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Einschätzung
und Aufruf als PDF (156 KB) |
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Freispruch statt Paragraph 129a
Soligruppe Magdeburg-Quedlinburg und Gegeninformationsbüro 3. November 2005
Demo, Kundgebung und Prozess
Dienstag 15. November 2005
9.30 Uhr Prozessbeginn
Justizzentrum Halle (Thüringer Straße 16, 06112 Halle/Saale)
12 Uhr Kundgebung
Leipziger Straße (Höhe Leipziger Turm)
Dienstag 22. November 2005
9.30 Uhr Prozessbeginn
im Anschluss Demonstration
Justizzentrum Halle (Thüringer Straße 16, 06112 Halle/Saale)
Bus von Berlin nach Halle, 6 Uhr Wassertorplatz,
(nähe U
Kottbusser Tor) auf Spendenbasis
Solidarität mit den kriminalisierten Magdeburger Antifaschisten
Wir rufen dazu auf, den nächsten Prozesstagen gegen Daniel W. am 15. und
22. November 2005 beizuwohnen. Der junge Antifaschist steht derzeit vor dem Oberlandesgericht
Naumburg, welches in Halle tagt, vor Gericht. Daniel ist angeklagt, gemeinsam
mit anderen Personen, Brandanschläge unter anderem auf Einrichtungen der
Bundespolizei verübt zu haben. Am 15. November 2005 wird es eine Kundgebung
auf einem zentralen Platz in Halle geben zu der wir gemeinsam im Anschluss an
den Prozesses gehen werden. Für den 22. November 2005 rechnen wir mit der
Urteilsverkündung. Nach dieser wird es, vom Gerichtsgebäude ausgehend,
eine Demonstration durch Halle geben. Die Staatsanwaltschaft plädiert für
eine Verurteilung nach 129a! Wenn dies tatsächlich durchkommt könnte
es zu weiteren Ermittlungen gegen die ehemaligen Angeklagten des 1. Hauptverfahrens
kommen. Paragraph 129a abschaffen. Auf nach Halle!
Politische Einschätzung des Plädoyers und des derzeitigen
Verfahrens von der Soligruppe
Am 1. November 2005, dem letzten Prozesstag, hielt die Bundesstaatsanwaltschaft
im derzeitigen Staatsschutzverfahren gegen den Antifaschisten Daniel W. ihr Plädoyer.
Brisant ist dabei, dass sie erneut versucht Daniel nach Paragraph 129a (Mitgliedschaft
in einer terroristischen Vereinigung) zu verurteilen. Daraus würden sich
zwei ganz neue Besonderheiten ergeben, die wir im Folgenden versuchen werden
zu erläutern.
Dass die Linke bundesweit wieder mit einer stärker werdenden Repressionswelle
konfrontiert wird, dürfte mittlerweile nun auch für den/die Letzte/n
offensichtlich sein. Sie erstreckt sich dabei gegen Hausprojekte, die Anti-AKW-Bewegung,
gegen globalisierungskritische – und antikapitalistische Gruppen, Umsonst-Kampagnen,
soziale Protestbewegungen und die Antifa-Bewegung fast gleichermaßen. Die
Räumung der York59 in Berlin, das Verfahren gegen einen Libertad!-Aktivisten
wegen einer Online-Demo gegen Lufthansa in Hamburg, das 129-Verfahren gegen GegnerInnen
des Mövenpick-Restaurants im Hamburger Wasserturm, das 129-Verfahren im
Rahmen einer lutherkritischen Kampagne in Wittenberg, die Hausdurchsuchungen
unter anderem gegen Mitglieder der ALB und FelS im August in Berlin, die
Inhaftierung von Julia in Potsdam und nicht zuletzt das seit drei Jahren laufende
129a-Verfahren in Magdeburg; all dies sind nur einige Schlagwörter der politischen
Verfolgung im Jahr 2005. Ziel der staatlichen Angriffe waren meist linke und
emanzipatorische Menschen, Projekte und Gruppen. Systematisch wird hier versucht,
Menschen und Gruppen einzuschüchtern und deren politische Arbeit zu unterbinden.
Zeitgleich wird versucht im Hinblick auf die WM 2006 und den G8 2007 in Heiligendamm
die Weichenstellung für einen reibungslosen Ablauf beider Veranstaltungen
zu organisieren. Politische Oppositionsbewegungen werden dabei nur als Störfaktoren
für den Standort Deutschland begriffen, die es, wenn möglich auch präventiv
auszuschalten gilt. Andererseits droht ein Imageverlust für die Eliten in
Politik und Wirtschaft. Dabei wird auch auf der juristischen Ebene versucht,
frühzeitig Präzedenzfälle zu schaffen, die spätere Verfolgungen
vereinfachen sollen. Ein solcher Präzedenzfall könnte das Magdeburger
129a-Verfahren werden.
