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Weg mit der Kriegsagenda 2010 –
Freiheit für die Gefangenen vom 1. Mai
Gegeninformationsbüro 27. August 2004


„Unsere Agenda heißt Widerstand“. Am 1. Mai 2004 demonstrierten unter dieser Parole mehrere tausend Menschen von Mitte nach Kreuzberg. Um 19 Uhr trafen sich dann einige hundert Menschen am Heinrichplatz zu einer unangemeldeten Demonstration. Diese richtete sich gegen das Verbot eine 1. Mai-Demonstration in Kreuzberg durchzuführen.

Die Behauptung, die Kreuzberger Bevölkerung würde die 1. Mai-Demo nicht wollen, wurde an diesem Abend widerlegt. Unter dem Beifall vom Straßenrand und aus den Fenstern wurde der Demozug begleitet und er wuchs auf gut 2000 Menschen an. Dass es nach dem Verbot zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam, war vorprogrammiert.

Das Bezirksamt Kreuzberg/Friedrichshain und die Berliner Polizei organisierten mit Hilfe einer Handvoll Gewerbetreibender zum zweiten Mal ein unpolitisches Saufgelage am 1. Mai. Mit solchen „Straßenfesten“ wollen sie die politischen Inhalte des 1. Mai verdrängen. Der Innensenator finanziert dieses Ereignis mit 130 000 Euro. 130 000 Euro, die sie nicht etwa ausgeben, um den Kinderbauernhof zu erhalten, Kitaplätze zu sichern oder andere soziale Einrichtungen zu unterstützen. Sie geben das Geld aus, um für diesen einen Tag Ruhe und Ordnung in SO36 herzustellen.


Kreuzberg ist und bleibt Widerstand!

Die Diskussionen darüber, ob und was für einen Sinn die militanten Auseinandersetzungen seit 17 Jahren in Kreuzberg haben, finden wir richtig. In solchen Kontroversen lassen sich Taktiken und Strategien für einen erfolgreichen Kampf entwickeln. Falsch finden wir es, die Diskussionen über Militanz als Hebel zu benutzen, um die existierenden politischen Probleme in den Hintergrund zu drängen.

In der Vergangenheit galten Kämpfe mit der Polizei als politisch motiviert, weil es um Hausbesetzungen ging. Das Aufbäumen der Kreuzberger Jugendlichen wird zu unpolitischen Krawallen erklärt, indem ihnen die Fähigkeit und das Recht auf Widerstand gegen ihre beschissene Lage einfach abgesprochen wird. Dass diese Jugendlichen einmal im Jahr die Möglichkeit sehen, ihren Frust gegen den täglichen Rassismus und gegen ihre ungewisse soziale Zukunft im Kampf gegen die Polizei rauslassen zu können, ist ebenfalls eine politische Äußerung

Unser Interesse bei diesem politischen Straßenfest ist nicht nur die Solidarität mit den Gefangenen des 1. Mai auszudrücken, sondern auch an die vielen Menschen zu erinnern, die durch Polizeieinsätze schwer traumatisiert wurden und unter den Folgen noch immer leiden. Wir wollen weiter die Diskussionen über Sinn und Zweck von politischer Arbeit und von Demonstrationen im Kiez.

Wir wollen sie aber nicht mit Leuten, deren politisches Interesse darin besteht Friedhofsruhe in Kreuzberg zu produzieren und diesen Bezirk zu befrieden. Ziel der Befriedungsstrategen ist es, Kreuzberg zu einem hauptstädtischen Innenstadtbezirk umzustrukturieren. Berlin soll die Machtzentrale, soll Dreh und Angelpunkt des europäischen Imperialismus werden. SO36 ist ein „Schmutzfleck“ und der muss weg. Für die Regierenden geht es darum, die Widerstandskultur in Kreuzberg zu zerschlagen. Kreuzberg ist ein armer Bezirk, hier ist die Lebenserwartung geringer als in anderen Landesteilen. In Kreuzberg ist aber die Solidarität für Unterdrückte und Ausgegrenzte größer. Ob aus Bayern, Afrika, Asien oder auf der Straße lebend, hier fanden und finden Menschen, trotz vieler Probleme mehr Toleranz und Hilfe.


