Naher
Osten – Ferner Westen
Linksradikale aus Hamburg 10.
Oktober 2002
Der Israel / Palästina – Konflikt und die Linke in
der BRD
Wir sind ein gemischter Zusammenhang aus verschiedenen Teilen der radikalen Linken.
Die meisten ordnen sich der autonomen Szene zu, einige sind aus dem Umfeld der
Roten Flora oder dem Anti-AKW-Widerstand, andere arbeiten bei anderen Projekten
der sozialpolitischen Linken mit und wieder andere sind seit einiger Zeit nicht
mehr in festen Gruppen aktiv, sondern beteiligen sich aus ihrem privaten
Umfeld heraus an wechselnden politischen Mobilisierungen.
Einig sind wir uns in der Unzufriedenheit über die innerlinke Diskussion
zum Nahostkonflikt, die die Auseinandersetzung oft zu Glaubens- und Bekenntnisstandpunkten
hat verkommen lassen.
Wir haben uns zusammengefunden und wollen uns mit diesem Papier in die Auseinandersetzung
einmischen. Einerseits, um damit eine Position zu beziehen, andererseits, um aus
den identitären Frontlinien von „pro-israelisch“ und „pro-palästinensisch“
auszubrechen.
„Solidarität mit Israel heißt nicht automatische
Affirmation ihrer Regierungs- bzw. Militärpolitik. Es gibt Zeiten, in denen
der radikale Protest gegen die israelische Politik sich als tiefste Solidaritätsbekundung
mit Israelis und Palästinensern in diesem ihrem unseligen Konflikt erweisen
mag. Eine solche Zeit ist die gegenwärtige“ (Moshe Zuckermann [
1]).
I. Die israelische
Linke unter antideutschem Beschuss
In der Forderung nach einer unbedingten Solidarität [
2]
mit dem Staat Israel findet ein solcher Beschuss als paternalistische und bevormundende
Reaktion durch die antideutsche Linke statt. Denn die vermeintlichen Freunde Israels
halten nichts von einer israelischen Friedensbewegung, die den Zionismus kritisiert,
einen Staat Palästina anerkennen möchte und in Frieden und Ausgleich
mit den PalästinenserInnen leben möchte.
In einem Flugblatt [
3], das im Eingangsbereich der Roten Flora
während einer Podiumsveranstaltung mit drei jüdischen Israelis aus der
Friedensbewegung verbreitet wurde, wurde beklagt, dass die Veranstaltungsreihe
lediglich darstelle, was in den eigenen antizionistischen Kram passen würde,
„natürlich auch den unvermeidlichen Uri Avnery, der sich nicht zu schade
ist, im Zentralorgan des deutschen Antisemitismus, der ‚Jungen Welt‘“
zu schreiben. Mal abgesehen von der Unverfrorenheit, als Antideutsche Linke die
jüdischen VertreterInnen aus Israel über ihre Kollaboration mit dem
Antisemitismus aufklären zu wollen, ist vor allem das Zitat über Uri
Avnery [
4] entlarvend.
Uri Avnery und andere jüdische KritikerInnen israelischer Machtpolitik werden
in Antideutschen Publikationen als Abweichler an der jüdischen Sache, die
dem Antisemitismus das Wort reden sollen, denunziert. Eigener Antisemitismus wird
bei Antideutschen hierbei nicht mehr wahrgenommen und wird schon durch die eigene
politische Positionsbekundung ausgeschlossen. Wer gegen Antisemitismus ist, kann
vor dieser Logik kein Antisemit sein. Gegen Antisemitismus zu sein wird so lediglich
zur Frage des Wollens, des Bekenntnisses gemacht und damit aus der historischen,
gesellschaftlichen Dialektik gelöst. Es gibt aber keine einfachen Antworten,
wir selbst sind Teil des Problems.
Ein Ausflug in die kritische Auseinandersetzung mit Sexismus und Rassismus wäre
da angebracht. Wurde dort doch schon lange erkannt – zumindest in autonomen
Zusammenhängen -, dass die Verneinung eigener Eingebundenheit in Unterdrückungsverhältnisse
nur zu deren Fortbestand beiträgt.
