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Grundrechte außer Kraft gesetzt
Markus Bernhardt junge Welt vom 25. August 2005 28. August 2005
Hallenser Richter ignoriert Zeugnisverweigerungsrecht im Prozess gegen Antifaschisten
Über 80 linke Aktivisten haben sich am Dienstag vor der Landesvertretung
Sachsen-Anhalts in Berlin versammelt. Sie protestierten damit gegen den Revisionsprozess,
in dem derzeit der Antifaschist Daniel W. vor dem Oberlandesgericht Halle steht.
Dem jungen Mann wird vorgeworfen, gemeinsam mit anderen Mitgliedern des „Autonomen
Zusammenschlusses Magdeburg“, Brandanschläge auf das Landeskriminalamt
(LKA) Sachsen-Anhalt und ein Einsatzfahrzeug der Bundespolizei verübt zu
haben (jW berichtete).
Nachdem die Bundesanwaltschaft bereits 2003 mit ihrem Konstrukt der „Bildung
einer terroristischen Vereinigung“ nach Paragraph 129a gescheitert war,
hatte der 1. Senat des Oberlandesgerichts Naumburg Carsten S., den damaligen
Mitangeklagten von Daniel W., freigesprochen. Ein weiterer Angeklagter, Marco
H., wurde in einem Revisionsverfahren zu zweieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung
verurteilt. Beide Antifaschisten sitzen derzeit jedoch in Beugehaft, da sie sich
weigern, im jetzigen Prozess auszusagen.
Am zwölften Prozesstag im Revisionsverfahren gegen Daniel W. in Halle hatte
der Vorsitzende Richter Braun die Mutter eines früheren Mitangeklagten der
drei Antifaschisten vorgeladen, um sie unter anderem zu den Aktivitäten
ihres Sohnes zu befragen. Da die Aussagen des jungen Mannes von Beamten des Bundeskriminalamtes
erpresst worden waren, gelten sie als nicht rechtmäßig zustande gekommen
und dürfen somit nicht im Prozess verwendet werden. Die Beamten hatten den
Antifaschisten damals mit seiner angeblichen Homosexualität erpresst und
ihm gedroht, seinem herzkranken Großvater davon zu berichten und ihn dort
als vermeintlichen Schwerverbrecher in Handschellen vorzuführen. Obwohl
die Mutter versuchte, sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht zu berufen, bestand
der Richter auf der Vernehmung der Frau, die sich jedoch nicht erinnern konnte.
Für den kommenden Verhandlungstag soll daher der schwerkranke Großvater
zu den Aktivitäten seines Enkels und denen des Angeklagten befragt werden.
Den Einwurf des Anwalts von Daniel W., dass eine Vernehmung des älteren
Mannes zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für diesen führen
könne, ließ der Richter nicht gelten.
Unterdessen kritisierte die „Soligruppe Magdeburg“ den Vorsitzenden
Richter scharf und warf ihm die gezielte Verschleppung des Verfahrens vor. „Es
wird immer offensichtlicher, dass der zuständige Senat mit seinen zur Verfügung
stehenden Mitteln versucht, die Erzwingungshaft gegen Marco und Carsten auf das
Maximum von sechs Monaten durchzusetzen“, so ein Sprecher gegenüber
jW. Der Richter hat bis in den November hinein nur einen Prozesstag pro Monat
veranschlagt, obwohl diese bisher durchschnittlich nur jeweils eine Stunde gedauert
hatten
Um auf die näheren Umstände des zweifelhaften Verfahrens hinzuweisen
und ihre Solidarität mit dem Angeklagten und den weiteren inhaftierten Linken
zu bekunden, rufen verschiedene Gruppen für den 28. August zu einer Knastkundgebung
vor der JVA in Halle (15 Uhr, Treffpunkt Am Kirchtor 20) auf.
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