zurück | antirassistische aktion
„Nie wieder Sonntag“
Aktionsbündniss „Nie wieder Sonntag“ 10. Juli 2005


Offener Brief des Aktionsbündnisses „Nie wieder Sonntag“ an die Betreiberinnen des Cafés „An einem Sonntag im August“

Warum wir nicht mit Euch reden wollen ...

Hier nun die erbetene Antwort auf die vielen Versuche der Betreiberinnen des Cafés „An einem Sonntag im August“, Kontakt mit dem Aktionsbündnis „Nie wieder Sonntag“ aufzunehmen und ein klärendes Gespräch zu führen. Da sich die Café-Inhaberin Claudia Humeniuk im Namen ihres Lokals in offener Form an das Aktionsbündnis gewandt hat, werden wir uns im folgenden in derselben Weise an Sie persönlich wenden, obwohl sich unsere Kritik natürlich an alle Verantwortlichen richtet, also auch an die Co-Inhaberin Kathrin Edelmann und die Geschäftsführerin. Gleich vorweg: ein klärendes Gespräch wird es nicht geben, dafür aber ein paar klärende Worte, die dazu dienen sollen, einige kursierende Falschbehauptungen richtig zu stellen.

Wir sind natürlich sehr erfreut, dass unser Anliegen, nämlich den Kiez gegen Rassismus zu sensibilisieren, augenscheinlich auch bei Ihnen, Frau Humeniuk, zu einer kritischen Selbstreflektion führte. Wir fragen uns jedoch, warum dieser Prozess erst nach der Veröffentlichung der betreffenden Dienstanweisung (DA) auf RBB am 28. Juni 2005 und unserer Presseerklärung vom 29. Juni 2005 eingesetzt hat. Das Gespräch mit der „farbigen Kollegin“, auf das Sie sich gegen deren Willen mehrfach in der Öffentlichkeit bezogen haben, fand kurz nach dem Erlass der Dienstanweisung (12. April 2005) statt. Nicht nur bei dieser Gelegenheit, sondern auch in Gesprächen mit anderen Angestellten, wurden Sie und Ihre Kolleginnen unmissverständlich auf den diskriminierenden Charakter Ihrer Dienstanweisung hingewiesen. Trotz des offenkundigen Widerwillens anderer MitarbeiterInnen, konkreten Änderungsvorschlägen, einer begründeten Unterschriftsverweigerung und anschließender Kündigung, nahmen Sie die Dienstanweisung eben nicht „unverzüglich“ (Humeniuk, 3. Juli 2005) von der Pinnwand, sondern forderten noch mehr als zwei Wochen später zwei weitere MitarbeiterInnen ultimativ auf, das Papier zu unterschreiben. Bei diesen Personen handelte es sich unter anderem um Yvonne M., die im Interview mit dem RBB berichtet und nun auch eidesstattlich versichert hat, dass sie nach ihrer ebenfalls begründeten Unterschriftsverweigerung im weiteren Dienstplan nicht mehr berücksichtigt wurde und ohne formale Kündigung einige Wochen später ihre Lohnsteuerkarte zugeschickt bekam. Kurz, es drängt sich der Eindruck auf, dass Sie, auch nach von verschiedenen Personen vorgetragener Kritik, nicht nur an Formulierung, sondern auch am Inhalt der DA, auf der Durchsetzung derselben bestanden haben.

Nun ist das hässliche Schriftstück öffentlich gemacht worden und das gute Image steht auf dem Spiel. Ein absolut nachvollziehbarer, aber nicht besonders überzeugender Augenblick für eine fast rührende Selbstkritik- und Entschuldigungsoffensive, die im wesentlichen darin besteht, zu beteuern, dass Sie keine Rassistin sind und alles als ein großes Missverständnis darzustellen. Sehr unmissverständlich ist jedoch das Vorgehen des von Ihnen eingeschalteten Anwalts für Presseangelegenheiten, „Johnny“ Eisenberg, der nach dem RBB-Bericht eine Unterlassungsklage gegen den RBB und den Abendschau-Redakteur Norbert Siegmund und Yvonne M. eingereicht hat, um eine weitere Berichterstattung zu unterbinden. Wie sollen wir Ihren Gesprächsangeboten trauen, wenn Sie gegen die Menschen, die entscheidend dazu beigetragen haben, Ihren Selbstreflektionsprozess in Gang zu setzen, mit juristischen Mitteln vorgehen?

Natürlich haben uns auch Ihre unter anderem am 30. Juni 2005 auf Indymedia und am 3. Juli 2005 in Form eines öffentlichen Aushangs publizierten Statements in unserer Haltung bestärkt, uns nicht mit Ihnen an einen Tisch zu setzen.

