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Krieg – Rekolonialisierung und Neuaufteilung
Gegeninformationsbüro 3. Mai 2002


„Kein Blut für Öl“. Mit dieser Parole gingen 1991 zehntausend Menschen gegen den Golfkrieg auf die Straße. Die Parole war mobilisierend und zum Teil inhaltlich richtig, denn es ging in diesem Krieg auch um Öl. Die Antikriegsbewegung nahm jedoch nur den ökonomischen Aspekt des Krieges zur Kenntnis. Der von US-Präsident Bush geäußerte politische Grund für den Angriff auf den Irak – das Durchsetzen einer neuen Weltordnung – wurde nur von wenigen Linken beachtet und analysiert.

Diese neue Weltordnung begann mit einem Krieg, den Krieg gegen den Irak. Der Krieg leitete eine neue Etappe der Aufteilung und Rekolonialisierung der Erde ein. Die USA nutzten die Gunst der Stunde, d.h., dass sie nach dem Zusammenbruch des Ostblocks unangefochtene Führungsmacht waren, um ihre globalen Interessen durchzusetzen. Dieser „neuen Weltordnung“ und der Kriegsentwicklung darin, ging eine beispiellose neoliberale Umstrukturierung der nationalen US-Ökonomie einher.

Die USA schufen die Verwertungsbedingungen, die ihre führende Rolle als Wirtschafts- und Militärmacht der transnationalen Kapitalien festigten. Das politisch-ökonomische Programm formulierte Bill Clinton 1994 so: „Unsere nationale Sicherheitsstrategie besteht darin, die Gemeinschaft der Marktdemokratien zu vergrößern und gleichzeitig eine Reihe von Bedrohungen gegen unsere Nation abzuwehren.“ Marktdemokratie ist ein neoliberaler Kampfbegriff, der alles den sogenannten Marktkräften unterwirft und es zählt nur was Profit bringt.

Deutschland, die EU und Japan hinken der amerikanischen Entwicklung hinterher, sind aber dabei, ihre wirtschaftlichen und politischen Strukturen der jetzigen Etappe bei der Aufteilung der Erde den neuen Vorgaben anzupassen. Wirtschaftlich könnten sich die drei der amerikanischen Konkurrenz stellen, aber der militärische Vorsprung der USA ist nur unter der Bedingung, die Menschen in den eigenen Ländern auszupressen, einigermaßen einholbar.

Der wichtigste Aspekt bei der Einrichtung einer neuen Weltordnung besteht in der Schaffung eines einheitlichen Weltmarktes. Kern dieses Weltmarktes sind die transnationalen Konzerne. Diese Konzerne bestimmen Struktur und Dynamik der kapitalistischen Entwicklung. Allein die 200 größten transnationalen Konzerne erbringen 1/4 der weltweiten Wirtschaftsleistung.

Anhand der Zahlen und dem Wirken der transnationalen Konzerne, können wir davon ausgehen, dass es keinen fairen Handel zwischen Armen und Reichen auf diesem Weltmarkt geben wird. Er dient dazu, die nationalen Märkte zu erobern und die dortige Konkurrenz auszuschalten.

Trotz der transnationalen Verflechtung der Weltwirtschaft und der entsprechenden Strukturen, darf nicht aus den Augen verloren gehen, dass die Konzerne ihr Standbein national als ökonomische und politische Basis aufgebaut haben. Die geostrategischen Interessen der imperialistischen Zentren sind gleich, die Formen des Verlaufs der Durchsetzung ihrer Ziele sind unterschiedlich und hängen von der politischen und ökonomischen Potenz der nationalen Basis ab.

