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Eine Zusammenfassung des 1. Mai in Istanbul
www.halkinsesi.tv 2. Mai 2007


Fotogalerie zu den Ereignissen in Istanbul
Videogalerie auf Indymedia Istanbul

Die Regierenden in der Türkei versuchten erneut, den Tag der Werktätigen mit „Repression, Unterdrückung und Blut“ zu verhindern. Wiederum stellten sich Tausende Polizisten und Soldaten gegen die ArbeiterInnen und Werktätigen. Wiederum waren auch jene, die sagen „Aber so kann es nicht weiter gehen“ vor Ort.

Diesmal war es anders. Die Massen befanden sich an allen Orten von Istanbul, um Rechenschaft für die Ermordung der ArbeiterInnen im Jahr 1977 zu verlangen. „Taksim war überall“.

Der 1. Mai ist ein Tag des Kampfes. Die Geschichte hat dies ein weiteres Mal bewiesen. Um den 1. Mai am „1.-Mai-Platz“ zu feiern, wurde über Wochen und sogar Monate entschlossen gearbeitet.

An jenem Tag sollte Rechenschaft für die Gefallenen des 1. Mai 1977 gefordert werden. Um für Dalci (Anmerkung des Übersetzers: Mehmet Akif Dalci wurde am 1. Mai 1989 getötet), die Massaker, Folterungen und Ausbeutung Rechenschaft zu fordern, wurde der „Taksim-Platz gewählt“. Vor 30 Jahren versuchte man den gesteigerten Kampf  der ArbeiterInnen und Werktätigen durch ein Massaker zu verhindern.

Die Regierung, die nicht zulassen will, dass die Bevölkerung von seinem grundlegenden Recht Gebrauch macht und den Verstorbenen in Taksim gedenkt, stoppte in ganz Istanbul den Verkehr.

Es wurden Dutzende Busse zurückgeordert und die Reisenden Angegriffen. In Taksim und anderen Stadtteilen von Istanbul wurden Gasbomben in die Menge geworfen und mit Polizeiknüppeln auf die Menschen eingeschlagen. Rund 1000 Werktätige wurden festgenommen, Dutzende verletzt. Trotz allem siegte die Willenskraft und Entschlossenheit der Bevölkerung und es wurde zum Taksim-Platz marschiert. Es waren zwar nicht so viele Menschen wie im Jahr 1977 (Anmerkung des Übersetzers: 1977 waren während des Massakers 500 000 Menschen auf dem Taksim Platz), aber nach 30 Jahren wurde der 1. Mai erneut an diesem Ort gefeiert. Am traditionellen 1.-Mai-Platz, am Ort, an dem damals 35 Werktätige ermordet worden waren.


Angriffe und Festnahmen starteten bereits in den Morgenstunden

Bereits in den frühen Morgenstunden begannen sich Menschenmengen zur 1.-Mai-Feier in Dolmabahce und Kabatas zu versammeln. Das Gelände wurde aber bereits von Polizisten und Soldaten umzingelt. Die Polizei, die jede kleine Zusammenkunft verhindert, schreitete ein und nahm Dutzende Menschen fest.

Während in Dolmabahçe und Kabataþ nicht nur der Straßenverkehr gesperrt wurde sondern auch Gehwege, versuchte die Masse ihren Treffpunkt nach Beþiktaþ und Karaköy umzuleiten. Die Polizei griff die, sich in Beþiktaþ versammelnde Menschenmenge an und nahm alle Insassen von fünf Reisebussen fest.


Istanbul war sowohl für Istanbuler als auch für Menschen, die aus anderen Städten Anatoliens einreisen wollten verboten

Die Menschen, die aus ganz Anatolien an den Gedenkfeiern am Taksim-Platz teilnehmen wollten, wurden von erster Stunde an mit Behinderungen konfrontiert. Es kam zu unzähligen Personal- und Fahrzeugkontrollen. Die Menschen wurden vermehrt willkürlich angehalten. Aufgrund der massiven Präventivmaßnahmen und Behinderungen an den Zufahrten im anatolischen Teil, wurden Autobusse aus diversen Städten, die unterwegs nach Istanbul waren, angehalten. In der hier zustande gekommenen Konfrontation mit der Polizei wurden zwei HÖC-Mitglieder (Front für Rechte und Freiheiten) verletzt und mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Bei den Verletzten handelt es sich um Ayse Arapgirli und Semiha Eylilik.