Wir sind alle betroffen

Nicht nur Hartz IV, die gesamte Agenda 2010 bedroht die Existenz von Millionen. Die ökonomischen Folgen der Agenda 2010, wie Ausweitung des Billiglohnsektors, Wegfall des Kündigungsschutzes, Jobs für ein bis zwei Euro Stundenlohn, Raub der angesparten Lebensversicherungen und Ausbildungsversicherungen, Verweigerung ärztlicher Hilfe, werden sichtbar. Die Armen wird man am fehlenden Gebiss erkennen. Bildung wird es nur für Reiche geben. Zum ersten Mal in der Geschichte der BRD macht der Raub auch vor dem „Mittelstand“ nicht halt. Diese Schicht, in die Erwerbslosigkeit getrieben, wird ihr angespartes Geld verbrauchen müssen, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II erwerben zu können.

Sichtbarer werden auch die politischen Folgen der Agenda 2010. Das Erfassen der biometrischen Daten aller Bürger und die allumfassende Videoüberwachung unserer Lebensbereiche dient der Vorbereitung einer „perfekten Überwachung“. Der „Autoritäre Ordnungsstaat „soll den Widerstand gegen Kriege und Agenda in den Griff bekommen.

Der Ruf: „Wir sind das Volk“, mag auf viele Linke abschreckend wirken, doch die Menschen drücken hier nichts Völkisches aus. Sie wollen nicht mehr hinnehmen, das Politiker und Wirtschaftsbosse uns zu willenlosen Objekten degradieren. Alle vier Jahre ein Kreuz machen reicht uns nicht mehr, gerade dann nicht, wenn dieses Kreuz zu schwer zum Tragen wird. Wir wollen selbstbestimmen, wir haben das Sagen.

Distanzieren und ausgrenzen werden wir nur die, die wachsende Armut für ihre rassistischen Ideen missbrauchen wollen, wie rechtsradikale Parteien. Unser politischer Inhalt ist und bleibt der Internationalismus!


Widerstand gegen die Zerstörung erkämpfter sozialer Errungenschaften

Zehentausende demonstrieren jeden Montag in der gesamten Bundesrepublik gegen Hartz IV. Die herrschenden Politiker werden nervös und diffamieren die Demonstranten. Der Begriff „Montagsdemonstration“ sei nur denen vorbehalten die vor 15 Jahren gegen die „SED-Diktatur“ auf die Straße gegangen sind. Vor 15 Jahren hätten die Menschen gewusst was richtig und falsch war. Heute seien sie dumm, irregeleitet und reagieren hysterisch auf Hartz IV.

Die Bundesregierung wird eine neue, millionenteure Glanzbroschüre herausbringen, um den Demonstranten gegen Hartz IV die Arbeitszeitverlängerungen, Rentenabbau, Kürzungen der Leistungen der Krankenkassen und so weiter genauer zu erklären.

Das Modul 13, das Propaganda und Medienmodul des Hartz-Gesetzes, soll greifen. Tausende staatstreue Journalisten starten in den Krieg gegen die Köpfe. Diese Journalisten werden uns weismachen, dass unsere Realität nicht der Wirklichkeit entspricht. Armut ist Reichtum, kalt ist warm, Krieg ist Frieden – mit dieser Logik werden wir seit Jahren von den Herrschenden und ihren Medien berieselt.

Der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht. Er ist schon lange gebrochen und nun gehen Menschen für ihre Rechte auf die Straße. Noch sind die Forderungen ökonomischer Natur. Die Rückkehr zu den alten sozialen Leistungen und Arbeitsplätzen wird gefordert. Es ist jedoch nicht die Arroganz der Macht, nicht das fehlende Geld, was Politiker zu diesen Gesetzen und den Raub des gesellschaftlichen Reichtums treibt. Es ist die kapitalistische Logik, die kapitalistische Diktatur, die sie anspornt uns die Taschen zu leeren.


Rekolonialisierung der Welt

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem sozialistischen Lager, verkündete US-Präsident Bush sen. eine neue Weltordnung. Diese neue Weltordnung ist nichts anderes als die Aufteilung und Zerschlagung der Nationen, die sich dem Druck imperialistischer Länder und Blöcke nicht beugen wollen. Neu ist an dieser Ordnung die Zusammensetzung der konkurrierenden imperialistischen Staaten. Neu ist auch, dass sich ehemalige Verbündete im Kampf gegen den Sozialismus (zum Beispiel Taliban), nun nicht mehr sicher sein können von ihren nordamerikanischen oder europäischen Freunden nicht überfallen zu werden.

Der Wettlauf um die Rohstoffe und Ressourcen und um die Führungsrolle in der Welt wurde mit dem Krieg 1991 gegen den Irak wieder aggressiver. Das Schlagwort von einer Rekolonialisierung der Erde machte die Runde. Kriege gegen Somalia, Jugoslawien, Afghanistan und wieder gegen den Irak waren die Folge.