Deutschland versucht sein nationales Interesse innerhalb der EU hegemonial durchzusetzen. Das ist eine der Voraussetzungen, um als „Global-Player“ mitzumischen. Die deutschen Interessen sind uralt: vom Kaiser über Hitler bis Schröder, alle wollten die deutschen Interessen weltweit durchsetzen. Der Eine kam zu spät, der andere verlor den Krieg und nun die Hoffnung, richtig zu liegen. 1944 als sich die Niederlage Deutschlands im 2. Weltkrieg abzeichnete, setzten sich deutsche Politiker und Interessengruppen der Wirtschaft – Nazis und Bürgerliche – zusammen und berieten wie sie nach dem Krieg weiteragieren könnten. Ergebnis war der Plan eines einheitlichen starken Westeuropa. Dieser Plan wird seit 1948 verwirklicht.

Die neue Weltordnung ist eine Kriegserklärung an alle Staaten und Regionen, die sich nicht diesem Diktat unterwerfen. Die Verfügungsgewalt über die globale Entwicklung und Ausbeutung der Rohstoffe beansprucht das imperialistische Staatensystem und die Profite die transnationalen Konzerne. Staaten, die sich dem Rekolonialisierungsdiktat entgegenstellen oder gar verweigern, werden militärisch angegriffen, wenn der zuvor ausgelöste Wirtschaftskrieg erfolglos geblieben ist. Verlagern der Produktion, Importzölle und am Ende wird die Währung dieser Staaten kaputtspekuliert. Staaten und Millionen Menschen werden über Nacht in die Armut gestürzt. (die sog .Tigerstaaten, Argentinien – Kolumbien, Venezuela – Antidrogenkampf/ Staatsstreich).

Rekolonialisierung und Neuaufteilung heißt auch, die einst verlorenen Märkte und Länder zurückzuerobern und zu verhindern, dass jemals wieder Staaten aus der imperialistischen Verfügungsgewalt ausbrechen können. Die Besetzung der Staaten der ehemaligen Sowjetunion zeigt dies deutlich auf. Weltordnung ist Kriegsordnung !

Aus dieser Warte muss die Besetzung der Philippinen, Somalias und der Versuch, einen Fuß in Indonesien reinzukriegen, gesehen werden. Es geht jetzt schon um die Kontrolle der Handelswege. Einige Inseln Indonesiens und der Philippinen sind militärstrategisch für das Beherrschen der Wasserwege im pazifischen Raum von ungeheurer Wichtigkeit für die USA.

Die USA handeln präventiv und möchten nicht wie im 2. Weltkrieg gegen Japan Insel für Insel unter großen Verlusten erobern müssen. Irak, Jugoslawien und Afghanistan stehen als Beispiel für militärische Interventionen parat. Für viele Linke haben die drei Kriege augenscheinlich nicht viel mit einander zu tun, wenn davon abgesehen wird ,dass die Angreifer die selben waren. Inhaltlich ließen sich selbst radikale Linke von der Propaganda der imperialistischen Mächte verwirren und fanden Argumente, die für Interventionen in diesen Ländern sprachen.

Im Irak war es der Überfall auf Kuwait, in Jugoslawien die „ethnischen Säuberungen“ und in Afghanistan die Taliban und der 11. September. Die KritikerInnen des imperialistischen Feldzugs kritisieren zwar die Formen des Krieges, aber nicht die damit einhergehende politischen, ökonomischen und geostrategischen Interessen und deren Durchsetzung. Eine Antikriegsbewegung, die nicht die eigentlichen Gründe und die Ursachen des Krieges erkennt und benennt, die nicht erkennt, dass der Kapitalismus selbst diese Ursachen und Gründe für seine Kriege schafft, ist zum Scheitern verurteilt .

Was dieser Linken nur noch verbleibt ist der Glaube an einem friedlichen Kapitalismus und dessen politische Projektion einer Zivilgesellschaft. Einer Zivilgesellschaft, deren politischer und institutioneller Träger sie auch sind und zwar als Transmissionsriemen zwischen dem sozial-politischen Angriff und seiner repressiven Absicherung in den kapitalistischen Zentren und der Militarisierung der Außenpolitik. Genauer gesagt: diese Linke läuft Gefahr nur linker Teil eines ideologischen Konstrukts der sogenannten gesellschaftlichen Mitte zu werden, die alles, was jenseits der neuen politischen Mitte ist, politisch ausschließt und bekämpft.

