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nulltarif.tk – gute Umsonstfahr-Seite
Revolutionäre Zellen (RZ) zu Umsonst-Fahr-Aktionen
www.idverlag.com 2. Mai 2004


Falsche Karten – flambierte Automaten: Fahrpreiskampf (1975)

In fast allen Großstädten wurden 1975 die Fahrpreise erhöht. Nachdem im Frühsommer in Hannover und Heidelberg Zehntausende auf den Straßen kämpften, wurden in der Folge alle Versuche, eine Mobilisierung über die Linke hinaus zustande zu bringen, von der Staatsgewalt militärisch zunichte gemacht. Demonstrationen wurden zusammengeknüppelt, Flugblattverteiler festgehalten, in München wurden kürzlich Plakatekleber sogar in Untersuchungshaft genommen. Dennoch wäre es falsch zu glauben, die Verkehrsgesellschaften, die ja meist in städtischem oder staatlichem Besitz sind, würden mit ihren Preiserhöhungen und der Zerknüppelung jeden Protestes Unterstützung finden. Niemand ist so verrückt, hohe Fahrpreise gutzuheißen. Zugenommen hat vor allem der individuelle Widerstand oder der von Kleingruppen, der sich in drei Dingen besonders ausdrückt:
  • die Zahl der Schwarzfahrer hat zugenommen; nicht umsonst nahm die Zahl der Kontrolleure in vielen Städten überdimensional zu

  • es ist im letzten Jahr erstmals in vielen Städten zu Sabotageaktionen gegen Entwerter und Fahrkartenautomaten gekommen

  • es gibt mehr Auseinandersetzungen mit Kontrolleuren, die mehr und mehr zu einer Privatpolizei werden.
Auch wenn all diese Aktionen in der Regel unorganisiert und ohne Kontinuität bleiben, so bringen sie jedenfalls mehr als die verbalen Proteste der Linken zum Ausdruck, dass der Kampf für den Nulltarif eine praktische Sache ist und nicht auf die Zukunft vertagt werden muss. Der Kampf gegen hohe Fahrpreise ist auch keine Frage einer Kampagne, sondern die eines täglichen, andauernden Kampfes. Nicht die Erhöhungen der Fahrpreise sind Anlass fürs Schwarzfahren, sondern die Tatsache, dass man selber dafür zahlen soll, wenn man zum Betrieb oder zum Einkaufen fährt.

So wie man ständig gegen Ausbeutung und Unterdrückung in der Fabrik angehen sollte, so notwendig ist dies auch außerhalb der Fabrik. Dies um so mehr, als bereits angekündigt wurde, dass es von nun an jährlich zu Fahrpreiserhöhungen bei den öffentlichen Verkehrsmitteln kommen werde.

Die Revolutionäre Zelle hat an diesem Widerstand mit mehreren Aktionen teilgenommen, hat versucht, ihn zu verbreitern und Vorschläge für neue Aktionsformen entwickelt.
  • Wir haben zweimal in Westberlin, am 16. Juli und 17. November 1975 insgesamt 120 000 Sammelfahrkarten im Wert von 360 000 DM verteilt. Die Karten wurden zusammen mit einem Flugblatt der Revolutionären Zelle in Arbeitervierteln in die Briefkästen gesteckt. Wir haben damit von dieser Sammelkarte mehr in Umlauf gebracht, als die Berliner Verkehrsgesellschaft selbst. Zu beiden Terminen haben wir mit unserem UKW-Sender Musik- und Informationsprogramme ausgestrahlt, die im Umkreis von ca. zehn Kilometer gut verständlich waren.

  • Während es in Westberlin angemessen war, Fahrkarten nachzudrucken, da diese erst in Bus bzw. Bahn entwertet werden, ist in Frankfurt die Situation vollständig anders. Der Frankfurter Verkehrs Verbund (FVV) hat 1974 an jeder Haltestelle einen kostbaren Automaten aufstellen lassen, aus dem der Fahrschein mit Aufdruck herauskommt. Wenn diese Automaten nicht mehr funktionieren, kann niemand mehr eine Fahrkarte lösen, d.h. niemand braucht mehr eine zu haben. Am 8. und 20. Oktober haben wir mit Brandsätzen zehn dieser geldgierigen Roboter zerstört. Auf überall in Frankfurt verteilten Flugblättern haben wir außerdem Tipps gegeben, wie man auch mit einfacheren Mitteln die Automaten zumindest kurzfristig lahm legen kann.