Wer den Nahost-Konflikt für einseitige Parteinahme missbraucht, um sich vom
Nationalsozialismus der Väter und Mütter reinzuwaschen, trägt zum
Fortbestand des Konfliktes bei. Über einen äußeren Feind, von
dem sich abgrenzt wird und den es zu bekämpfen gilt, werden eigene Antisemitismen
nicht hinterfragt, sondern verleugnet. Wer seine Identität über den
Konflikt bestimmt, für den würde die Beendigung des Konfliktes die eigene
Zuordnung zur „guten Seite“ infrage stellen. In einer solchen Weltsicht
braucht die Antideutsche Linke paradoxerweise den Konflikt, die SelbstmordattentäterInnen,
die toten PalästineserInnen und Israelis zur Aufrechterhaltung der eigenen
politischen Identität.
II. Antisemitismus in der Linken
– zwischen „Anti-Zionismus“
und „Solidarität mit Israel“
Im innerlinken Streit um Antisemitismus wird vielfach mit den Waffen der Zitatensammlung,
Dokumenten der radikalen Linken und Interpretationen der politischen Praxis argumentiert.
Das sieht gut aus, wirkt schlüssig und wissenschaftlich, ist aber oft nur
ein oberflächliches Zitieren, das einer genaueren Analyse aus dem Weg geht.
So bestimmt das gewünschte Ergebnis – die Abgrenzung, die eigene Identität
– die Mittel, die für den Beweis herangezogen werden. Aber im Feld
der politischen Positionierung ist es wichtig, die Subjektivität der politischen
Herleitungsmechanismen – die eigene historische, gesellschaftliche Prägung
– im Bewusstsein zu halten und sicher auch, dass die Sichtweise der Realität
stets durch die eigene gesellschaftliche Utopie geprägt ist.
Ein von dem jeweiligen historischen und politischen Kontext losgelöstes
Zitieren macht es z.B. erst möglich, aus einer politisch sicher problematischen,
aber unserer Meinung nach nicht per se antisemitischen Boykottforderung israelischer
Waren [
5] ein „Kauft nicht bei Juden“ zu basteln,
das direkt am Nationalsozialismus und Holocaust anknüpft. So entstehen Diskurse,
die in ihrer Wirkung dem Holocaust die Unvergleichbarkeit, die Singularität
entreissen, um ihn zur politischen Herleitung für konkrete politische Ziele
einzusetzen.
Wir halten es für einen verheerenden Umgang, wenn der sehr ernste Begriff
des Antisemitismus nicht mehr zum Aufdecken von Gewalt, Herrschaftsstrukturen
und Unterdrückungsverhältnissen verwendet, sondern zur Durchsetzung
der eigenen politischen Position auf anderem Terrain leichtfertig eingesetzt
wird. Wer zum Beispiel eine antisemitische Internationale von der Roten Flora
bis zur extremen Rechten zeichnet, der zerredet politische Begriffe bis zur Unkenntlichkeit
[
6].
Wir teilen die Einschätzung, dass es Antisemitismus auch in der Linken gab
und gibt, und dies Genauigkeit bei der politischen Intervention und Sensibilität
gegenüber eigenem Antisemitismus erfordert. Wir kritisieren aber eine Sichtweise,
die aus der Auseinandersetzung um linken Antisemitismus wahlweise die Notwendigkeit
zur uneingeschränkten Parteilichkeit mit dem Staat Israel oder eine politische
Neutralitätsposition ableitet, die eine Nichtauseinandersetzung mit dem Konflikt
meint.
Antisemitismus äußert sich für uns unter anderem in einer Sichtweise
auf den Nahostkonflikt, die Israel lediglich als Konstrukt imperialistischer Interessen
und als Bollwerk des Kapitalismus im arabischen Raum wahrnimmt. Denn ein solcher
Blick blendet die antisemitische Geschichte in Europa und den Holocaust aus und
reduziert Israel zu einem Handlanger des Kapitalismus.
