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Stellungnahme des Gegeninformationsbüros zur Siegerpose des Senats nach dem
1. Mai
Gegeninformationsbüro
7. Mai 2004
Die Berliner Polizeiführung und Innensenator Körting erklären sich
zum Sieger der militanten Auseinandersetzungen zum 1. Mai. Selbst die politische
so genannte Opposition in Berlin gratuliert der Innenbehörde zum richtigen
Handeln gegen Chaoten und Randalierer.
Eine derartige Einheit der politischen Rechtskräfte hat es in Berlin noch
nie gegeben. Diese Einheit und die gelungene Gleichschaltung aller Medien ist
der eigentliche politische Erfolg der Regierenden am 1. Mai 2004. Selbst die Festnahme
des innenpolitischen Sprechers der Berliner CDU im Senat konnte diese Einheit
nicht gefährden.
Das sie ihren militanten Sieg über die Prenzelberger, Lichtenberger, Friedrichshainer
und Kreuzberger Widerständler feiern, ist angesichts ihrer eigenen Zahlen
lächerlich. In Kreuzberg standen angeblich 300 Autonome 8000 schwerbewaffneten
Polizisten und Paramilitärs (BGS) gegenüber. In Lichtenberg war das
Verhältnis zwischen antifaschistischen Kräften und der Staatsmacht etwas
günstiger – 2000 gegen 8000.
Stehen die Sieger des 1. Mai wirklich fest?
Die Staatsmacht hatte den Nazis ihren Marsch durch Friedrichshain/Lichtenberg
garantiert. Das Oberverwaltungsgericht duldete sogar Trommel und anderes Zeugs
was sie mittragen durften. Der Marsch konnte jedoch trotz der brutalen Gangart
der Polizei, trotz Einkesseln hunderter Antifaschisten nicht planmäßig
durchgeführt werden. Das war ein Erfolg gegen die Nazis.
Wir sind keine Militärs und machen deshalb die Erfolge nicht am angerichteten
Sachschaden oder verletzten Polizisten fest. Unsere Aufgabe ist es die politischen
Fehler und Erfolge zu analysieren und für die weitere politische Zukunft
zu verarbeiten.
Aus Fehlern lernen!
Die Fehler die zu einer der kleinsten und schwächsten 1. Mai-Demo seit Jahren
geführt haben, muss das linksradikale Bündnis noch diskutieren. Wir
haben keine Kommandoebene, wo schon Stunden später alles aufgearbeitet ist
und verbreitet werden kann. Die dafür notwendigen Diskussionen stehen dringend
an.
Das vom Bezirksamt, dem Land Berlin und der Berliner Polizei finanzierte und organisierte
„My Fest“, war ein totaler Flop. Statt der erwarteten 100 000
Besucher zählte man nur 5000. Der Versuch das Mariannenplatzfest durch eine
Musik- und Sauforgie abzulösen schlug fehl.
Seit 1970, dem ersten selbstorganisierten Mariannenplatzfest, will die kreuzberger
Bevölkerung ein politisches Fest zum 1. Mai. Ein Fest mit Spaß, Spiel
und politischer Information. Viele Besucher warteten vergebens auf die vorbeiziehende
Demo. Die Veranstalter des „My Fests“ konnten eine politische Demonstration
nicht ertragen und ließen die traditionelle Demoroute durch die Polizei
verbieten.
Der Gottesdienst einer christlichen Sekte am Morgen sorgte schon für schlechte
Stimmung, die durch vollgepisste Hausflure und herumliegende besoffene Festbesucher
noch gesteigert wurde. Die „Erlösung“ kam am Abend.
Die unangemeldete und vorher angekündigte Demonstration gegen das Demoverbot
in Kreuzberg startete gegen 20 Uhr vom Heinrichplatz und wurde von der Bevölkerung
am Straßenrand und an den Fenstern jubelnd begrüßt.
Tausende hatten auf eine politische Demonstration gewartet. Sie wollten sich einbringen
und den Frust über das unpolitische Spektakel des Tages loswerden. Sie kamen
aus den Häusern und schlossen sich der Demo an. Für sie, die oft nicht
die Zeit und Möglichkeiten haben sich organisatorisch zu beteiligen, ist
es wichtig, dass eine außerparlamentarische Kraft existiert, die eine Entpolitisierung
ihres Lebens nicht zulässt.
Was an diesem Abend in den Diskussionen unterging und was ein wertvoller Erfolg
war, die Spaltung zwischen den Straßenkids und den Demonstranten war aufgehoben.
Die Diskussionen der vergangenen beiden Jahre und im Vorfeld der diesjährigen
Demo, wo ein rassistisches Kesseltreiben gegen die Kreuzberger Kids gestartet
worden war, diese Diskussionen wurden beendet. Die Versuche der Medien –
hier federführend die TAZ – und der Polizei in Kreuzberg einen ethnischen
Konflikt herbei zu reden wurden gestoppt. Es wird auch in Zukunft unsere Aufgabe
bleiben, die sozialen Hintergründe der Konflikte aufzuzeigen und alle rassistischen
Ansätze zu beseitigen.
Kreuzberg ist der ärmste Berliner Bezirk mit der geringsten Lebenserwartung.
Der Bezirk mit dem größten Widerstand gegen die Umstrukturierung zu
einem Regierungsbezirk, hat am 1. Mai den Regierenden die rote Karte gezeigt.
Weder Methoden des autoritären Ordnungsstaates der Regierungsparteien, noch
zivilgesellschaftliche Modelle von Hochschullehrern, fanden den Weg zu den Hirnen
und Herzen der Kreuzberger.
Unsere Agenda heißt Widerstand, war eine Parole zum diesjährigen 1.
Mai, aber unsere Agenda heißt auch Selbstbestimmung und zur Selbstbestimmung
gehört es unter Anderem auch Feste selbst zu organisieren.
Die Kids brauchen das Geld des Bezirksamtes und der Stadt für mehr Schulen,
Ausbildung und Lehrstellen, nicht aber jedes Jahr 300 000 Euro für ein
Straßenfest das ihnen vorgesetzt wird.
Das Jahr hat bekanntlich mehr Tage und der Kampf um bezahlbare Mieten, Bildung
und soziale Gerechtigkeit, darf sich nicht nur auf einen Bezirk beschränken.
Erobern wir uns unsere Lebensbereiche zurück: die Schulen, Unis, Betriebe
und Stadtteile |
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