In Südamerika versuchen die USA über ein so genanntes Freihandelsabkommen, den Kontinent besser ausplündern zu können. Der Widerstand dagegen ist zurzeit so groß, dass es den USA nicht gelingt, die Militärs zum Putschen zu bewegen und faschistische Diktaturen zu errichten.

Viele afrikanische Länder wie Kenia, Elfenbeinküste, Liberia und Kongo haben ausländische Besatzungstruppen im Land.

Die Regierung des Sudan, eins der nächsten Angriffsziele, hätte ihre Politik gegenüber der schwarzen Bevölkerung noch lange weiter betreiben können ohne sich über die Aufregung in den USA und Deutschland Sorgen machen zu müssen.

Das Problem erwuchs aus den Erdölfunden in Darfur. China ist der große Erdölproduzent im Sudan, ein neuer kapitalistischer Konkurrent auf dem Weltmarkt. Deutschland will im Sudan eine Eisenbahn bauen, andere Staaten eine Pipeline. Die Interessen liegen offen und nun nutzt man den Konflikt um Wasser- und Wanderrechte zwischen Nomaden und Flüchtlingen um den Sudan zu erobern.

Deutschland ist immer dabei: bemüht, die alten imperialistischen Träume der Herrschenden, diesmal mit Hilfe europäischer Verbündeter, zu verwirklichen. Das Trauma des deutschen Kapitalismus, bei der Aufteilung der Welt zu spät zu kommen, darf diesmal nicht zugelassen werden.


Deutschland ist im Krieg

Kriege sind teuer und das benötigte Geld für Raubzüge und Aufrüstung wird über die Agenda 2010 eingetrieben, so Kriegsminister Struck in der Süddeutschen Zeitung vom 4. Februar 2004.


Die Agenda 2010 ist eine Kriegsagenda!

Deutschland verfügt noch nicht über das militärische Potenzial einer strategischen Kriegsführung. Der Aufbau einer europäischen schnellen Eingreiftruppe unter deutscher Führung soll diese Fähigkeit herstellen.

Der militärische Rückstand der deutschen Ausrüstungen verlangt neue Forschungen und Produktionsweisen. Die neue Taktik, Kampfeinsätze soweit wie möglich ohne eigene Verluste führen zu können, bedarf einer auf das Modernste ausgerüsteten Armee.

Unvorstellbare Geldmengen werden dafür benötigt und da die weltpolitische Entwicklung die Regierenden zur Eile drängt, wird sich das Auspressen der Bevölkerung in Deutschland beschleunigen.


Kriegsführungsfähigkeit

Ein kurzer Blick auf die derzeitigen Aktivitäten und offiziellen Zahlen der Bundeswehr ergibt folgendes Bild:

In Bosnien und Kosovo sind 6400 deutsche Soldaten im Einsatz, in Mazedonien 1000 weitere Soldaten, sowie 1000 in Afghanistan. Dazu kommen 120 bis 200 KSK-Soldaten und ein weiteres Bataillon der speziellen Operationstruppe in Kabul. 250 Spezialkräfte in Kuwait, 1800 Marinesoldaten am Horn von Afrika. In Usbekistan, Bahrain und anderen Staaten sind kleinere Teile der Bundeswehr stationiert.

Diese Aufzählung ist unvollständig, da uns die Bundeswehr mit der Veröffentlichung unterschiedlicher Zahlen über die wirkliche Anzahl der Kampfeinsätze und stationierter Soldaten täuscht.

Über die gesamten Kosten der Kriegseinsätze werden wir auch betrogen. Die Logistik der Einsätze wird nicht mitgerechnet. So benötigt das Militär für jeden Soldaten im Kampfeinsatz zwei bis vier weitere Soldaten um die „Kampffähigkeit“ zu erhalten.

Noch weniger erfährt die Öffentlichkeit über die Anzahl der getöteten Soldaten, sowie die Kosten für Witwen- und Waisenrenten.

Wir wollen aber bei allen Ausgaben nicht vergessen, dass deutsche Soldaten – und hier insbesondere die KSK (Krisensicherheitskräfte) – in Afghanistan, Kosovo, Mazedonien und am Horn von Afrika töten. Den Blutzoll deutscher Einsätze entrichtet die Bevölkerung in diesen Ländern.


Für uns kann das nur heißen:
Weg mit der Kriegsagenda 2010
Weg mit Hartz VI
Kriege verhindern, Kapitalismus abschaffen
Freiheit für die Gefangenen vom 1. Mai
Ihr seid für uns drinnen – wir sind für Euch draußen
Unsere Agenda heißt Widerstand


Gegeninformationsbüro Berlin
 27. August 2004