Sie haben sich mehrmals in instrumentalisierender Weise auf ihre „farbige Kollegin“ bezogen und damit gegen deren Willen verstoßen, nicht ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gezogen zu werden. Wir können Sie an dieser Stelle nur eindringlich auffordern, dies in Zukunft zu unterlassen.

Sie haben versucht Ihre eindeutig rassistische, da auf biologische Kriterien beruhende, DA zu rechtfertigen, indem Sie, beispielsweise in Ihrem Offenen Brief, behaupten, dass Sie durch das Ordnungsamt vom Entzug der Ausschankkonzession bedroht worden seien, falls sie nicht gegen „die Dealergang“ vorgehen würden. Nach Aussagen der zuständigen Stadträtin Almuth Nehring-Venus (PDS) gab und gibt es kein Verfahren gegen Ihr Café. Die im „offenen Brief“ des Cafés genannte Vertreterin des Bezirksamtes, Frau Lieblo, ist jedoch nicht in der Position, eine solche Drohung auszusprechen. Von einer ultimativen Drohung mit Konzessionsentzug kann also definitiv nicht die Rede sein. Uns ist es auch absolut unverständlich, warum Sie in Ihrer Sorge um den Erhalt des Lokals nicht zum naheliegendsten Mittel gegriffen haben: KneipenbesitzerInnen, die durch ein sichtbares Schild auf das Verbot von Drogenkonsum und -verkauf hinweisen, kann kein „aktives Tolerieren“ vorgeworfen werden und stehen somit rechtlich auf der sicheren Seite. So praktizieren es viele andere Cafés, Bars und Clubs im Kiez und anderswo, ohne bei ihren Problemen mit Ordnungsamt, Polizei und Drogen auf rassistische Ausschlusskriterien zurückzugreifen. Bis heute haben Sie es trotz Ihrer Einsicht, einen Fehler begangen zu haben, nicht für nötig befunden, die DA offiziell und transparent zurückzunehmen und sich explizit bei den Menschen zu entschuldigen, die von der Gleichsetzung „schwarze Jugendliche gleich Dealer“ am meisten betroffen sind.

Wir müssen Sie auch darauf hinweisen, dass die Ergebnisse Ihrer intensiven Suche nach VertreterInnen des Aktionsbündnisses fehlerhaft sind. Diese treffen sich übrigens meistens im Mauerpark oder im Volkspark Friedrichshain. Wir bitten Sie öffentliche Spekulationen über Trefforte des Aktionsbündnisses, im Interesse der von ihnen genannten Einrichtung in Zukunft zu unterlassen.

Aus den hier angeführten Tatsachen und Widersprüchen, ergibt sich für uns ein klares Bild. Sie, Ihre Partnerin und Ihre Geschäftsführerin haben mit der DA Ihrer diskriminierenden Haltung gegenüber schwarzen Menschen, von der Gäste und Angestellte bereits vor dem 12. April 2005 berichteten, Ausdruck verliehen und nicht etwa einen bloßen Formulierungsfehler begangen. Diese Vorgehensweise versuchen Sie nun im Nachhinein mit einem selbst konstruierten Ultimatum vom Ordnungsamt zu legitimieren. Der Umgang mit der öffentlichen Kritik zeugt nicht von Einsicht, sondern nur von dem Bestreben, Ihr Cafe und das gefährdete Image zu retten, indem Sie sich in der Öffentlichkeit als gesprächsbereite Antirassistin darstellen und gleichzeitig mit juristischen Mitteln gegen kritische Stimmen vorgehen. Aus diesen Gründen besteht für uns keinerlei Grundlage für ein klärendes Gespräch. Die „Klärung“ des Problems Rassismus im Kiez, das sich explizit nicht auf Ihr Cafe beschränkt, sollte unserer Auffassung nach die Aufgabe der Verantwortlichen und der nun geschaffenen Öffentlichkeit sein, wobei wir froh sind, dass sich nicht nur das Aktionsbündnis „Nie wieder Sonntag“ für die Ausübung des notwendigen Drucks verantwortlich fühlt, sondern auch zahlreiche UnterstützerInnen.

Aktionsbündnis „Nie wieder Sonntag“, Berlin, 6. Juli 2005


P.S.: Auch wenn es Ihnen lästig erscheinen mag, wollen wir an dieser Stelle noch zum Ausdruck bringen, dass der Begriff „Farbige“ seit Jahrzehnten von antirassistischen Bewegungen abgelehnt wird, da er das Weiß-Sein als Norm setzt und damit eine biologistische Distinktion zwischen Weißen und „nicht-weißen“ Menschen schafft. Wir finden es auch bezeichnend, dass Ihre Bemühungen eine nicht-diskriminierende Sprache zu finden, bereits daran scheitern, geschlechtsneutrale Begriffe zu verwenden. Die „InitiatorenInnen“ wünschen allen „KollegenInnen“ viel Erfolg bei Ihren diesbezüglichen BemühungenInnen!
 10. Juli 2005