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Aufruf zur Kampagne
www.africa-anticolonial.org 4. November 2004


Anticolonial Africa Conference Berlin 2004

Im Jahr 2004 jährt sich zum 100. Mal der Völkermord deutscher Kolonialtruppen an den Herero und Nama im heutigen Namibia. Zum 120. Mal jährt sich die Afrika-Konferenz, zu der Reichskanzler Bismarck am 15. November 1884 nach Berlin eingeladen hatte. Wie einen Kuchen haben die europäischen Staaten den afrikanischen Kontinent untereinander aufgeteilt und ihre Kolonialinteressen auf dieser Konferenz abgesteckt. Zwei Anlässe, an die wir mit der Anticolonial Africa Conference Berlin 2004 erinnern wollen.

Die Propaganda der kulturellen Überlegenheit rechtfertigte schon damals die blutige Eroberung des Kontinents. Die Kriege in Afrika haben allein in den letzten Jahren Millionen Menschen das Leben gekostet. Im Sommer 2003 wurde der erste gemeinsame europäische Krieg in der Demokratischen Republik Kongo geführt. Unter dem Vorwand Frieden zu bringen, werden die kolonialen Strukturen in Wirtschaft und Politik, Kultur und Alltagsleben neu gefestigt. Bis heute ist Europa an der Ausplünderung Afrikas massiv beteiligt und verschließt die Grenzen vor den Menschen, um „seinen“ Wohlstand zu sichern.

Die kolonialen Strukturen wirken auch in die weißen Gesellschaften zurück. Sie reproduzieren und konstruieren „neues“ koloniales Bewusstsein, Rassismus, Herrenmenschentum, Kriegslogiken, Frauenunterdrückung, technischen Machbarkeitswahn. Wir wollen diese Gewaltverhältnisse bekämpfen. Wir, das sind Menschen aus verschiedenen afrikanischen Ländern, Deutschland und anderen europäischen Ländern. Uns verbindet das Ziel, diese Konzepte als patriarchale, als koloniale Herrschaft anzugreifen und zu verändern. Wir wollen Herrschafts- und Gewaltverhältnisse, Dominanz- und Ausgrenzungsmechanismen aufspüren, delegitimieren und abschaffen und mit vielen die Aktivitäten vorantreiben, in unterschiedlichen Formen, mit Respekt und Solidarität. Der antikoloniale Widerstand ist politisch für uns ein zentraler Orientierungspunkt. An den damaligen Widerstand wollen wir erinnern und den aktuellen unterstützen.

Wir fordern:


Beendigung aller Kriege

Sofortiger Stop aller Formen des warbusiness, keinerlei Militärhilfe und Waffengeschäfte. Keine Interventions-(Kriegs)truppen aus Europa oder anderen Ländern nach Afrika. Keine soziale und materielle Unterstützung der Kriege, kein Flüchtlingsmanagement durch Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs).

Die Teilnehmerstaaten der Berliner Konferenz von 1884 exportieren heute noch für über drei Milliarden Dollar jährlich militärische Ausrüstung in die Länder Afrikas. Auch wenn afrikanische Regierungen beziehungsweise Rebellengruppen die Kriege führen, ändert dies nichts daran, dass die europäischen Länder unmittelbar beteiligt sind und von ihnen profitieren. Die Kriege in Angola, Kongo/Zaire, Sierra Leone, am Horn von Afrika, um nur einige zu nennen, zwingen Millionen Menschen zur Flucht, Millionen werden verletzt, von Minen verstümmelt und getötet. Es geht um Bodenschätze wie Diamanten, Coltan, Gold und Öl, auf die es europäische Firmen abgesehen haben und die, kontrolliert von bewaffneten Banden, unter Sklavenbedingungen aus der Erde geholt werden. Gewalt, die Zerstörung sozialer Verhältnisse und Hunger zwingen die Menschen, billigst Dienstleistungen anzubieten, sich als Tagelöhner für den Weltmarkt ausbeuten zu lassen oder sich auf den oft tödlichen Weg in den reichen Norden zu machen.


Koloniale Mentalitäten aufbrechen

Mit Selbstgefälligkeit und Sendungsbewusstsein versuchen die Kolonisatoren ihre Zivilisation der Welt überall aufzwingen und sagen nicht, dass damit Gewalt, Krieg und Ausbeutung gemeint sind. Rassistische Stereotypen wie die grundsätzliche Überlegenheit der westlichen Zivilisation bestimmen auch heute den Diskurs über Flüchtlinge und Einwanderer in Europa. Kapitalistische Werte sollen die Werte der Welt sein und „Nützlichkeit“ das Kriterium des Lebens. Die Unterscheidung in „unwerte“ und „wertvolle“ Menschen, in Befehlende und Ausführende, in Faule und Fleißige, ist eine tief in der patriarchalen Gesellschaft angelegte Hierarchisierung, und Entmenschlichung. Mit dem Völkermord an den Herero und Nama, der Einrichtung von Konzentrationslagern und Zwangsarbeit wurde die koloniale Gewalt in Namibia gefestigt. Diese Erfahrung bestimmte auch die spätere „Rassen“politik der Nazis. Die Ermordung von Millionen Menschen in den KZs während des zweiten Weltkrieges, die Vernichtung durch Arbeit und die brutale Kolonisierung der osteuropäischen Länder hat ihre Wurzeln auch in der deutschen Kolonialgeschichte Afrikas.


