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Rede des Solidaritätsbündnisses für Palästina
Solidaritätsbündniss für Palästina 20. März 2002


Rede auf der Demonstration
am 13. April 2002 in Berlin


Liebe KundgebungsteilnehmerInnen, im Namen des Solidaritätsbündnisses für Palästina begrüße ich euch zu dieser ersten bundesweiten Demonstration zur Unterstützung des palästinensischen Volkes. Insbesondere entbieten wir den zahlreichen Menschen unseren Gruß und Dank, die den weiten und beschwerlichen Weg aus vielen Städten und Dörfern in der Bundesrepublik und sogar aus Österreich auf sich genommen haben, um mit uns gemeinsam und unüberhörbar ihre Solidarität mit Palästina zu bekunden.

An vielen Orten in Deutschland finden heute ebenfalls Demonstrationen von Menschen statt, die nicht nach Berlin kommen konnten, aber dafür umso deutlicher in München, Heidelberg, Erlangen, Düsseldorf, Frankfurt, Mainz, Ulm und anderswo das komplizenhafte Schweigen zu Palästina durchbrechen helfen. Ihnen, wie auch den Millionen anderen Menschen die heute auf der ganzen Welt gegen den Terror der Sharon-Regierung protestieren, schicken wir unsere solidarischen Grüße.

Was uns heute zusammenbringt ist die Wut und Empörung über die Verbrechen an der palästinensischen Bevölkerung. Aber auch über die offene und versteckte Unterstützung dieser Verbrechen durch die US-Regierung und die deutsche Bundesregierung.

Als wir vor wenigen Wochen mit einer Handvoll Leuten zu dieser Demonstration aufriefen, konnten sich nur die wenigsten von uns vorstellen, welch ungeheure Eskalation seither unter dem heuchlerischen Namen „Operation Schutzwall“ betrieben und alles in den Schatten stellen würde, was seit dem Ausbruch der Intifada vor 18 Monaten geschah.

Die hunderten in den Flüchtlingslagern von Dschenin Ermordeten zeigen der ganzen Welt, wozu Sharon, der Schlächter von Sabra und Shatila in der Lage ist:
  • die Ermordung von 500 bis 1000 schuldloser Zivilisten binnen zwei Wochen, auch Kinder und Greise werden hierbei nicht verschont
  • die legitime palästinensische Regierung und deren Präsident Yassir Arafat unter Hausarrest
  • Tausende von Zivilisten werden grundlos verhaftet und dann verschleppt, viele von Ihnen werden sogar sofort erschossen
  • Mitglieder der lokalen Behörde kaltblutig liquidiert
  • Krankenwagen wird die Durchfahrt nicht erlaubt, Schwerstverletzte verbluten oder ihnen wird die ärztliche Versorgung untersagt
  • Wasser- und Stromversorgung wird gekappt
  • Ganze Städte bzw. Stadtteile werden mit Panzerwagen dem Boden gleich gemacht
  • Journalisten wurden zuerst schikaniert, dann wurde auf sie geschossen und schließlich werden sie ultimativ dazu aufgefordert, die umkämpften Gebiete sofort zu verlassen.

Denn das erste Opfer des Kriegs ist die Wahrheit.

Und dieser Krieg kann nur geführt werden, weil Lüge zu Lüge kommt.

Es ist eine Lüge, daß Barak vor 18 Monaten den Palästinensern ein großzügiges Angebot gemacht habe. Sein Angebot war ein in lebensunfähige Bantustans zerschnittenerer Flickenteppich auf einem Teil des Gazastreifens und der Westbank, mit Stacheldraht umzäunten Siedlungen, die von 300 000 fanatischen, Zionisten bewohnt werden; der Kontrolle der Wasserresourcen durch Israel, dem Verzicht auf das Rückehrrecht für Millionen vertriebener Palästinenser. Nicht einmal Jerusalem als Hauptstadt wollte er zugestehen.

Die einzigen die ein großzügiges Angebot gemacht hatten, waren die Palästinenser, die sich bereit erklärt hatten, auf 78 Prozent ihres geraubten Territoriums zu verzichten. Aber statt des erhofften Friedens erhielten sie weitere Demütigungen, Siedlungsbau, Landraub, Häuserzerstörungen, Vertreibung und ein Angebot auf ein Leben in selbstverwalteter Apartheid.