In den frühen Morgenstunden wurde auch das Vorbereitungskomitee des 1.Mai in Taksim festgenommen. Unter den festgenommenen OrganisatorInnen befand sich auch HÖC-Mitglied Bülent Özdemir. Eine 20- bis 30-köpfige Gruppe von ‚Halkevleri‘-Mitgliedern (Volkshäuser) wurde in Besiktas/Ihlamrdere von der Polizei angegriffen. Es kam zu Festnahmen und Verletzten.

Eine Gruppe von etwa 30 bis 40 Personen, die sich von Dolmabahçe Richtung Taksim bewegte, wurde mit einer Polizeibarrikade konfrontiert. Die Gruppe wurde von der Polizei angegriffen. Die Gruppe, die an der Front ein Transparent mit der Unterschrift Sine-Sen trug, gehört der DISK an (Konföderation der Revolutionären ArbeiterInnengewerkschaft). Die Polizei trieb die Menschenmenge auseinander und nahm einige AktivistInnen fest.

Es stellte sich heraus, dass es nur einer geringen Anzahl von Menschen aus einigen anatolischen Städten gelang, bis Istanbul vorzudringen. Die mit Bussen anreisenden Menschen wurden an der Autofähre in Yalova festgehalten. Jene, die sich hier durchringen konnten, wurden in Kurtköy angehalten.

Als die Busse aus Ankara, die als erstes unterwegs waren von der Polizei gehindert wurden, stiegen HÖC-Mitglieder aus dem Bus und protestierten gegen die Polizeiwillkür mit einer Straßensperre. Auch hier griff die Polizei die protestierende Gruppe an und es kam zu Verletzten.

Busse, in denen sich Mitglieder der HÖC befanden und die aus Izmir kamen, wurden an der Ausfahrt von Izmit ebenfalls gestoppt. Die Menschen stiegen aus dem Bus und sperrten die Straße. Auch sie wurden von der Polizei angegriffen. Bei diesem Zwischenfall wurden drei Personen festgenommen. Einer der Festgenommenen, Serkan Onur Yilmaz, soll sich in einem kritischen Zustand befinden und ins Krankenhaus eingeliefert worden sein.

Während der Behinderungen von Bussen aus Anatolien, kam es immer wieder zu Protesten durch Straßensperren, Parolenrufen oder indem die Masse entlang der Autobahn marschierte. Es gab mehrmals kürzere Auseinandersetzungen mit der Polizei.


Der 1. Mai am Taksim Platz

Nachdem von einer Gruppe am „Kazanci Hang“ Blumen niedergelegt wurden, begann sich die Menschenmenge zu einem Block zu formieren. Die Anzahl der Menschen, die aus verschiedenen Richtungen am Platz eintrafen und sich am Hang versammelten, nahm ständig zu.

Währenddessen bewegte sich aus Richtung Dolmabahce ein Demonstrationszug auf den Taksim-Platz zu. Darunter befanden sich Mitglieder der Gewerkschaften DISK und KESK, der Vereinigung der Architekturingenieurskammern (TMMOB), des Progressiven JuristInnenverbands (CHD), des Zusammenschlusses „KünstlerInnen gegen Isolation“, sowie einige demokratische Massenorganisationen. Mit diesem in Taksim eintreffenden Demonstrationsblock, der zwar nicht von der Polizei behindert aber von einer Polizeikolonne begleitet wurde, stieg die Zahl der DemonstrantInnen auf rund 2000.

An dieser Stelle wurde eine Gedenkfeier für die beim 1977er Massaker Verstorbenen abgehalten und Nelken niedergelegt.

Eine kleine Gruppe, bestehend aus Süleyman Celebi, Ismail Hakki Tombul und einigen führenden Mitgliedern der Gewerkschaften DISK und KESK legte am Atatürk Denkmal einen Kranz nieder. Süleyman Celebi verlas eine Erklärung, um gegen die Hinderungen der 1.-Mai-Feierlichkeiten seitens des Gouverneurs und der Regierung zu protestieren.

