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1. Mai 2004 – Naziaufmarsch verhindern!
www.mai-berlin.de.vu 9.
März 2004
Am 1. Mai 2004 rufen NPD und „freie Kameradschaften“ gemeinsam zu
einem Aufmarsch unter dem Motto „Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn“
in Berlin auf. Damit greifen sie in diesem Jahr die in der Linken breit diskutierte
Kritik an der kapitalistischen Globalisierung auf und nutzen dieses Thema, um
ihre menschenverachtenden, rassistischen, antisemitischen und völkischen
Inhalte auf die Strasse zu tragen. Im Gegensatz zu den letzten Jahren schafften
es NPD und große Teile der „freien Kameradschaften“, sich auf
eine zentrale Kundgebung zu einigen. Die gemeinsame Mobilisierung zu einem zentralen
Aufmarsch liegt besonders im Interesse der NPD, die versucht, ihre durch Austritte,
V-Mann-Skandale und große Konkurrenz durch die „freien Kameradschaften“,
geschwächte Position aufzuwerten. Der gemeinsame Aufruf von NPD-Bundesvorstand
und „Aktionsbüro Norddeutschland“ soll Einigkeit demonstrieren
und die bisherige Aufspaltung der Nazidemos am 1.Mai verhindern. Daher ist auch
in diesem Jahr mit einem Aufmarsch mehrerer Tausend Alt- und Neonazis in Berlin
zu rechnen.
Die seit Mitte der 90er Jahre steigende Zahl von kleinen und großen Aufmärschen
hat für die organisierte Rechte verschiedene Funktionen. Rechte Diskurse
und Symbole sollen in der Öffentlichkeit permanent vorhanden sein, die eigene
Stärke demonstriert werden, das Gemeinschaftsgefühl der eigenen Szene
gefestigt und Jüngere und Unorganisiertere stärker mit einbezogen werden.
Bereits seit dem Jahr 2000 ist der NPD-Aufmarsch am 1. Mai in Berlin für
die Nazis zum festen Bestandteil ihrer jährlichen Rituale geworden. Wurden
die Aufmärsche in den Jahren 2000 bis 2002 noch per Gerichtsbeschluss in
die Berliner Randbezirke verbannt, konnten die Nazis im letzten Jahr erstmals
durch den Berliner Westen marschieren und mit einer Teilnehmerzahl von über
zweitausend einen weiteren Erfolg in der wachsenden Reihe rechtsextremer Großveranstaltungen
verbuchen. Antifaschistischer Protest hingegen fiel eher gering aus und wurde
zudem durch ein Großaufgebot der Polizei fast unmöglich gemacht. Zwar
gelang es in den letzten Jahren vereinzelt, die Anfahrt der Nazis zu erschweren,
dennoch war weder ein Herankommen an den Aufmarsch noch dessen Behinderung möglich.
Wir rufen alle auf, dem Treiben der Nazis, ob NPD oder Kameradschaften, nicht
tatenlos zuzusehen und gemeinsam den Aufmarsch der Rechten anzugreifen und zu
verhindern!
NPD und Kameradschaften
Als Anfang der Neunziger einige Neonazi- Organisationen verboten wurden (FAP,
Wiking Jugend, NA, NF), traten viele Kader der NPD bei. Sie engagierten sich dort
vor allem in der Jugendorganisation „Jungen Nationaldemokraten“ (JN).
Dadurch und durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit bekam die vor sich
hindümpelnde Partei neuen Schwung. Seit 1998 konnte sie wöchentlich
zu Aufmärschen im ganzen Bundesgebiet mobilisieren, die bis zu mehreren tausend
TeilnehmerInnen auf die Beine brachten. Die NPD versteht sich als Sammelbecken
für diverse rechte Strömungen, von radikal-gewaltverherrlichend bis
zu rechts-konservativ. Neben der erstarkten NPD bildeten sich neue Strukturen,
sogenannte „Kameradschaften“. Etliche Kader ziehen diese Organisierung
vor, da die Kameradschaftsstrukturen nicht so leicht durch staatliche Repression
zu treffen sind. Kameradschaften arbeiten in lockeren bis straff strukturierten
Zusammenhängen, organisieren Aufmärsche, betreiben eigene Homepages,
verfügen über Versandstrukturen, Läden und Kneipen. Sie fühlen
sich insofern „freier“, als die NPD, als dass sie untereinander durch
eine gemeinsame nationalsozialistische Ideologie verbunden sind, nicht durch ein
Parteibuch. Trotzdem sind viele Kameradschaftsführer gleichzeitig in NPD
und Kameradschaft organisiert. Die NPD muss sich als Partei an das Grundgesetz
halten, kann zumindest nicht offen zu Gewalt aufrufen. Die freien Kameradschaften
sehen sich im Gegensatz dazu als gewaltbereite Nationalrevolutionäre; ihnen
ist die NPD zu hausbacken, zu systemkonform, zu legalistisch. Einige der radikalen
Kameradschaften wendeten sich deshalb von der NPD ab.
Mittlerweile wird Einigkeit, wie auch dieses Jahr am 1. Mai, wieder vermehrt in
den Vordergrund gestellt. Um die „nationale Bewegung“ nicht durch
Spaltung zu schwächen, werden strukturelle Widersprüche zurückgestellt.