Ausdruck des Antisemitismus ist für uns auch eine Schreibweise von manchen
antiimperialistischen Palästinasolidaritätsgruppen, die in den achtziger
Jahren Israel in Anführungsstriche gesetzt hat, um diesen Staat als illegitimes
Gebilde darzustellen, das kein Existenzrecht besitzt. Am schwerwiegendsten sind
für uns jedoch Anschläge, die den israelischen Staat treffen sollten
und jüdische Einrichtungen in Deutschland zum Ziel hatten. Hier wird nicht
mehr zwischen der jüdischen Bevölkerung hier und dem Staat Israel dort
differenziert. Hier wird eine völkische Zuordnung hergestellt, die in ihrem
Antisemitismus an Weltverschwörungstheorien anknüpft.
Ein völlig anderes Beispiel für einen unzulässigen Umgang mit dem
Konflikt sind Vergleiche vom deutschen Nationalsozialismus mit der israelischen
Besatzung. Solche Vergleiche verbieten sich ohne wenn und aber, denn sie negieren
die Einmaligkeit der industriellen Vernichtung und geplanten Ermordung aller Juden
und Jüdinnen im Nationalsozialismus.
Eine genaue Auseinandersetzung vermissen wir in der Diskussion
um Zionismus und Antisemitismus. Wer die zentralen Schriften der jüdischen
Nationalbewegung studiert [
7], kommt nicht umhin zu bemerken,
dass die Theorie des Zionismus von einem völkischen Nationalismus geprägt
ist. Ein Widerspruch gegen diese politischen Werte ist geradezu zwingend. Kritik
am Zionismus halten wir deshalb nicht per se für antisemitisch. Wenn sich
eine solche Kritik allerdings in Begriffen wie „Antizionismus“ verfestigt
und dieser dann als Kampfbegriff im politischen Reisegepäck mitgeführt
wird, dann bietet diese Verkürzung Andockmöglichkeiten für antisemitische
Propaganda. Eine generelle Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus
lehnen wir aber ab, da auch dies eine Verkürzung herstellt, die wir für
unzulässig halten. Wer die Kritik am Zionismus als Antisemitismus übersetzt,
der verdrängt nicht zuletzt auch die antizionistischen europäischen
JüdInnen der Jahrhundertwende und die heutige antizionistische israelische
Linke aus dem Bewusstsein.
III. Die Relativierung des Holocaust
als ideologische Munition
Die Entwicklung der letzten zehn Jahre ist die ungebrochen fortschreitende Relativierung
des Holocaust als Munition für Kriegsbefürworter aller Seiten. Mal kreuzt
Sadam Hussein als Hitler auf, mal ein Bin Laden und wahlweise Arafat und Sharon.
Vor lauter Hitlers und drohendem Holocaust in der Welt verschwindet die Realität
der industriellen Vernichtung von Menschen im Nationalsozialismus hinter den Interessen
derer, die diese Vergleiche für ihre politischen Interessen funktionalisieren.
Nicht nur amerikanische Präsidenten, deutsche Parteisprecher, orthodoxe JüdInnen
oder fundamentalisitische Muslime bemühen sich um diese Vergleiche, nein,
auch die personifizierte Kritik an der „deutschen Identität“
– die Antideutschen – sind in diesem vielstimmigen Chor dabei, wenn
der „Koran“ mit „Mein Kampf“ verglichen und ein neues
drohendes Auschwitz an die Wand gemalt wird.
Moshe Zuckermann [
8] spricht in diesem Zusammenhang
von einer Ideologisierung und Instrumentalisierung des Andenkens. Im Zentrum steht
nicht das Gedenken an die Opfer und die Aufklärung über den Holocaust,
sondern das politische Einsetzen dieses Begriffes in der deutschen und israelischen
Außenpolitik. In Deutschland personifiziert Joschka Fischer diesen Ansatz,
wenn er Auschwitz, deutsche Auslandseinsätze, den „Kampf gegen den
Terror“ und „Solidarität mit Israel“ verknüpft. Die
Abwicklung deutscher Geschichte, die neue Rolle Deutschlands und militärische
Interventionen in der Welt werden über Relativierung, die Aufhebung der historischen
Unvergleichbarkeit des Holocaust begründet und durch konstruierte Parallelen
zu heutigen Ereignissen legitimiert.