Im derzeitigen Verfahren wird Daniel vorgeworfen, gemeinsam mit anderen Mitgliedern
des „Autonomen Zusammenschlusses Magdeburg“ („AZ MD“),
unter drei wechselnden Aktionsnamen Brandanschläge, unter anderem auf das
Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt und ein Einsatzfahrzeug der Bundespolizei
verübt zu haben. Bereits im Jahr 2003 war die Bundesanwaltschaft mit ihrem
Konstrukt der „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ nach Paragraph
129a gegen Daniel und seine damaligen Mitangeklagten Marco und Carsten gescheitert.
Grund war ein vermeintliches Auflösungsschreiben, dass bei einer der Hausdurchsuchungen
in Magdeburg gefunden worden sein soll. Danach habe sich die Vereinung aufgelöst
und aus diesem Grund könne man die vermeintlichen Mitglieder nicht
mehr nach Paragraph 129a verurteilen. Heute, drei Jahre später, erkennt
die Bundesstaatsanwaltschaft in dem Schriftstück keine Auflösungserklärung
mehr, sondern einen Hinweis auf einen neuen Anschlag, weil die unterzeichnende
Gruppe nicht identisch ist mit den drei zuvor verwendeten Aktionsnamen. Der Text
sei unterschrieben mit dem Kürzel „R.E.“ als Gruppenname. Die
vorangegangenen drei verwendeten Aktionsnamen der angeblichen Terrorgruppe ließen
sich aber mit dem Kürzel „R.E.“ nicht abkürzen, weshalb
davon auszugehen sei, dass weitere Aktionen unter anderen Bezeichnungen geplant
waren. Die Gruppe die nach Paragraph 129a also tätig gewesen sein soll,
habe sich aus dem „AZ MD“ entwickelt und weitere Anschläge unter
anderen Aktionsnamen geplant. Die militante Gruppe habe sich also nicht, wie
im ersten Hauptverfahren angenommen aufgelöst, sondern sei durch die Verhaftungen
von Marco, Daniel und Carsten gescheitert. Dennoch habe es sie zum Zeitpunkt
der Anklageschriftverfassung im ersten Hauptverfahren noch gegeben und Daniel
sei aus diesem Grund zu diesem Zeitpunkt auch noch Mitglied dieser Gruppe gewesen.
Genau deshalb sei er nun nach Paragraph 129a zu verurteilen.
Was bedeutet dies nun wenn das Verfahren rechtskräftig
abgeschlossen wird?
Zum einen ist die Gefahr hoch, dass das BKA weiterhin in Magdeburg ermitteln
wird. Wie im Zuge des Verfahrens öffentlich wurde, ist die so genannte BKA
Einsatzgruppe Magdeburg auch nach Erhebung der Anklage im ersten Hauptverfahren
nicht aufgelöst worden, sondern existiert weiterhin, wenn auch personell
reduziert, und stellt nach wie vor Ermittlungen an.
Ermittelnde Beamte des BKA konnten im derzeitigen Verfahren auch nur eingeschränkte
Angaben machen, weil sie nach eigenen Aussagen noch immer in die laufenden Ermittlungen
integriert sind. Da nicht nur Marco, Daniel und Carsten, sondern eine Vielzahl
von Menschen in Magdeburg von Ermittlungsverfahren im Zuge des ersten Hauptverfahrens
betroffen waren, droht ihnen nun eine erneute Ermittlung und unter Umständen
auch eine Anklage.
Zum zweiten hätte aber eine rechtskräftige Verurteilung von Daniel
nach diesem Konstrukt auch mögliche Auswirkungen auf viele in der BRD arbeitenden
politischen Gruppen und Initiativen. Es wird in diesem Verfahren insofern ein
rechtliches Neuland betreten was den Paragraphen 129a angeht, als dass der Urteilsspruch
eine Klammerwirkung hätte. Beispiel:
Es existiert eine offen und legal arbeitende Antifa Gruppe „XY“.
Zudem gibt es irgendwo einen Anschlag auf ein Fahrzeug der Bundespolizei.
Zukünftig reicht es aus, wenn die Bundesstaatsanwaltschaft behauptet, wie
haben die Antifa „XY“ in der folgende namentlich bekannte Personen
arbeiten und wir gehen davon aus, dass sich aus dieser Gruppe heraus eine militante
Gruppe gebildet hat, die den Anschlag auf das Fahrzeug der Bundespolizei verübt
hat. Folglich können alle Mitglieder der Antifa „XY“ wegen Mitgliedschaft
in eben dieser Gruppe verurteilt werden, ohne dass dem/der Einzelnen die Tat
konkret nachgewiesen werden muss!
Genau damit schafft sich der Staat einen Präzedenzfall, der früher
oder später auf Jede und Jeden angewendet werden kann, der/die sich in irgendeiner
Form politisch betätigt.
Das heißt nicht, dass es so kommen muss! Wir denken nur, dass es genau
so kommen kann! Wir denken es ist deswegen wieder notwendiger denn je sich kritisch
und sensibel mit dem Thema Repression auseinander zu setzen!
Gegen die Kriminalisierung unserer Strukturen!
Für die Soziale Revolution weltweit!
Soligruppe Magdeburg-Quedlinburg | www.soligruppe.de
Gegeninformationsbüro | www.gegeninformationsbuero.de
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