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„Graffiti machen graue Wände lebendig“
Wir lassen sie nicht sitzen ...
Bündnis 18. März 2005 10. März 2005


Zu den Verhaftungen in Aachen im Juni 2004 und den Ende März 2005 beginnenden Prozessen

Bei dem Versuch während einer Routinekontrolle zu flüchten werden Bart de Geeter, Jose Fernandez Delgado, Gabriel Pombo da Silva und Begonia Pombo da Silva nach einer Geiselnahme und einer Verfolgungsjagd mit Schusswechsel am 28. Juni 2004 in Aachen verhaftet.

Bart de Geeter ist ein 26-jähriger Anarchist aus Belgien, der schon Jahre aktiv ist, vor allem bei der Solidaritätsarbeit mit Gefangenen und mit Flüchtlingen.

Gabriel Pombo da Silva ist 36 Jahre alt und ein bekennender Anarchist, der 20 Jahre im spanischen Knast einsaß, davon 14 Jahre im berüchtigten FIES Isolationsregime. Im Oktober letzten Jahres kehrte er nach einem Urlaub nicht mehr in den Knast zurück und flüchtete aus Spanien. Gabriel ist einer der sozialen Rebellen/Anarchisten, die jahrelang mit Schriften, sowie individuellen und kollektiven Aktionen (alltäglicher Widerstand, Hunger- und Hofgangstreik, Ausbruchsversuche ...) gegen die Isolation, Folter und Misshandlungen in spanischen Gefängnissen gekämpft hat.

Der 44 jährige Jose Fernandez Delgado, saß 24 Jahre in Spanien im Knast und kommt ebenfalls aus der spanischen anarchistischen Bewegung. Auch er flüchtete aus dem Gefängnis und lebte untergetaucht.

Begonia ist 34 Jahre alt und die Schwester von Gabriel. Sie wohnt in Deutschland und hat eine 7-jährige Tochter. Außer dass sie die Schwester von Gabriel ist, steht sie in keiner Beziehung zur anarchistischen Bewegung.

Sie werden nun des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, des schweren Eingriffs in den Straßenverkehr, des begangenen und geplanten Raubüberfalls, der zweifachen Geiselnahme und des sechsfach versuchten Mordes angeklagt. Außerdem gibt es Auslieferungsanträge von Spanien. Die drei Männer sitzen seit der Verhaftung in verschiedenen Knästen in Deutschland in isolierter Untersuchungshaft. Begonia kam nach drei Monaten frei, wird aber vor Gericht stehen.

Eine Anklage im Rahmen des 129b liegt nicht vor, doch es ist davon auszugehen, dass internationale Ermittlungen im linksradikalen Milieu stattfinden. Anarchistinnen aus Belgien, Spanien und Deutschland werden als „Internationales Netzwerk“ betrachtet. Und solange die Beweisaufnahme nicht richterlich geschlossen ist, können neue Anklagen und Verhaftungen hinzukommen.

Im Juli gab es eine Hausdurchsuchung bei zwei Frauen in Dresden, die für die Betroffenen Anwälte organisiert, sowie Besuchserlaubnisse beantragten. In dem Auto der Verhafteten wurde anscheinend ein Stadtplan von Dresden mit markierten Waffenläden und Polizeistationen gefunden. Dieser Fund, der Antrag auf Besuchserlaubnis, sowie die Zugehörigkeit zur „linksextremen Szene“, waren Grund genug für die Staatsanwaltschaft, ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zu Raub und versuchten Mordes einzuleiten. Es wird wieder mal jeder Versuch genutzt, in linken Kreisen zu schnüffeln und aktive Solidarität mit Gefangenen zu bedrohen und zu kriminalisieren. Im Dezember wird die Anklage fallen gelassen.

Es gab in den letzten Monaten einige Informationsveranstaltungen in Belgien, Spanien und Deutschland zu dem Vorfall. Außerdem Publikationen in linken Zeitschriften und Postings auf diversen Internetseiten. Immer wieder kam es zu der Fragwürdigkeit von Solidarität mit den Vieren und Militanz-Diskussionen.

Wir wissen, dass es hier um unsere Genossen geht, die genau wie wir, einen Kampf gegen die Repression und das Gefängnis führen, gegen Armut und Ausbeutung, gegen Ausgrenzung und Verfremdung. Ein Kampf für soziale Veränderung und Anarchismus. Sie taten, was sie getan haben, weil ihr Leben und ihre Freiheit auf dem Spiel standen. Weil sie die Freiheit so sehr lieben. Weil sie nicht zurück in die Zellen und Folterkammern in Spanien wollten. Weil Solidarität stärker ist als Angst, weil Freundschaft und Liebe sie verbindet. Wir zweifeln nicht daran, dass sie ihren Kampf im Gefängnis fortsetzen werden, und wir werden ihnen dabei zur Seite stehen. An ihrer Seite, weil Mauern uns nicht trennen können, weil wir alle Gefangene sind in dieser verwerflichen Gesellschaft voll Ungerechtigkeit, Lügen und Leiden, weil niemand frei ist, solange nicht alle frei sind.