Eine Relativierung zum politischen Gebrauch findet nach Moshe Zuckermann jedoch
auch in Israel statt, allerdings unter völlig anderen Vorzeichen. Moshe Zuckermann
zitiert hierzu unter anderem den palästinensischen Knesset Abgeordneten Azmi
Bishra [
9], der darauf hinweist, dass der Holocaust instrumentalisiert
werde, um die israelische Besatzung zu legitimieren, und obgleich sich das verheerende
Verbrechen in Europa zugetragen habe, habe die „Wiedergutmachung“
in Palästina stattgefunden.
Eine zentrale Streitfrage zum Holocaust ist neben der Frage um das „richtige“
Andenken an die Opfer und der Frage nach den TäterInnen, auch immer wieder
die nach den daraus zu ziehenden Lehren. Diese Frage berührt das linke Wertesystems
eines und einer jeden Einzelnen. Im Bewusstsein unserer Verantwortung zur deutschen
Geschichte ziehen wir weder den Schluss, dass eine kritische Auseinandersetzung
mit Israel unmöglich wäre, noch dass eine unhinterfragte Parteiergreifung
für Israel notwendig oder gerechtfertigt ist.
Eine Lehre aus dem Holocaust ist, wie Felicia Langer [
10]
schreibt:
„Angesichts jeglichen Unrechts und Verbrechens nicht zu schweigen, sondern
alle Formen von Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen und die Würde
und Rechte der Menschen, wer auch immer sie sein mögen, zu verteidigen.“
Dem schließen wir uns an und wollen noch hinzufügen:
und uns mit jeglichen Herrschaftsverhältnissen in den verschiedensten Ausprägungen
und komplexen Vernetzungen wie Nationalismus, Patriachat, Sexismus, soziale Normierungen
und Kategorisierungen (wie z.B. nach Geschlecht, nach Fähigkeiten und Erscheinungen),
wie Kapitalismus und Imperialismus, Neoliberalismus, kapitalistische Globalisierung
und Weiteren, auseinanderzusetzen und sie zu bekämpfen – und zwar nicht
nach dogmatischen und fundamentalistischen Rezepten, sondern stets in seiner gesellschaftlichen
Widersprüchlichkeit.
Es geht uns nicht darum, die Legitimation und Eroberung von Macht zu unterstützen,
sondern um deren Auflösung. Und Solidarität heißt für uns
immer auch das Aufbrechen von inneren und äußeren Herrschaftsverhältnissen.
Dazu ist es notwendig – stets und immer wieder neu –, eigene Begriffe
von Recht und Legitimität, von Gewalt und Widerstand zu entwickeln.
Hieraus folgern wir unter anderem auch unser Verständnis für das Bestreben
der jüdischen Bevölkerung nach einem sicheren Staat und der palästinensischen
Bevölkerung nach einem eigenen und sicheren Staat. Hieraus folgert aber auch
unsere Kritik an der israelischen Besetzung des Westjordanlandes, des Gaza-Streifens
und Ostjerusalems und an der Errichtung von Siedlungen auf palästinensischem
Gebiet. Und wir folgern daraus nicht zuletzt unsere Kritik an den ideologischen
Wurzeln dieser Besetzung und unser Bemühen um eine Zusammenarbeit mit linken,
progressiven Kräften in Israel und Palästina.