Doch es kann keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben. Es ist eine Lüge, daß Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten sei. Denn wie kann ein Volk frei und demokratisch sein, dessen Regierung und herrschende Parteien ein anderes unterdrückt, vertreibt, diskriminiert und dazu die gesamte Gesellschaft militarisiert? Es ist eine Lüge, daß Kritik an Israel und am Zionismus antisemitisch sei. Die besten Vertreter der jüdischen Gemeinschaft auf der ganzen Welt und auch in Israel selbst protestieren gegen Sharons Besatzungs- und Vernichtungspolitik. 20 000 haben gerade in Tel Aviv demonstriert, über 300 Reserveoffiziere haben erklärt, nicht länger in den besetzten Gebieten Dienst tuen zu wollen, und lassen sich auch durch Gefängnisstrafen nicht mehr einschüchtern.

Und gerade in Deutschland, wo die faschistischen Organisatoren des Holocausts noch jahrelang in höchsten Regierungsämtern saßen, müssen wir besonders unsere Stimme gegen Rassismus, systematische Vertreibung und Völkermord erheben, mehr noch wenn die Bundesrepublik nach den USA der größte Waffenexporteur an Israel und wichtigster Handelspartner ist.

Es ist eine Lüge, daß die Palästinenser Terroristen seien. Der wirkliche Terror im Nahen Osten wird von dem einzigen Land ausgeübt, daß drei mal so viele Waffen besitzt wie die gesamte arabische Welt, und daneben noch als einziges über Atombomben verfügt.

Es ist eine Lüge, daß US-Präsident Bush nun Frieden in Palästina will. Er hat Sharon grünes Licht für die Liquidierungen und seinen angeblichen Feldzug gegen den Terror gegeben. Das einzige was er will, ist nicht Frieden, sondern Ruhe, um seinen Krieg gegen Irak ungestört führen zu können, dem in den letzen zehn Jahren bereits hunderttausende unschuldige Zivilisten zum Opfer gefallen sind, und dem hunderttausende weitere unschuldige Opfer folgen werden, wenn wir ihn nicht stoppen. Und deshalb werden wir auch seinen Besuch in Berlin am 22. und 23. Mai gebührend empfangen.

Liebe Freunde, Heute sehen wir, daß der Aufbau einer starken Solidaritätsbewegung mit dem palästinensischen Volk große Fortschritte gemacht hat. Die Einschüchterung nach dem 11. September ist dem Willen gewichen, nicht länger zu schweigen.

In unserem breiten Aktionsbündnis gibt es unterschiedliche Vorstellungen, wie ein dauerhafter und gerechter Frieden im Nahen Osten geschaffen werden kann. Aber wir sind uns einig, dass ohne eine sofortige Beendigung von Besatzung, Siedlungsbau und Liquidierungen, der Freilassung der politischen Gefangenen und des gewählten Präsidenten Arafat, mit einem Wort der Respektierung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes, die Gewalt kein Ende finden kann. Dies wird auch in zahlreichen Resolutionen der UNO-Mitgliedstaaten anerkannt, deren Umsetzung jedoch – soweit sie die Rechte der PalästinenserInnen einforderten – von Israel, den USA und den meisten europäischen Regierungen verhindert wird. Innerhalb der EU versucht trotz wachsender Kritik insbesondere die Bundesregierung die Linie der bedingungslosen Unterstützung Israels aufrechtzuerhalten.

Heute ist ein wichtiger Tag. Aber es gibt noch viel zu tun. Wir werden am 1. Mai demonstrieren, und davor und danach. Gemeinsam können wir es schaffen, den notwendigen Druck auszuüben, damit die berechtigten Forderungen des palästinensischen Volkes und aller friedliebenden, demokratischen und antirassistischen Menschen auf der ganzen Welt erfüllt werden:

Schluß mit der Besatzung!

Stoppt die Massaker!

Keine Waffenlieferungen und sonstige Unterstützung für Israels Aggression!

Freiheit für Arafat und alle politischen Gefangenen!

Anerkennung des Rückkehrrechts der Vertriebenen! Auflösung der zionistischen Siedlungen!

Sofortige Freilassung von Arafat und aller politischen Gefangenen!

Sofortige Anerkennung eines unabhängigen Palästinas!
 20. März 2002