Die führenden Mitglieder der DISK, KESK und anderer Gewerkschaften verließen nach der Gedenkfeier den Platz. Die auf dem Platz zurückbleibende Menschenmenge wurde nach einigem Warten von der Polizei auseinandergetrieben. Die Polizei setzte unter anderem Tränengas gegen die sich sträubende Menge ein.

Zu unterschiedlichen Stunden versuchten mehrere Menschenmassen, die sich an verschiedenen Orten versammelt hatten den Taksim-Platz zu erreichen. Die DemonstrantInnen, deren Zahl von Zeit zu Zeit an die 1000 ging, sahen sich massiven Übergriffen der Polizei ausgesetzt. Dies ging den ganzen Tag so weiter.

Am Anfang der Istiklal-Straße marschierten verschiedene Gruppen, wie zum Beispiel Alinteri, BDSP, Tekstil-Sen, Halkevleri mit Transparenten und Fahnen. Ein Block mit Mitgliedern der HÖC rief die Parolen „Mahir Hüseyin Ulaþ, Kampf bis zur Befreiung“ (drei führende Kader der THKP-C, die Anfang der 70er Jahre bei einer Konfrontation mit dem Militär getötet wurden. Sie wurden mit ihrer kompromisslosen Haltung zu einem Symbol der Revolution), „Die Befreiung liegt im Kampf der Sieg bei der Front“, „Es lebe der 1. Mai“ und „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“.


Straßenbarrikaden für Taksim

Eine Menschenmenge, vorwiegend mit Mitgliedern der HÖC, begann sich gegen 9.30 Uhr Okmeydani zu versammeln, nachdem es am ursprünglichen Versammlungsort zu Behinderungen gekommen war.

Unter der dort versammelten Menschenmenge befanden sich Mitglieder von HÖC, DHP, Kaldirac, ESP, Partizan, Köz, SODAP und des Vereins für Umwelt Kultur und Solidarität Munzur.

Während HÖC und der Verein für Umwelt Kultur und Solidarität Munzur Transparente bei sich hatten, trugen die anderen Gruppen Kappen, Halstücher und Fahnen.

Auf dem Transparent der HÖC hieß es „Auf zum 1. Mai nach Taksim“ und „Wir wollen die Verantwortlichen des Massakers von 1977“. Eine Gruppe des Trakya Kulturzentrums, die rund 100 Personen ausmachte, reihte sich im Block der HÖC ein.

Der Demonstrationszug lief mit Parolen durch das Viertel, um weitere Menschen zu gewinnen. Am Ende des Piyale-Paþa-Boulevards wurden die DemonstrantInnen mit einer Polizeibarrikade und Panzern konfrontiert. Es war der Masse gelungen an der Polizeibarrikade vorbeizukommen und Richtung Taksim zu marschieren. Doch dort wurde sie von der Polizei angegriffen. Eine daraus resultierende Auseindersetzung dauerte knapp drei Stunden. Die Masse versuchte ständig die Polizeibarrikade zu durchbrechen. Teilweise wurde die Polizei zurückgedrängt, aber es gelang den Gruppen nicht, bis zum Taksim-Platz vorzudringen.

Als die DemonstrantInnen beschlossen die Aktion zu beenden und ein überwiegender Teil der Masse begann, sich im Sibel-Yalçýn-Park zu versammeln, griff die Polizei die Masse von verschiedenen Stellen an. Die Aktion wurde de facto gegen 14.30 Uhr beendet.

Auf der anatolischen Seite Istanbuls, im 1.-Mai-Viertel in Ümraniye, hatte sich ebenfalls ab 10 Uhr früh eine Menschenmenge gesammelt, die aufgrund der Behinderungen an der Bosporusbrücke und der Einstellung des Schiffverkehrs nicht in den europäischen Teil Istanbuls gelangen konnte. Diese Masse erreichte teilweise ebenfalls bis zu 2000 Menschen und begann an der Hauptstraße zu demonstrieren. Hier kam es ebenfalls zu einem Angriff der Polizei, welche die Demonstration verhindern wollte. Die DemonstrantInnen wehrten sich zum Teil mit Molotow-Cocktails. Die Aktionen dauerten bis in die Abendstunden an.

 2. Mai 2007