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Besetztes Bürgerbüro von Ströbele in der Dresdener Straße 10 in Berlin-Kreuzberg



Hans-Chrisian Ströbele und Rechtsanwalt Thomas Herzog auf der Pressekonferenz
„Selbst ein Bild machen“
Neues Deutschland 19. September 2005


Hans-Christian Ströbele hatte im Wahlkampf mit Bürobesetzern zu tun

Ganz zum Abschluss seines Wahlkampfes um ein erneutes Mandat im Bundestag war das Büro von Hans-Christian Ströbele (Grüne) in Berlin-Kreuzberg am Donnerstag und Freitag von linken Aktivisten besetzt, die gegen die „Kriminalisierung von Magdeburger Antifaschisten“ protestierten. Mit dem grünen Politiker sprach für Neues Deutschland Markus Bernhardt.

ND: Vorige Woche war Ihr Büro von linken Aktivisten besetzt, die forderten, dass Sie sich für die Rechte dreier kriminalisierter Antifaschisten stark machen, denen mit Hilfe des „Terroristenparagraphen“ 129a der Prozess gemacht wird. Was werden Sie tun?
Ströbele: Ich wollte mich schon vor der Besetzung meines Büros mit den näheren Einzelheiten in diesem Fall vertraut machen, hatte dies aber auf die Zeit nach dem Wahlkampf verschoben. Im Rahmen der Gespräche mit den Besetzern habe ich nun aber zugesagt, am nächsten Prozesstermin gegen den Angeklagten Daniel W. am 4. Oktober teilzunehmen. Ich will mir dabei selbst ein Bild von der Prozessatmosphäre machen und versuchen, mehr Öffentlichkeit bezüglich des Verfahrens herzustellen.

Die Besetzer wiesen darauf hin, das Verfahren widerspreche jeglichen Mindeststandards eines demokratischen Rechtsstaates. Wird es weitergehende Aktivitäten der Grünen im Bundestag geben, die sich mit dem Fall befassen?
Der Bundestag ist für solche Verfahren erst einmal nicht das zuständige Organ. Sollten die vorgebrachten Vorwürfe gegen die zuständigen Richter des Oberlandesgerichtes in Halle jedoch begründet sein, sollten sich die Rechtspolitiker und zuständigen Arbeitskreise der Fraktionen mit diesem Fall befassen.

Zwei Antifaschisten sitzen seit Monaten in Beugehaft, weil sie sich weigern, gegen ihren Genossen auszusagen. Was wollen Sie konkret für die Gefangenen tun?
Ich werde mir ein Bild machen darüber, ob in diesem Fall ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht besteht. Vieles scheint darauf hinzudeuten, und ich weiß aus eigener Erfahrung aufgrund meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt, dass gerade in 129a-Verfahren mit diesem Auskunftsverweigerungsrecht rechtsstaatlich problematisch umgegangen wird, um das einmal milde auszudrücken. Im Gegensatz zu diesem Verfahren wird in Wirtschaftsstrafverfahren oder einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss das Auskunftsverweigerungsrecht sehr weitgehend ausgelegt.

Ist es nicht ein zweifelhaftes Rechtsverständnis, dass bei Helmut Kohl, der zur CDU-Schwarzgeldaffäre jede Aussage verweigerte, keine Beugehaft angeordnet wurde, diese Gesetze aber gegen Antifaschisten angewandt werden?
Ja, das sehe ich auch so. Bei Helmut Kohl und anderen habe ich immer kritisiert, dass geltende Gesetze nicht zur Anwendung gekommen sind.

Die Grünen haben immer gefordert, den Paragraphen 129a, der die „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ unter Strafe stellt, abzuschaffen. Man vermisst aktuell politische Aktivitäten dazu.
Wir haben den Paragraphen 129a bereits substanziell verändert. Es gibt erstmals eine Definition dessen, was eine terroristische Vereinigung konkret sein soll, aber wir haben den Paragraphen nicht abgeschafft.

Das ist weiter ihre Forderung?
Ja, das ist weiterhin meine Forderung. Das Problem besteht jedoch darin, dass wir in dieser Frage keine Mehrheit bekommen werden, weil alle im Bundestag vertretenen Parteien in diesem Fall eine dezidiert andere Auffassung haben. Es ist eine absolute Illusion, mit Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) auch nur ernsthaft über die Abschaffung dieses Paragraphen reden zu können.
 19. September 2005