Kleine Geschichte des Ersten Mai
Das erste Mal wurde zum 1. Mai 1886 von Arbeiten in Chicago zur Durchsetzung des
Achtstundentages demonstriert. Traditionell demonstriert an diesem Datum die internationale
Arbeiterschaft, um für ihre Rechte zu kämpfen. Trotz der Heterogenität
der Forderungen lassen sie sich zu zwei Hauptströmungen zusammenfassen. Die
Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen durch Reformen auf der einen Seite,
der radikale Umsturz des Systems für eine befreite Gesellschaft. Auch in
Deutschland demonstrierten am 1. Mai sozialdemokratische und kommunistische ArbeiterInnen
für ein besseres Leben. Unter der NSDAP ab 1933 wurde der 1. Mai zum Feiertag.
Der „Tag der ArbeiterInnen“ wurde zum „Tag der Arbeit“
erklärt. Die NSDAP wollte damit die Konfrontation nicht mehr zwischen Arbeitern
und Kapitalisten verlaufen lassen. Alle „Arier“ sollten am gemeinsamen
„Aufbauwerk“ Deutschland mithelfen. ArbeiterInnen-Forderungen wie:
höhere Löhne, Sozialversicherungen, kürzere Arbeitszeit galten
als Sabotage an dem gemeinsamen Ziel „Großdeutschland“. Gewerkschaften
und Industrielle sollten nicht mehr gegeneinander arbeiten, sondern als „Volksgemeinschaft“
miteinander kooperieren. Die Konsequenz war das Verbot aller Gewerkschaften und
die Organisierung ihrer Mitglieder in der „Deutschen Arbeitsfront“.
Das Aufgreifen von Traditionen der linken ArbeiterInnenbewegung, um sie in einen
nationalsozialistischen Diskurs einzubinden ist historischer Bestandteil nationalsozialistischer
Politik. Dieses Erbe treten NPD und Kameradschaften an, wenn sie sich heute linke
Parolen und Traditionen zueigen machen wollen. In dieser Kontinuität stehen
Forderungen der Nazis nach einem nationalen „schwarzen Block“, selbstverwalteten
„nationalen“ Jugendzentren, „Nationaler“ Revolution usw.
Trotz all dieser Anlehnungen an linke Politik bleibt ihr Inhalt doch klar erkennbar.
Die Menschheit wird entlang von konstruierten Identitäten, wie Rasse, Nation,
Volk, Geschlecht, Kultur aufgespaltet und bewertet.
Globalisierungskritische Nazis ...
„Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn“. Das Motto des
diesjährigen Naziaufmarsches ist bezeichnend für die Versuche der Nazis
ein nationalsozialistisches Gesellschaftsmodel mit aktuellen Diskussionen, besonders
der Linken, zu verknüpfen. In der „Volksgemeinschaft“ wird eine
Gesellschaft konstruiert, die mittels doppelter Ausgrenzung, nach Außen
und nach Innen, eine innere Homogenität herstellen soll.
Die Nazis sehen in der Globalisierung ein größtenteils von den USA
gesteuertes Projekt, das Deutschland der Macht ausländischer Firmen ausliefern
würde. Der „Volkskörper“ könnte sich nicht mehr gegen
die Vermischung mit „fremden Blut“ und „fremder Kultur“
wehren und würde dadurch geschwächt. Deutschlands einzige Chance bestehe
in der Abschottung der Grenzen und wirtschaftliche Autarkie.
Die Antiglobalisierungsbewegung, die sich aus der internationalistischen Bewegung
der Linken entwickelt hat, erregt seit Seattle 1999 weltweites Interesse. Auch
die großen Demonstrationen in Prag, Göteborg, Davos und Genua fanden
ein weltweites Medienecho. Die linke Antiglobalisierungsbewegung richtet sich
gegen die Globalisierung des Kapitals und der Märkte, bei gleichzeitig immer
undurchlässiger werdenden Grenzen, zum Beispiel der Festung Europa. Dadurch,
dass das Antiglobalisierungsspektrum mittlerweile von Anarchisten, Kommunisten,
FeministInnen, Gewerkschaftlern, Bürgerrechtsbewegungen, NGO’s bis
zu Christen und Nationalisten reicht, finden die Nazis inhaltliche Übereinstimmungen.
Ins besondere verkürzte Kritik an der kapitalistischen Globalisierung, ist
eine Schnittstelle zu ihrer eigenen Ideologie. Kritik der Antiglobalisierungsbewegung
kann nicht darin bestehen, den Nationalstaat zu stärken. Solche Ansätze
machen rechte Konzepte wieder diskutierbar. Die Antwort der Nazis auf die Globalisierung
lautet, Abschottung des Nationalstaates. Unsere Antwort heißt, Globalisierung
des Widerstandes gegen den Kapitalismus, Globalisierung von sozialer Gerechtigkeit.
Organisiert den breiten antifaschistischen Widerstand! Verhindert bundesweit
die Anreise von Nazis zu dem geplanten Aufmarsch nach Berlin! Verhindert, das
Nazis und ihre menschenverachtene Ideologien öffentlich toleriert werden!
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