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Kriegsgegner vor Gericht
junge Welt Rüdiger Göbel 1. Dezember 2008


Je stärker sich die Bundeswehr am Krieg in Afghanistan beteiligt, desto rigoroser werden Antimilitaristen in Deutschland verfolgt. Die Kriminalisierung von Kriegsgegnern nimmt mittlerweile absurde Ausmaße an. Vor dem Amtsgericht Berlin wird am heutigen Montag selbst das Anbringen von Aufklebern geahndet. Verhandelt wird gegen die Berliner Doris G. und Björn A. Die beiden waren an einem sonnigen Sonntag im April dieses Jahres im Stadtteil Charlottenburg auf dem Weg zu einer Eisdiele, als sie von mehreren Polizeibeamten an die Hauswand gestellt, in Handschellen gelegt und für Festgenommen erklärt wurden. Das Duo soll Aufkleber mit dem Bild eines brennenden Bundeswehrjeeps und dem Slogan „Why not? – Warum nicht?“ an mehreren Laternenmasten verklebt haben, lautet der schwere Vorwurf der Berliner Sicherheitsbehörden. Ein „engagierter Mitbürger“ will Doris G. und Björn A. beim Kleben beobachtet und die Polizei alarmiert haben.

Laut Polizei erfolgte die Festnahme aufgrund des Verdachts, zu einer Straftat aufgefordert und gegen das Pressegesetz verstoßen zu haben. Aus dem Umstand, dass sich Doris G. bei der Festnahme nicht ausweisen konnte, hat die Polizei eine Verweigerung der Namensnennung gemacht (obwohl nach Angabe der Betroffenen nie nach dem Namen gefragt wurde) und ein Bußgeld in Höhe von 170 Euro verfügt. Nun erhebt die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage wegen „Belohnung und Billigung von Straftaten“ und „Verstoß gegen das Pressegesetz“ (auf den antimilitaristischen Hinweisen war kein Verantwortlicher im Sinne des Presserechts vermerkt). Laut Staatsanwaltschaft sollen die beiden mit den Aufklebern im Kalenderjahr 2007 erfolgte Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge, die der linken Szene zuzuordnen seien, gutheißen.

Während sich mutmaßliche Kriegsgegner in Berlin vor Gericht verantworten müssen, wird das Einsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan durch die Hintertür ausgeweitet. Laut Spiegel soll es „größer und gefährlicher“ werden. Grund sei eine Gebietsreform, die der ­NATO-gestützte Präsident Hamid Karsai verfügt habe, meldet das Hamburger Magazin in seiner aktuellen Ausgabe. So solle der Bezirk Ghormach, der als eine „Hochburg“ der Taliban gelte und nur sporadisch von italienischen Truppen kontrolliert werde, der Nachbarprovinz Faryab zugeschlagen werden. Für die sei laut NATO-Operationsplan das von der Bundeswehr geführte Regionalkommando Nord zuständig. Das Verteidigungsministerium erklärte, „vor einer Ausweitung der Einsatzräume“ den Bundestag „befassen“ zu wollen – die derzeit gültige Rechtslage sieht auch eine Zustimmung des Parlaments vor.

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wies Bundeskanzlerin Angela Merkel die Forderung nach einem Ausstiegsszenario für die Bundeswehr zurück. Eine Debatte über ein Abzugsdatum würde „den Kräften, die Afghanistan destabilisieren wollen, geradezu in die Hände spielen“. Sie wolle im Wahlkampf für diesen Bundeswehreinsatz werben, sagte die CDU-Vorsitzende weiter. „Ich werde offensiv begründen, warum deutsche Soldaten in Afghanistan ihren Dienst tun, wann immer ich gefragt werde.“

In der afghanischen Hauptstadt Kabul kam am Sonntag das Fahrzeug des deutschen Militärattachés zu Schaden. Nach Angaben der dortigen Polizei sprengte sich ein Attentäter, der zu Fuß unterwegs war, neben dem Geländewagen der BRD-Botschaft in die Luft. Dabei wurden zwei afghanische Zivilisten getötet, drei weitere wurden verletzt. Bei Kämpfen starben nach US-Angaben am Freitag und am Wochenende 44 Aufständische. Angaben über eigene Verluste machten die Besatzer nicht.


* Prozesstermin: Heute, 13.30 Uhr, Amtsgericht Berlin, Turmstraße 91, Raum 768

 1. Dezember 2008