden, war eine andere PR-Agentur bereits damit beauftragt, den Jugoslawien-Krieg
propagandistisch vorzubereiten.
„Wir haben das meisterhaft geschafft,“ erklärt der Direktor der
PR-Agentur Ruder Finn Global Public Affairs, James Harff, „und zwar zwischen
dem 2. und 5. August 1992, als die New Yorker ‚Newsday‘ die Sache mit den
Lagern herausbrachte. (...) Wir sind sofort auf den Zug aufgesprungen. Im Handumdrehen
konnten wir die Serben in der öffentlichen Meinung mit den Nazis gleichsetzen“.
Er fährt fort, dass die Medien von nun an ihren Sprachgebrauch wandelten
und emotional stark aufgeladene Begriffe benutzten wie „ethnische Säuberung,
Konzentrationslager usw., bei denen man an Nazi-Deutschland, Gaskammern und Auschwitz
denkt.“
Denn Propaganda spielt nicht nur während des Kriegs ein zentrale Rolle, sondern
auch schon vorher. Mit ihrer Hilfe wird die Kriegsbereitschaft und -unterstützung
der eigenen Bevölkerung hergestellt.
„Dazu war es aber notwendig, nicht etwa nun die Gewalt als solche zu propagieren,
sondern es war notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge
so zu beleuchten, dass im Gehirn der breiten Masse des Volkes ganz automatisch
allmählich die Überzeugung ausgelöst wurde: wenn man das eben nicht
im Guten abstellen kann, dann muss es eben mit Gewalt abgestellt werden; so kann
es aber auf keinen Fall weitergehen.“ Dieses Zitat stammt nicht etwa aus
dem deutschen Verteidigungsministerium anlässlich des Jugoslawienkrieges,
sondern aus einer Rede Adolf Hitlers vor der deutschen Presse am 10. November
1938.
Dieses Muster findet sich auch jetzt wieder beim Afghanistan-Krieg:
In Deutschland wird die humanitäre Notwendigkeit hervorgehoben, in den USA
wird sich auf die Bedrohung durch den Terrorismus konzentriert. Auf jeden Fall
muss etwas unternommen werden, und wenn nichts anderes hilft dann eben Krieg.
Dies fällt umso leichter, als das Feindbild Islam seit dem Golfkrieg von
Medien und Politik systematisch aufgebaut worden ist. Geostrategische Interessen
werden verschwiegen.
Wie immer wird gleich zu Anfang versucht, die regionalen Medien auszuschalten,
um auch im Feindesland die Informationshegemonie zu erlangen. Das afghanische
Radio wird in der ersten Angriffswelle bombardiert, ebenso die lokale BBC in Kabul.
Zum ersten Mal in der neueren Kriegsgeschichte gibt es jedoch eine neue Situation
durch die Existenz des arabischen Nachrichtensenders Al Dschazira, der nicht die
westliche Definition von „Wahrheit“ übernimmt sondern eine tatsächlich
unabhängige Berichterstattung versucht.
Als Mitte Oktober die US-Regierung merkt, dass sie den Informationskrieg
zu verlieren droht, wird die PR-Agentur Rendon Group beauftragt. Einerseits wird
mit der PR-Agentur erforscht, mit welchen Meldungen, Bildern, etc. die Meinung
der eigenen Bevölkerung (auch der Verbündeten) manipuliert werden kann
– ist es ein Zufall, das bald darauf ein Bin-Laden-Video gefunden wurde?
Anderseits dienen sie dazu, die Medienunternehmen mit Quoten hebenden Informationen
und geschickt aufbereiteten Bildern zu füttern, unter anderem im Pressezentrum
in Pakistan, denn diese Art der Informationskonzentration wird von den Journalisten
auch gerne angenommen.
An diesem Punkt treffen sich die Interessen der Militärstrategen und der
Massenmedien: Der Krieg wird mit seiner schnellen Abfolge von Neuigkeiten einer
sensationsgeleiteten Nachrichtenstruktur gerecht. Er liefert das Material, das
die Quotenfixiertheit der kommerziellen Medienkonzerne bedient. Eine fundierte
Recherche der angebotenen Nachrichten findet nicht statt. Nachrichten werden eben
wie andere Produkte auch gemacht. Erst im Nachhinein werden die unbesehen übernommenen
Informationen genauer beleuchtet und dann folgt in der Regel das Eingeständnis
eigener Versäumnisse.
Das Militär geht das kalkulierte Risiko ein, dass ihre Lügen im
Nachhinein rauskommen, denn erstens ist das öffentlich Interesse dann bereits
auf andere News gerichtet, und zweitens hat es keine Konsequenzen für das
zukünftige Verhalten der Medien: Nach dem Golfkrieg wurden in den Medien
Versäumnisse eingestanden und Selbstkritik geübt – was nichts
an ihrem Verhalten im Jugoslawienkrieg änderte. Das gleiche Spielchen wiederholte
sich nach dem Ende des Jugoslawienkriegens – und heute folgen sie wieder
dem altbekannten Strickmuster.
Doch JournalistInnen und Medien schlampen nicht nur im Eifer des Gefechts. Aus
vorauseilendem Gehorsam werden Informationen und Meinungen verschwiegen, denn
„in Kriegszeiten ist das Versäumnis zu lügen eine Nachlässigkeit,
das Bezweifeln der Lüge ein Vergehen und die Erklärung der Wahrheit
ein Verbrechen.“ [Arthur Ponsody, britischer Schriftsteller] Was die wenigen
nicht-konformen JournalistInnen zu spüren bekommen.
Kurz nach dem 11. September nahm der Springer-Verlag in seine Unternehmensgrundsätze,
die von MitarbeiterInnen unterzeichnet werden müssen, folgenden Passus auf:
die „Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und der Solidarität
in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika.“
Hier in der BRD gilt immer noch, dass die öffentlich-rechtlichen Sender
die Vertreter einer objektiven Berichterstattung sind, dass sie jenseits
vordergründiger ökonomischer Interessen der Privaten stehen und somit
die Meinungsvielfalt bewahren. dass dieser Schein trügt, bestätigen
selbst ausländische Korrespondenten wie William Horskey von der BBC, der
dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland vorwirft, den Machthabern
viel zu respektvoll gegenüberzutreten. Und dabei seien doch „in einer
Diktatur Journalisten und Politiker einer Meinung.“ [Hugh Carleton Green,
ehem. Generalintendant BBC].
Vorreiter auch hierbei ist CNN, die in einer internen Dienstanweisung ihre MitarbeiterInnen
dazu aufgefordert hat, bei Berichten über Afghanistan immer die Verantwortung
der Taliban deutlich zu benennen, denn es wäre „pervers“, nur
über zivile Opfer zu berichten.
CNN hat übrigens wenige Tage nach dem 11. September ihre Satellitenanlagen
in Afghanistan aufgebaut. Seit letzter Woche stehen sie in Somalia – und
die deutschen Medien berichten darüber nicht. Denn: Bisher werden weder quotenträchtige
Bilder noch spannend aufbereitete Stories angeboten.
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