Entschädigung – Legalisierung – Aufenthalt

Übernahme der politischen Verantwortung durch die Unterzeichnerstaaten der Berliner Konferenz für alle Folgen ihrer Kolonialpolitik in Afrika. Öffentliche Anerkennung ihrer Entschädigungspflicht. Legalisierung des Aufenthalts von Menschen aus Afrika als erster Schritt und freier Zugang nach Europa.

Die Verbrechen der Kolonisatoren, insbesondere die Sklaverei, haben Jahrhunderte vor der Berliner Konferenz von 1884 begonnen. Millionen Menschen aus Afrika sind zur Sklavenarbeit in andere Länder deportiert worden, sie sind gequält, vergewaltigt und ermordet worden. Sklaverei und Kolonisation sind Verbrechen gegen die Menschheit und müssen entschädigt werden. Die Werte, die durch Sklavenarbeit, Zwangsarbeit und Ausbeutung der Bodenschätze in die europäischen Länder transferiert worden sind, lassen sich auch nicht annähernd beziffern. Der Reichtum Europas „gehört“ zu großen Teilen den afrikanischen Menschen. Es muss schon deshalb eine Selbstverständlichkeit sein, dass sie sich in Europa frei und unbehelligt bewegen können.


Rassistische Gesetze abschaffen

Alle diskriminierenden Gesetze müssen abgeschafft werden. Als erstes sind die Abschiebungen zu stoppen und die Abschiebeknäste aufzulösen. Einreiseverbote, Arbeitsverbote und Residenzpflicht sind aufzuheben und die Ausreisezentren zu schließen.

Vor hundert Jahren führten die deutschen Kolonialisten im heutigen Namibia eine Passmarke für Schwarze ein, die auf Verlangen jedem Weißen gezeigt werden musste. Nur mit weißer Erlaubnis durfte die schwarze Bevölkerung eine andere Region besuchen. Diese Regelung erinnert an das Residenzpflichtgesetz heute, das Flüchtlingen verbietet, ohne behördliche Genehmigung den Landkreis bzw. das Bundesland zu verlassen.
Das Arbeitsverbot für Flüchtlinge entmündigt sie und macht sie von Almosen abhängig. Viele tausend Menschen sitzen oft monatelang in Gefängnissen, um sie aus Westeuropa abzuschieben.


Schuldenerlass sofort

Wer soviel Geld als Entschädigung zu bekommen hat, hat keine Schulden!


Keine erb- und rassenbiologische Forschung

Alle Schädel und andere Körperteile, die für rassistische Untersuchungen in die Metropole verschleppt wurden, müssen in ihren afrikanischen Herkunftsländern würdig beerdigt werden. Allein in Deutschland lagern einige tausend Schädel, die lebenden und toten Menschen aus Afrika abgeschlagen wurden. Sie wurden vermessen, begutachtet und ausgestellt und sind heute noch unter Störung der Totenruhe Gegenstand rassenbiologischer Forschung. Mit ihnen wurde eine Rassenpolitik begründet, die im Nationalsozialismus zur Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti und zur Zwangssterilisation von Afrodeutschen führte.


Kunst und Kultur

Unzählige Kunst- und Kulturschätze sind aus Afrika geraubt worden und bilden Höhepunkte mancher Museen und Privatsammlungen. Es muss eine Verständigung mit den Herkunftsländern erzielt werden, unter welchen Bedingungen die Gegenstände zurückgegeben werden beziehungsweise in Europa bleiben können.


Zu unseren Aktivitäten

Die Konferenz vom 11. bis 15.November 2004 in Berlin wird nicht der Endpunkt unserer Aktivitäten, aber ein Kulminationspunkt sein. In unserer täglichen Arbeit unterstützen wir Flüchtlinge in ihrem Kampf gegen Abschiebungen und Residenzpflicht, gegen Chipkarten und Gutscheine. Wir haben Veranstaltungen gegen den Krieg im Kongo und zum Genozid an Herero und Nama organisiert. Ab Frühjahr wird eine antikoloniale Citytour regelmäßig zu markanten Orten der ehemaligen Kolonialmetropole Berlin führen. Die Zeit bis November 2004 werden wir für vielfältige Aktionen nutzen, um unsere Forderungen und Ideen zu verbreiten und ihnen Nachdruck zu verleihen. Es sollten bundesweit viele Gruppen entstehen, die antikoloniale Aktionen organisieren, Ideen austauschen und Strategien überlegen, wie auch die Konferenz im November gestaltet werden kann. Die Einheit in der Vielfalt, in unserem Logo symbolisiert, soll sich dabei verwirklichen. Das Büro in Berlin kann Gruppen unterstützen, wenn dies gewünscht wird, die Finanzierung von Aktivitäten sollte jedoch dezentral erfolgen. Mitmachen können Einzelpersonen – Organisationen und Gruppen sind aufgerufen, materiell und inhaltlich die Arbeit zu unterstützen.


Internationale Antikoloniale Demonstration
12. November 2004 17 Uhr Gandarmenmarkt (U6 Französische Straße)


Anticolonial Africa Conference Berlin 2004
c/o Forschungsgesellschaft Flucht und Migration - FFM
Gneisenaustraße 2a 10961 Berlin
africa.anticolonial@gmx.net
www.africa-anticolonial.org

Spendenkonto
Kontoinhaber: FFM
Konto Nr.: 3004201
Bank für Sozialwirtschaft
BLZ: 10020500
Spenden in allen Größenordnungen auch Erbschaften sind willkommen und können steuerlich abgesetzt werden
 4. November 2004