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Solidarität ist eine Waffe
Gegen die Kriminalisierung Linker Strukturen
Soligruppe Magdeburg-Quedlinburg und Gegeninformationsbüro 23.
Oktober 2005
Rückblick
Seit 2002 ist die Magdeburger Linke mit einer Repressionswelle konfrontiert,
die am 27. November 2002 ihren Höhepunkt erreichte. Damals wurden zwei junge
Genossen inhaftiert und ihnen ein Verfahren nach Paragraph 129a (Mitgliedschaft
in einer terroristischen Vereinigung) angehängt.
Ausgangspunkt für den Repressionsschlag waren diverse Brandanschläge,
die sich zwischen 2000 und 2002 in Magdeburg ereigneten. Die Ermittlungsbehörden
nutzten die Chance, ein 129a-Verfahren einzuleiten. Beweise für die Schuld
der Angeklagten gibt es keine, nicht ein einziger Tatnachweis liegt der Anklage
zu Grunde. Ein Tatverdacht besteht nur gegen eine Person, Daniel W., von dem
angeblich ein Fingerabdruck an einem Tatort gefunden wurde. Marcos „Schuld“ besteht
darin, eng mit Daniel befreundet gewesen zu sein. Die beiden sind nun der Kern
einer „terroristischen Vereinigung“. Um das Konstrukt nach Paragraph
129a aufrechterhalten zu können, benötigten die Ermittlungsbehörden
mindestens eine weitere Person: Carsten S. wurde als dritter Verdächtiger
im April 2003 festgenommen. Seine „Schuld“: Er kannte ebenfalls Daniel
und Marco und engagierte sich in der Solidaritätsarbeit. Es gab viele weitere
Beschuldigte, die das Verbrechen begangen haben, in Magdeburg politisch aktiv
zu sein und Kontakte zu anderen Beschuldigten zu haben. Konstruiert wurde ein
Mosaik, nachdem eine aktive politische Gruppe die „Keimzelle“ der
terroristischen Vereinigung gewesen sein soll. Die Observationen und Ausforschungen
der Behörden erstrecken sich wahrscheinlich über alle aktiven linken
Magdeburger Gruppen. Über Jahre gewachsene antifaschistische, antirassistische
und kapitalismuskritische Zusammenhänge wurden eingeschüchtert und
ihre Arbeit auf einen Nullpunkt zurückgeworfen.
Am 16. Dezember 2003 sprach der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Naumburg
in Halle das Urteil gegen die drei Angeklagten im Magdeburger „Terroristen“-Prozess
aus: zweieinhalb Jahre ohne Bewährung für Marco, zwei Jahre ohne Bewährung
für Daniel und Freispruch für Carsten. Die so genannte Beweislage stützte
sich im Verlauf des Prozesses und auch in der Urteilsverkündung lediglich
auf Indizien (näheres nachzulesen unter www.soligruppe.de).
Seit Anfang des Jahres läuft nun die Revisionsverhandlung gegen Marco und
Daniel. Der 2. Strafsenat des Oberlandesgericht Naumburg bestätigte im Februar
in zweiter Instanz das alte Urteil: Zweieinhalb Jahre für Marco! Bei Daniel
wurde das Verfahren komplett neu aufgerollt und läuft nun schon seit April
dieses Jahres.
Zwei der drei urteilenden Richter kamen schon in der ersten Runde des Verfahrens
zu einem Urteil gegen Daniel und sind somit voreingenommen. Eine eindeutige Rechtsstaatsverletzung,
die kaum thematisiert wird.
Marco und Carsten wurden als Zeugen gegen Daniel geladen und befragt. Obwohl
es sich bei der Anklage um ein Organisationsdelikt handelt und die ehemals Mitangeklagten
ein eindeutiges Aussageverweigerungsrecht haben (sie könnten sich ja selbst
belasten), wurde ihnen dieses vom Gericht aberkannt. Beide verweigerten dennoch
die Aussage und erhielten dafür neben 1000 beziehungsweise 500 Euro Ordnungsgeld,
eine seit über fünf Monaten andauernde Erzwingungshaft, in der sie
sich momentan immer noch befinden. Seitdem tagt das Gericht nur noch einmal im
Monat und zögerte den Prozess auf Kosten von Marco und Carsten unnötig
in die Länge.
