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„Zivilcourage in Uniform löst einen Sturm der Entrüstung
aus“
Inge Günther
Frankfurter Rundschau
25. September 2003
27 Piloten der israelischen Luftwaffe verweigern gezielte
Raketenangriffe auf Palästinenser – Friedensbewegung applaudiert
Die Luftwaffe des israelischen Militärs ist der Stolz der Nation. Umso
mehr schlug die Nachricht von einer „Rebellion“ unter den Kampfpiloten
wie die sprichwörtliche Bombe ein. 27 gestandene Flieger teilten in einem
gemeinsamen Brief mit, jegliche Teilnahme an Angriffen auf palästinensische
Zivilgebiete fortan zu verweigern.
Einer der Unterzeichner, ein Hubschrauber-Pilot,
erklärte in der Zeitung Yediot Achronoth: „Wie professionell du auch
sein magst, bei diesen Einsätzen ist das Verletzen unschuldiger Zivilisten
nicht zu vermeiden, und falls doch, nur mit reinem Glück.“ Gemeint
ist damit, was Israels Regierung als „Präventivschläge“ zur
Ausschaltung von Militanten bezeichnet. Eine Politik, vor drei Jahren von dem
früheren Premier Ehud Barak eingeführt, aber von Ariel Scharon intensiviert:
vor allem in jüngster Zeit, nach dem für 22 Passagiere tödlichen
Busattentat eines Hamas-Terroristen in Jerusalem vom 19. August. Doch von Beginn
an ging die gezielte Tötung radikaler Islamisten oder Kämpfer der Al-Aksa-Brigaden
mit „Kollateralschäden“ einher.
Oft genug trafen die aus der Luft abgefeuerten Raketen Passanten. Die Zahl
unschuldiger Opfer beziffert der palästinensische Bürgerrechtler Bassem
Eid auf 61 – bei 145 „erfolgreichen“ Liquidierungen. Besagter
Hubschrauber-Pilot jedenfalls lehnt solche Einsätze nun ab – „bevor
der Tag kommt, an dem ich von einer Mission im Bewusstsein zurückkehre,
eine Mutter und ihr Kind umgebracht zu haben“.
Prompt folgte am Donnerstag ein Sturm der Entrüstung auf solche Art
der Zivilcourage in Uniform. „Mit Moral“ habe das nichts zu tun,
erregte sich Verteidigungsminister Schaul Mofas. Die Weigerungserklärung
sei ideologisch motiviert, verfasst von notorisch Linken. Selbst der ehemalige
Staatspräsident Eser Weizman, in seinen jüngeren Jahren Luftwaffen-Kommandant,
meldete sich erbost zu Wort. Die 27 revoltierenden Piloten hätten wohl vergessen,
dass sie nicht von einer „Versicherungsfirma“ rekrutiert worden seien,
sondern vom Militär, das Israelis gegen den täglichen Terror zu schützen
habe.
Als Vaterlandsverräter allerdings lassen sich die Briefverfasser nicht
hinstellen. „Für jede Verteidigungsmission Israels stehen wir weiter
bereit“, heißt es in ihrem Schreiben, nicht aber als Stütze
der Besatzungsmacht in Westbank und Gaza, die die „moralischen Grundfesten
des Staates beschädigt“. Rückendeckung erhielten sie im Friedenslager. „Ich
salutiere vor diesen Piloten“, meinte ihr altes Idol Schulamit Aloni, „sie
haben die Ehre der Streitkräfte gerettet.“
Es war Luftwaffen-General Dan Halutz, der mit seinem zynischen Kommentar
die Initiative auslöste. Seine Piloten schliefen ruhigen Gewissens, sagte
er im Juli 2002, als ein Kampfjet mit einer tonnenschweren Bombe auf ein Wohnhaus
in Gaza-City nicht nur das Zielobjekt tötete – den Hamas-Führer
Salah Schehade –, sondern auch 15 palästinensische Zivilisten, darunter
neun Kinder. „Als ich Halutz reden hörte“, bekannte jetzt der
Verweigerer Alon, „ist in mir etwas zerbrochen.“ Wegen Befehlsverweigerung
hat Halutz ihn am Donnerstag wie die acht anderen aktiven Piloten – einige
Unterzeichner gehören der Reserve an – zum Bodendienst verdonnert.
Vom Tisch ist damit die Debatte nicht. Schon weil zu den Dissidenten ein
legendäres Fliegerass gehört: General Yiftah Spector, der nicht nur
im Sechs-Tage-Krieg sowie im Yom-Kippur-Krieg waghalsige Einsätze flog,
sondern auch 1983 am Bombardement des irakischen Nuklearreaktors teilnahm. |
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