Oskar Lafontaine erklärt in der Berliner Urania die Absicht einer weltweiten Installation des zivilgesellschaftlichen Modells. Er geht hier mit Teilen der Linken und der deutschen Außenpolitik konform. Lafontaine, der in Jugoslawien „sauber“ geblieben ist, kann das sozialdemokratisch/grüne Modell nun besser unter die Leute bringen.

Die SPD fährt zweigleisig: Schröder, der uneingeschränkt Solidarität mit den USA einhält und Lafontaine, der die antiamerikanische Politik einläuten kann und dabei linke Unterstützung erhält. Auf der einen Seite Schröder, der den davoneilenden USA die Pfründe nicht allein überlassen will, denn wer jetzt den Anschluss verliert, kommt wieder bei der Verteilung zu spät und auf der anderen Seite Lafontaine, der im Hintergrund die deutschen Interessen ideologisch absichert und den Widerstand an der „Heimatfront“ in die richtigen Bahnen lenken soll.

International sieht das zivilgesellschaftliche Modell in der Praxis so aus: Die NGOs bekommen innerhalb der strategischen Ausbildung der Nationbuilding eine wichtige Funktion zur Schaffung gesellschaftlich stabiler Strukturen. Die NGOs arbeiten im Wesentlichen mit denjenigen Bevölkerungsgruppen, die außerhalb der neuen institutionellen Ordnung stehen. Um ein Ausbrechen dieser Bevölkerungsgruppen zu verhindern, werden durch sozialpolitische Maßnahmen diese Gruppen in die neue Ordnung versucht einzubinden.

Bush selbst kam zu der Erkenntnis, dass es nicht mehr reiche bloß Kriege zu führen. Er sagt: „Wir haben eine Lektion gelernt: wir dürfen nicht einfach mehr weggehen, nachdem wir das militärische Ziel erreicht haben. Es wäre nützlich, wenn die UNO das Nationbuilding übernehmen würde.“

Die Arbeit der NGOs umfasst alle gesellschaftlichen Bereiche und dient auch dazu, die Führungspersönlichkeiten heraus zu finden, die bereit sind mit den Imperialisten zusammen zu arbeiten. Die NGOs sind die modernen Missionare, die unter dem Vorwand zu helfen, die Menschen und Länder für das Ausplündern reif machen. Sie bereiten den Boden für das Ausbreiten der sogenannten Zivilisation im Kampf gegen die „Wilden“. Es sind nicht mehr Geheimdienstler, die diese Länder auskundschaften und eine oppositionelle Bewegung installieren, es sind die „zivilen“ Gruppen die aktiv werden.

Deutschland verfügt noch nicht über das militärische Potenzial einer strategischen Kriegführungsfähigkeit und ist an einer „friedlichen Durchsetzung“ ihres nationalen Interesses interessiert. Der Aufbau einer europäischen schnellen Eingreiftruppe unter deutscher Führung soll diese Fähigkeit herstellen. Der militärtechnische Rückstand der deutschen Ausrüstungen verlangt neue Forschungen und Produktionsweisen. Die neue Taktik, Kampfeinsätze soweit wie möglich ohne eigene Verluste führen zu können, bedarf einer auf das Modernste ausgerüsteten Armee. Unvorstellbare Geldmengen werden dafür benötigt und da die weltpolitische Entwicklung die Regierenden zur Eile drängt, wird sich das Auspressen der Bevölkerung in Deutschland beschleunigen.


Was heißt eigentlich Kriegsführungsfähigkeit konkret?