Wir rufen zur aktiven Solidarität mit unseren Genossen auf, die gefangen sind, weil sie kämpfen, um alle Mauern und Grenzen nieder zu reißen, für die Freiheit von allen!

Vom 10. bis 19. März 2005 gibt es eine internationale Aktionswoche mit Informationsveranstaltungen und öffentlichen Aktionen in Spanien, Belgien, Holland und anderen Ländern. Du kannst auch in deiner Stadt etwas organisieren. Die Prozesse beginnen am 23./24. März in Aachen. Es wird für die ersten Tage mobilisiert und für die Urteilssprechung, die voraussichtlich am 4. Mai 2005 ist. Die Wochen dazwischen gibt es vielleicht Veranstaltungen vor Ort. Alle News und Infos sind auf der Homepage zu finden (www.escapeintorebellion.info). Kontakt unter abc_gent@yahoo.com und bart@the-police.com. Geld wird dringend benötigt und so sind Benefits willkommen.



Jose schreibt: „Ich werde unter Bedingungen härtester Isolation gehalten, die mir verwehrt, Kontakt zu knüpfen und die Sprache verstehen zu lernen. Ich habe eine Arbeit – hier in der Zelle – angenommen, die niedrigst entlohnt wird. Jedoch nicht dieses Geldes wegen (ohne Geld zu sein kümmert mich nicht) ... es ist so, dass ich seit Monaten um eine Normalisierung meiner Situation ersuche – und diese „Therapie für Unterentwickelte“, die mich nicht im mindesten von meiner Zwangsvereinzelung erlöst, ist was sie mir jetzt angeboten haben – es sei denn, dies wäre ihr erster Schritt ... (was nicht unbedingt anzunehmen ist)

„Ich denke, dass sie mich an Aktivitäten mit anderen Gefangenen teilhaben lassen müssen und mich zum Sport und zu den Bildungseinrichtungen gehen lassen müssen. Seit sieben Monaten komme ich (außer zu Mahlzeiten) quasi nicht aus der Zelle. In allen drei Gefängnissen fand/findet letztlich dasselbe statt: Isolation.

Dazu kommt, dass die sprachliche Theorie mir ohne praktische Anwendung nicht weiterhilft verstehen zu lernen und mich verständlich zu machen.“

Gabriel schreibt: „(...) Sich auf die Seite jener zu stellen, die leiden, der Ausgebeuteten; auf die Seite derer, die gefoltert werden und ermordet, ist, gestern wie heute, revolutionär ... deshalb, und als Anarchist stehe ich gegen die Gefängnisse ... Gefängnisse sind zeitgenössische Sklaverei; die „Administration der Justiz“; eine Institution der Versklavung, Vertuschung und des Mordens ... und das „legalerweise“ ...

Das Gesetz der Besitzenden; das Gesetz der Reichen; Gesetz und Ordnung ... wessen – von wem? Schachmatt denen, die sich selbst verherrlichen – der Kampf geht weiter, und jedes Mal werden wir mehr, die alles wollen ... absolut alles. Dies ist eine Umarmung, um sie zu teilen mit allen (Niñ@s) die noch Träumen, Lieben und die an die Freiheit glauben. Por la Anarquía! Für die Anarchie!“

Bart schreibt: „(...) Es ist absurd, wenn du diese Situation einmal, wie die Tauben auf dem Dach es tun, anschaust. Ich komme zurück von meinem Stündchen in der Runde laufen, und mein Wachhund steht bereit vor der offenen Zellentür. Er sagt „tschüss“, manchmal echt freundlich, und schliesst mich für 23 Uhr ein ... demokratische Manierlichkeit. Tja, wohl ein Job, wie jeder andere. Den Regeln folgen, was sie auch sind. Wenn sie mich morgen schlagen müssen, werden sie deswegen auch nicht viel Skrupel haben. Da ist wieder die vorherrschende Arbeitsethik ... schliesslich bin ich der Gefangene hier. (...)

Dass wir als vernichtendes Unkraut durch ihren Beton wachsen. – Noch eine warme Umarmung für alle, die mit mir sind. – Mein Herz ist bei euch. – Für die Anarchie und das Ende von diesem Spektakel.
 10. März 2005