zurück | repression
ZeugInnenvorladungen durch die Bundesanwaltschaft
ZeugInnengruppe 20. Oktober 2007


Am 31. Juli 2007 wurden Oliver, Florian und Axel festgenommen. Die Polizei wirft ihnen einen versuchten Brandanschlag auf Bundeswehr-LKWs vor. Zudem wurde Andrej in seiner Wohnung verhaftet. Ihm wird ein angeblich konspiratives Treffen mit einem der drei zuvor Festgenommenen vorgeworfen. Im Weiteren wurden Wohnungen und Arbeitsplätze im Umfeld der vier Verhafteten und dreier weiterer Personen durchsucht. Wie im Zuge der Durchsuchungen bekannt wurde, läuft das Ermittlungsverfahren gegen vier Beschuldigte bereits seit September 2006. Allen Sieben wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung mg (militante gruppe) nach § 129a StGB vorgeworfen.

Seit den Verhaftungen und Beschuldigungen wurden umfassende Ermittlungen auch auf das familiäre, private und politische Umfeld sowie auf die Arbeitsbereiche der vier Beschuldigten ausgeweitet. Der größte Teil der Ermittlungen läuft verdeckt, die Einschüchterungen und Ermittlungen gegen vermeintliche ZeugInnen aber durchaus direkt und offen. Es ist davon auszugehen, dass bei allen ZeugInnen Telefone, Emails und Internet-Traffic zuhause und auf Arbeit sowie Treffen mit FreundInnen überwacht wurden und werden. Von der Ausweitung von Observationen auf das weitere Umfeld ist auszugehen. Diese umfassenden Ausforschungen und der massive Eingriff werden mit abenteuerlichen Konstruktionen gerechtfertigt.

Nachdem in den letzten Wochen einige Leute vom BKA Vorladungen erhalten hatten und/oder auch durch eine direkte Ansprache aufgefordert wurden, etwas zu den Verhafteten zu sagen, sind am 10. Oktober 2007 schriftliche Ladungen von der BAW versandt worden. Bisher sind der ZeugInnengruppe und dem EA an die 20 Personen (FreundInnen, Bekannte, sowie Personen, die sich einen Zusammenhang zu den Beschuldigten nicht erklären können) bekannt.

Diese Entwicklung ist für den Alltag der Betroffenen in den letzten Wochen sehr bestimmend und setzt sie massiv unter Druck. Besonders schlimm ist die Situation für Leute mit Kindern. Wir gehen davon aus, dass die BAW diese besondere Lage systematisch als Druckmittel benutzt.

Allen zur BAW Vorgeladenen droht bei einer Aussageverweigerung die Verhängung von Ordnungsgeld (bis zu 1000 Euro) und bei weiterer Verweigerung der Aussage kann Beugehaft (juristisch korrekt „Erzwingungshaft“) durch den Ermittlungsrichter von bis zu sechs Monaten angeordnet werden.

Mit dem Druckmittel von Ordnungsgeld und Beugehaft sollen die ZeugInnen gezwungen werden gegen ihre Freunde und Bekannte auszusagen. Dabei steht den Betroffenen ein Aussageverweigerungsrecht nur zu, wenn sie entweder mit den Beschuldigen verlobt, verwandt oder sonst in einem familiären Verhältnis stehen (§ 52 StPO) oder wenn sie sich durch ihre Aussagen selbst belasten (§ 55 StPO) könnten.

Ordnungsgeld oder Beugehaft kann auch nur wegen einer einzigen, nicht beantworteten Frage verhängt werden, wenn die BAW bzw. der Ermittlungsrichter der Auffassung sind, dass diese von besonderer Wichtigkeit für das Verfahren ist. Es ist im Rahmen eines 129a-Verfahrens den ermittelnden Behörden nicht nur wichtig etwas über die vorgeworfene Tat zu erfahren, sondern sie stellen konkret Fragen über die persönlichen Zusammenhänge der Beschuldigten. In welchem Verhältnis steht oder stand die/der ZeugIn zu den Beschuldigten? Wie und wo haben die Beschuldigten sich früher engagiert? Mit wem standen und stehen sie in engem Kontakt? Und sogar welche Hobbys usw. haben die Beschuldigten? Eben auch Fragen die nicht unbedingt zu einer vermeintlichen Tataufklärung beitragen. Sie wollen Ansatzpunkte zu einer weiteren Durchleuchtung der beschuldigten Personen und Informationen, die ihnen in ihrem bisherigen Ermittlungsstand noch fehlen und zu denen sie sonst keinen Zugang bekommen. Hier sollen nun Freunde gezwungen werden, die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten preis zu geben. Dies geht aber niemanden – und besonders die BAW – etwas an!

Wer sich entscheidet, zu schweigen und keine Fragen der BAW zu beantworten, muss sich möglicherweise nicht nur mit der kommenden Haftsituation auseinandersetzen sondern auch damit, was mit dem Arbeitsplatz ist, wie das Kind versorgt werden soll und muss, wie die Miete zusammen kommt und, und, und ... Aber auch auf denjenigen, die evtl. die Situation nicht aushalten, die wegen ihres Arbeitsplatzes oder anderen Gründen nicht mehrere Monate in den Knast gehen können, liegt ein immenser Druck. KeineR will den Beschuldigten schaden und niemand weiß, was die staatlichen Repressionsorgane eigentlich wollen. Die Gefahr durch Beantworten vermeintlich belangloser Fragen jemand anderen oder sich selbst zu belasten besteht bei jeder Frage. So ist es schon oft geschehen, dass aus einem Zeugen ein Beschuldigter geworden ist.

Wir können niemandem die Entscheidung wie er/sie sich verhält, abnehmen. Aber wenigstens den finanziellen Ruin werden wir gemeinsam verhindern. Neben Ordnungsgelde, Haftkosten und Anwaltshonoraren müssen laufende Kosten für Miete, Krankenversicherung etc. bezahlt werden. Dafür brauchen wir dringend finanzielle Unterstützung von Euch! Deshalb sammelt Geld, macht Partys und/oder überlegt euch Patenschaften.


Solidarität statt Paranoia! Wir lassen niemanden allein! Aussageverweigerungsrecht für ALLE! Schafft Öffentlichkeit, sammelt Spenden! Solidarität mit allen Verhafteten und Beschuldigten!


Spenden

Konto: Rote Hilfe e.V.
Bank: Berliner Bank
Konto-Nr.: 718 9590 600
BLZ: 100 200 00
Verwendungszweck: Repression 31.7.2007
IBAN: DE78 1002 0000 7189 5906 00
BIC: BEBEDEBB


Kontakt zur ZeugInnengruppe: keine-zeuginnen [at] so36.net
 20. Oktober 2007