IV. Der Zionismus – ein jüdisches
Selbstbestimmungsmodell
zwischen Kolonialismus und Befreiungsnationalismus
In Denkstrukturen, die auf der Suche nach einer universellen Wahrheit sind, schließt
sich Denken in Widersprüchen und Komplexität aus. Es wurde in der Vergangenheit
zwar viel an Identitätspolitik und Freund/Feind-Denken kritisiert, doch immer
noch scheint es manchen linken Bewegungen nicht möglich zu sein, sich von
vereinnahmender und vereinfachender Parteinahme zu lösen. Und so scheint
diesen heute auch eine Kritik am Zionismus als unmöglich, da sie das Existenzrecht
Israels angreifen würde und aus diesem Kontext heraus antisemitisch sei.
Historisch betrachtet war die zionistische Siedlungspolitik ein
Unrecht. [
11]
Aus der konkreten Bedrohung durch den europäischen Antisemitismus erwuchs
bei vielen JüdInnen seit Anfang des 19. Jahrhunderts der Wunsch nach nationaler
Selbstbestimmung. Aus dieser Stimmung heraus wurde Ende des 19. Jahrhunderts Palästina
als das „Land ohne Volk, für das Volk ohne Land“ betrachtet.
Entsprach der zweite Teil noch der Realität vieler JüdInnen, so war
der erste schlichtweg koloniales Wunschdenken. Dieses Denken war dabei beileibe
keine zionistische Besonderheit. Es entsprach vielmehr der europäischen Auffassung
um die Jahrhundertwende, dass der Kolonialismus ein notwendiger Schritt sei, um
den Völkern Asiens und Afrikas die „Erungenschaften der Zivilisation“
näher zu bringen und die „brachliegenden“ Ländereien und
Rohstoffe zu erschließen. Die positiven (und negativen) Elemente eines Befreiungsnationalismus
wurden im Zionismus mit den destruktiven Elementen des europäischen Kolonialismus
verknüpft.
Eine der Schlüsselfiguren der zionistischen Bewegung, Theodor
Herzel, formulierte dies ganz im Sinne der europäischen Nationalstaaten:
„Für Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien
bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen“
[
12].
Ein westliches Verständnis von Zivilisation, das noch heute aktuell ist,
wie es zum Beispiel im „Kampf der Zivilisation gegen den Terror“,
in den Berichten über Afghanistan oder den Irak -wenn auch unter völlig
anderen Vorzeichen – nach wie vor aufscheint.
Jedoch war der Zionismus kein einheitliches, schon gar nicht
gesamtjüdisches Konzept. Weite Teile der JüdInnen lehnten einen jüdischen
Nationalismus ab. Auch innerhalb der zionistischen Bewegung gab es unterschiedliche
Strömungen. Auf Anregung von Arthur Ruppin [
13] wurde z.B.
1926 der British Shalom Bund gegründet, der sich zum Ziel gesetzt hatte,
die jüdisch-arabischen Beziehungen zu erforschen und das Verhältnis
beider Gruppen zu verbessern.
Ausdrücklich lehnte Ruppin während des 16. zionistischen Kongresses
1929 in Zürich jedweden hegemonialen Herrschaftsanspruch der Juden in Palästina
ab:
„Wir sollten uns freihalten von dem Irrtum, der ein Jahrhundert hindurch
Europa beherrschte und zu der Katastrophe des Weltkrieges führte, dass in
einem Staat nur eine Nationalität herrschen kann [...] Wir wollen den Chauvinismus,
den wir bei anderen Völkern hassen, auch bei uns bekämpfen.“ [
14]
Zeitweise befürworteten zwar auch Personen wie David Ben
Gurion [
15] oder Chaim Weizmann [
16] eine
binationale Variante (ein Staat, zwei Völker), durchsetzen konnten sich solche
Konzepte jedoch nicht.
Für große Teile der JüdInnen wurden diese Fragen spätestens
mit Beginn des Nationalsozialismus in Deutschland nebensächlich. Die Pogromstimmung
und anlaufende Massenvernichtung stärkte das Nationalgefühl, und gegen
den Widerstand der britischen Besatzungsmacht wurde die Einwanderung nach Israel
forciert. Um eine sofortige mögliche Zufluchtsstätte vor der Vernichtung
zu schaffen, war Palästina eine der wenigen Möglichkeiten.