  • Wir haben am 16. Oktober auch in Köln zwei Brandsätze in Fahrkartenautomaten gelegt, die aber aufgrund technischer Mängel nicht zündeten. Es gibt viele Möglichkeiten, den Protest gegen Fahrpreise auszudrücken. Die Aktionen der Revolutionären Zelle sollten den Widerspruch zwischen allgemeinem Protest gegen die Fahrpreise und völliger Ratlosigkeit über die zu benutzenden Kampfformen aufgreifen. Sie haben eine Identifikationsmöglichkeit geschaffen, die Worte und Parolen alleine nie herstellen.
Es ist lächerlich und wirklichkeitsfremd, wenn gerade in diesem Zusammenhang vor kurzem in Westberlin auf einem teach-in behauptet wurde, die Unmöglichkeit der Stadtguerilla in der BRD erweise sich daran, dass die von uns verteilten Fahrkarten alle an die Bullen zurückgegeben worden seien. So dumm dies zu behaupten, sind nicht einmal die Bullen selber. Von den 120 000 Karten wurden höchstens 15 000 zurückgegeben; davon waren ca. 3000 in Tüten, die wir stehen lassen mussten. Nicht einmal zehn Prozent der Karten sind zurückgegeben worden. Viele Arbeiter, Hausfrauen, die CDU und SPD wählen, sind mit gefälschten, von einer revolutionären illegalen Organisation verteilten Karten bewusst gefahren. Wir halten das nicht für ein Beispiel für die Unmöglichkeit von Stadtguerilla in der BRD, sondern für ein kleines Beispiel, wie man Widersprüche im Bewusstsein aufgreifen, es an einem Punkt gegen die bürgerliche Gesellschaft und ihre Verhaltensformen wenden und eine wirkliche Klasseneinheit herstellen kann. Unter deutschen Verhältnissen halten wir es schon für beachtlich, wenn einige zehntausend Leute etwas Illegales machen und noch mehr das unterstützen.

Nicht allein die Revolutionäre Zelle hat diese Möglichkeiten illegaler Politik erkannt und genutzt. In München wurden 70 Automaten mit Kalkbrei behandelt, Geld und Karten wurden entnommen. In vielen Städten wurden Schwarzfahrertipps verteilt und geklebt: oft getarnt als „offizielle“ Mitteilungen der betreffenden Verkehrsgesellschaften [...]


Brandanschlag auf die Schwarzfahrerkartei des Frankfurter Verkehrsverbundes (September 1976)

Wir haben heute schon unser Weihnachten gehabt. Der Lichterglanz kam aus der Bußgeldstelle des Frankfurter Verkehrsverbundes, da wo sie die Schwarzfahrer erfassen und bearbeiten – dort haben wir Feuer gelegt. Wer also in letzter Zeit schwarzgefahren ist: nicht zahlen, das wäre rausgeschmissenes Geld. [...]


Brandanschlag auf die Schwarzfahrerkartei Berlin (Juni 1977)

In den Zeitungen von Dienstag und Mittwoch konnten wir es lesen und überzeugend sehen: die drei Räume der Schwarzfahrerkartei sind vollständig ausgebrannt – sogar der Putz kam von den Wänden!

Jetzt will uns die BVG weismachen, dass die Schwarzfahrerkartei in diesen Räumen als einziges von den Flammen verschont blieb (sind die Karteikarten aus Asbest?).

Das ist eine Notlüge der BVG, die denselben Trick versucht wie der Frankfurter FVV, als die RZ vor eineinhalb Jahren dort die Schwarzfahrerkartei abbrannte und hinterher auch behauptet wurde, dass nichts vernichtet worden ist. Wir hatten uns vor der Aktion davon überzeugt, dass die Schwarzfahrer der letzten zwölf Monate jeweils in Büchern handschriftlich notiert wurden und diese Bücher nach Büroschluss in den Schreibtischschubladen aufbewahrt wurden. Die Inneneinrichtung – alles aus Holz – ist aber vollständig verkohlt!

Also, keine Angst, liebe Schwarzfahrer, wer in den letzten zwölf Monaten geschnappt wurde, der ist jetzt aus der Kartei gelöscht. [...]


Zur Aktion gegen auf die Berliner Verkehrsgesellschaft (August 1977)

Es ist nicht unsere Absicht, die BVG sinnlos zu zerstören. Busse und Bahnen sollen unbehindert fahren, aber umsonst!!!! [...]


Aktionen gegen Fahrscheinkontrolleure, Frankfurt (März 1978)

Wir sind gestern Nacht einigen Fahrscheinkontrolleuren des FVV etwas näher auf den Pelz gerückt:
  • Dem jungvermählten FVV-Ehepaar [...] haben wir ihren Fiat mit Benzin und Petrolium flambiert.

  • dem Kontro [...] haben wir mit einem kleinen Sprengsatz den Hauseingang verschönert.
Wir meinen, dass es höchste Zeit wird, dort anzugreifen, wo wir täglich getroffen werden: Das sind beim FVV die täglichen massenhaften Fahrkartenkontrollen auf dem Hintergrund von
  • Fahrpreiserhöhungen bis zu 50 Prozent, die sich vor allem gegen diejenigen wenden, die sich ihnen am wenigsten entziehen können, weil sie mit der FVV zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen usw. fahren müssen;

  • die Verdoppelung des Schwarzfahrerbußgelds von 20 DM auf 40 DM
gewinnen diese Kontrollen eine immer widerlichere Bedeutung: sie treffen nicht nur die bewussten Schwarzfahrer, sondern vor allem Leute, die gezwungen sind, schwarzzufahren, weil ihnen das Geld fehlt [...] Zu den Geldbußen kommen Strafbefehle, Vorstrafen oder gar Knast.