Etwa 300 linke Gruppen, Parteien und politische AktivistInnen hatten kürzlich
in einem bundesweit verbreiteten Solidaritätsaufruf dafür geworben,
der Verhandlung beizuwohnen, da zu befürchten sei, dass in dem Verfahren
jegliche „rechtsstaatliche Mindeststandards“ verletzt würden.
Auch der Berliner Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen,
Hans-Christian Ströbele, war dem Aufruf gefolgt, um sich am 4. Oktober 2005 „selbst
ein Bild vom Prozessverlauf“ zu machen.
Nach nur knapp zehn Minuten wurde die Verhandlung jedoch vom Vorsitzenden Richter
Braun ohne jedwede Begründung auf den 1. November 2005 vertagt.
Ströbele zeigte sich von der Entscheidung des Richters „erschrocken“.
Ihm fehle „sämtliches Verständnis für das Vorgehen des Richters“,
erklärte der Bundestagsabgeordnete auf einer Pressekonferenz, die direkt
im Anschluss an die Verhandlung stattfand. Da keine weitere Beweiserhebung vorgesehen
ist, hätte die Beweisaufnahme an diesem Tag abgeschlossen werden können.
Dies sei scheinbar nur nicht geschehen, weil die beiden Beugehäftlinge dann
umgehend hätten entlassen werden müssen, erklärte Ströbele.
Das Vorgehen des Gerichtes sei daher „mit dem Gesetz nicht vereinbar“ und
verstoße zudem gegen die Menschenrechtskonvention. Es sei unter diesen
Umständen fast nicht möglich, sich gegen eine solche Anklage zu verteidigen.
Ströbele kündigte an, auch weiterhin den Fortgang des Verfahrens zu
verfolgen. Zudem wolle er das Vorgehen der Richter „öffentlich zur
Diskussion stellen“ und überlegen, „welche gesetzgeberischen
Maßnahmen daraus folgen“ könnten.
Wie unangenehm dem Gericht die inzwischen geschaffene Öffentlichkeit ist,
wurde deutlich, als einem Kamerateam des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) verwehrt
wurde, nach Ende der Verhandlung im Sitzungssaal zu filmen. Erst nach einer Diskussion
mit dem Vorsitzenden Richter, durfte das Kamerateam seine Arbeit fortsetzen.
Wie weiter?
Am 1. November 2005 sollen Carsten und Marco erneut dem Gericht vorgeführt
werden. Marco hat unterdessen seinen Strafantritt bekommen und wird voraussichtlich
gleich in Haft bleiben, seine sechsmonatige Erzwingungshaft wird nicht mit seiner
Gesamtstrafe verrechnet.
Die Gefangenen brauchen unsere Solidarität,
lassen wir
sie nicht allein!
Kommt alle zum Prozess am
1. November 2005, Justizzentrum Halle,
Thüringer Straße 16, 06112 Halle (Saale),
9.30 Uhr Prozess, 8.30 Uhr Kundgebung!
Außerdem fordern wir:
- die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards!
- ein Ende der Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention!
- Entschädigung der Angeklagten und ihrer Angehörigen!
- Konsequenzen für die rechtbrechenden Richter und Ermittlungsbehörden!
- Freiheit für Marco und Carsten!
- Freispruch für Daniel!
- Aufhebung des Urteils gegen Marco!
Mit Zug und Auto
Abfahrt: Berlin Ostbahnhof 05.14 Uhr, Ankunft:
Halle (Saale) 7.43 Uhr oder
bildet Auto-Fahr-Kollektive (Das Justizzentrum ist
15 Minuten vom Bahnhof entfernt)
Spendenaufruf
Da sehr hohe Prozesskosten entstanden sind beziehungsweise noch entstehen werden,
bitten wir um Spenden für die kriminalisierten Antifaschisten auf folgendes
Konto:
Rote Hilfe Magdeburg
Stadtsparkasse Magdeburg
KNr: 371 519 49
BLZ: 810 532 72
Verwendungszweck: Soligruppe
Soligruppe Magdeburg-Quedlinburg | www.soligruppe.de
Gegeninformationsbüro | www.gegeninformationsbuero.de
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