Deutschland bedarf einer ideologischen Offensive, die Bundeskanzler Schröder „Enttabuisierung des Militärischen“ nennt. Krieg ist nationales Interesse und sichert den Standortvorteil Deutschlands. Aber diese Enttabuisierung heißt auch, dass Deutschland als selbstbewusster, unbelasteter Partner im Krieg auftritt. Alle Positionen die Deutschland nach der Niederlage des 2. Weltkrieges aufgeben musste, werden zurückerobert. Das ist der Grund, weshalb Schröder deutsche Truppen in Palästina haben will. Das wäre die endgültige Freisprechung Deutschlands aus seiner Geschichte.

Kriegsführungsfähigkeit! Ein Beispiel: Die sogenannte Bundeswehrreform. Kern ist ihre militärische Einsatzfähigkeit. Es ist geplant ab 2006 entweder eine große Operation im Ausland oder zwei mittlere Einsätze mit jeweils bis zu zehntausend Soldaten gleichzeitig und mehreren kleinen Kriegseinsätzen durchzuführen.

Ein kurzer Blick auf die derzeitigen Aktivitäten der Bundeswehr gibt folgendes Bild: In Bosnien und Kosovo sind 6400 deutsche Soldaten im Einsatz, in Mazedonien 1000 weitere Soldaten, sowie 1000 in Afghanistan, dazu kommen 100 bis 200 KSK-Soldaten und ein weiteres Bataillon der speziellen Operationstruppe in Kabul. 250 Spezialkräfte in Kuwait, 1800 Marinesoldaten am Horn von Afrika. In Usbekistan, Bahrain und anderen Anrainerstaaten sind kleinere Teile der Bundeswehr stationiert. Das nur mal als unvollständige Aufzählung.

Für diese Kriege muss es im Innern Zustimmung geben. Wie früher der Kaiser keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche kannte, so erzwangen die Nazis durch Ermordung und Einsperrung des Widerstandes die Unterstützung für ihr Vorhaben. Heute setzt Rot/Grün innerhalb ihres zivilgesellschaftlichen Projekts auf den modernen Überwachungs- und Repressionsapparat. Schilys rassistische Ausländergesetze mit Rasterfahndung nach rassistischen Auswahlkriterien und der Einwanderungsgenehmigung nur für Fachkräfte beinhaltet gleich mehrere Aspekte. Zum einem werden Menschen mit bestimmter Hautfarbe oder ethnischer Abstammung diskriminiert und ausgesondert, zum anderen werden Fachkräfte aus den ärmeren Ländern abgezogen, um deren Abhängigkeit zu garantieren. Die Ausbildung bezahlen die Armen und den Nutzen haben die Reichen. Das ist Kolonialismus pur und gleichzeitig benutzt man diese Menschen, um hier die Löhne zu senken.

Das Erfassen der biometrischen Daten aller BürgerInnen und die allumfassende Videoüberwachung der Lebensbereiche erleichtert nicht nur die Fahndung der Polizei nach irgendwelchen Kriminellen, es dient der Vorbereitung eines perfekten Überwachungsstaates. Was in den 70igern von Linksradikalen als institutioneller Faschismus analysiert wurde, tritt nun ins politische Leben ein. Der Faschismus der glatzköpfigen Schläger ist das alte Modell und wird von den Regierenden nach Bedarf aktiviert, die gefährlichere Variante, der Faschismus, der aus den Institutionen der Herrschenden kommt, kommt in den Faschismus-analysen zu kurz. [Missbrauch des SICHERHEITsdenkens]

Die Antwort kann nur sein, die Lebensbereiche selbstbestimmt von Unten zu erobern und zu gestalten. Alle Ansätze der Repression die unsere politischen Entfaltungsmöglichkeiten beschränken, zurückzuweisen und zu bekämpfen. Die zunehmenden Demonstrationsverbote nicht zu akzeptieren. Wir werden bei unserem Widerstand keine Formen des Kampfes ausschließen, weder militante noch friedliche.

Verhindern wir die imperialistischen Ziele und sagen mit Rosa Luxemburg:

Sozialismus statt Barbarei
 3. Mai 2002