Mit dem Ende des „deutschen Wirtschaftswunders“ und dem immer unverschämter werdenden Klau aus unseren Haushaltskassen geht einher ein neues „Wirtschafswunder“, das Wirtschaftswunder der Parasiten dieses Systems. Des Kontroll-, Bespitzelungs- und Überwachungsapparates. Totale Computererfassung, Wiedereinführung des Nazi-Blockwartsystems (heute nennen sie das „Kontaktbereichsbeamte“), tägliche Verkehrskontrolle, personelle Aufstockung der staatlichen und privaten Bullen, Werkschutz, Kaufhausdetektive, Straßenbahnkontrolleure und private Bewachungsunternehmen. [...]

Die Kontrolleure sollen ihren Schweinejob aufgeben – und zwar schleunigst! [...]


Verteilung gefälschter Fahrkarten, Ruhrgebiet
(März 1981)


Die Fahrkarten des VRR, die Montagmittag, den 30. März 1981 in verschiedenen Städten des Ruhrgebietes, in Hagen, Dortmund, Bochum, Recklinghausen, Gelsenkirchen, Essen, Wuppertal, Bottrop, Oberhausen, Duisburg, Mülheim, Krefeld, Mönchengladbach und Düsseldorf verteilt worden sind, als Hauswurfsendungen, sind von uns selbst in eigener Herstellung gefertigt worden. Zigtausende gefälschter Fahrkarten aller Preisstufen. Das gibt wenigstens ein paar tausend Menschen im Revier die Gelegenheit, in den Genuss eines kostenlosen Nahverkehrs zu kommen: Null-Tarif mit Fahrscheinen, mal was anderes.

Seit zehn Jahren, seit den ersten „Rote-Punkt-Aktionen“ in Hannover, gibt es eine Bewegung für den Null-Tarif. Diese Bewegung hat alle guten Gründe auf ihrer Seite. Dass sie dennoch selbst mit ihrer Minimalforderung „kostenloser Nahverkehr“ auf Granit stößt, hat mit dem Prinzip der Kostendeckung nichts, aber auch gar nichts zu tun. Es geht um ein anders Prinzip, mit dem nicht gebrochen werden darf: Leistung kostet was, wo was geboten wird, musst du löhnen. Diese Maxime der Leistungsgesellschaft gilt es zu wahren, selbst um den Preis einer Verkehrspolitik, die den inneren Zusammenhang von kapitalistischem Fortschritt und Zerstörung auf den Begriff bringt.

Dem Moloch Auto wird so lange gehuldigt, bis jegliche Alternative undenkbar und der Wagen zum unentbehrlichen Bestandteil des Lebens geworden ist. Die „alltäglichen“ Nebenerscheinungen: 15 000 Verkehrstote jedes Jahr und 500 000 Verletzte, verwüstete Städte, die nach dem Grundsatz der Befahrbarkeit und nicht nach dem der Bewohnbarkeit geplant werden, statt der Freiheit, die dem Besitzer eines Autos versprochen wird, totale Abhängigkeit. Statt Komfort und Lebensstandard, stickiges Chaos im Dickicht der Straßen, auf denen die bürgerliche Ideologie „jeder gegen alle“ Triumphe feiert.

In vielen Ruhrgebietsstädten haben Gruppen bis hin zu den Grünen die Fahrpreiserhöhungen des VRR zum 1. März 1981 zum Anlass genommen, mit Flugblättern, Demos, Wandmalereien, kleineren Sabotageakten gegen Automaten und Entwerter usw. erneut Null-Tarif zu fordern. Wir begreifen unsere Aktion in diesem Zusammenhang. [...]

Revolutionäre Zellen und Rote Zora


Aktion gegen den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, Gelsenkirchen (Februar 1984)

Seit fünf Jahren pflegt der VRR nun mittlerweile die Tradition neujährlicher Preiserhöhung.

Hat der VRR bei der Ausplünderung seiner Kunden in den letzten Jahren bereits Meilensteine gesetzt, so wartet er dieses Jahr sogar mit zwei besonderen Highlights auf:

Arbeitslose dürfen sich von morgens bis abends auf aussichtslose Arbeitsplatzsuche mit einer preisreduzierten Monatskarte begeben; außer zu den Stoßzeiten, wo sie die Sitzplätze für das arbeitende Volk freizuhalten haben.

Rausgeräumt werden auch die vielen Behinderten, die selbst noch gehen können, aber trotzdem bisher umsonst fahren konnten. Die Opfer der Kriege in den Betrieben und auf der Straße sollen so nicht länger die „heile Welt“ der noch Gesunden trüben.

Unser „Bömbchen“ am Zentralgebäude des VRR in Gelsenkirchen, das wir bewusst so platziert haben, dass Anwohner und Tabakladen nicht geschädigt werden, wird dies vorerst nicht aufhalten können. Es ist nur ein kleiner Schritt im Kampf gegen die Politik des VRR [...] und eine Ermutigung für die Hunderttausenden, die täglich schwarzfahren.
 2. Mai 2004