Eine friedliche Koexistenz mit dem arabischen Bevölkerungsteil schien vor
diesem Hintergrund nicht mehr möglich und sämtliche Stimmen, die dies
einforderten, verloren in der zionistischen Bewegung an Einfluss. Die Konsequenz
bedeutete, dass die PalästinenserInnen zu den Leidtragenden einer Entwicklung
wurden, die sie nicht zu verantworten hatten, denn der europäische Antisemitismus
der Neuzeit ist die Ursache der zionistischen Bestrebungen gewesen. Der deutsche
Antisemitismus hat diesen durch die angestrebte Endlösung zu einer Frage
des Überlebens werden lassen.
Als Fazit bleibt für uns stehen, dass die Vertreibung der PalästinenserInnen
ein Unrecht war, das durch den Holocaust zwar nachvollziehbar, aber als Ideologie
und Praxis dennoch nicht als legitim betrachtet werden kann.
Dies darf dennoch den heutigen Staat Israel nicht in Frage stellen. Denn es gilt
für alle in Israel und Palästina, aus der Logik der Aufrechnung, des
Opferzählens und des Anmeldens von Ansprüchen aus historischen Ereignissen
auszubrechen und Verständigung zu suchen; die wahrscheinlich einzige Chance
für einen gerechten Frieden, der nicht Totenstille meint.
Die Verbrechen Deutschlands und Europas werden durch dieses Ausbrechen aus der
Logik der Aufrechnung im Nahostkonflikt keineswegs entschuldet. Die Parole „kein
Vergeben, kein Vergessen“ behält seine Gültigkeit. Die Erinnerung
an den Holocaust und der Kampf gegen Antisemitismus und Faschismus behalten ihre
Aktualität.
V. Nationalstaaten als Vorraussetzung
zur Überwindung des Nationalismus
Die Beschäftigung mit dem Nahostkonflikt ist nach wie vor ein politisches
und persönliches Minenfeld. Die komplexe eigene Verwobenheit mit diesem Thema
durch die deutsche Geschichte und eigenen Antisemitismus, Antiislamismus oder
Rassismus macht eine Positionierung schwer. Zudem ist es kaum möglich, eine
„richtige“ Seite einzunehmen. Wer es versucht, wird meist lediglich
zum Protagonisten einer unbedingten Parteinahme mit den nationalen Strömungen
in Israel oder in Palästina.
Diese unbedingten Parteinahmen reproduzieren lediglich die dogmatisch / fundamentalistischen
Strömungen des dortigen Konflikts – klammern die Widersprüche
und kritischen Ansätze aus und tragen so lediglich zu einer diskursiven Eskalation
des Konfliktes bei.
Als Vorschlag für eine Lösung des Konflikts hat Uri
Avnery als Sprecher der israelischen Friedensorganisation Gush Shalom für
diese 80 Thesen [
17] in der israelischen Tageszeitung Ha’aretz
veröffentlicht. Dort heißt es u.a.:
„Mit einem neuen Verständnis der Vergangenheit und der Gegenwart muss
das neue Friedenslager einen Friedensplan erarbeiten, der auf folgenden Grundlagen
beruht:
· Neben Israel wird ein unabhängiger und freier Palästinastaat
gegründet.
· Die „Grüne Linie“ [
18] wird die Grenze
zwischen den beiden Staaten. Mit Zustimmung beider Seiten ist ein begrenzter Gebietsaustausch
möglich.
· Die israelischen Siedlungen auf dem Territorium des Palästinastaates
werden geräumt.
· Die Grenze zwischen den beiden Staaten wird nach einer zwischen beiden
Seiten vereinbarten Regelung für die Bewegung von Personen und Gütern
offen sein.
· Jerusalem wird die Hauptstadt beider Staaten – West-Jerusalem die
Hauptstadt Israels und Ost-Jerusalem die Hauptstadt Palästinas. [...]
· Israel wird prinzipiell das Recht der Palästinenser
auf Rückkehr als ein unveräußerliches Menschenrecht anerkennen.
Die praktische Lösung des Problems wird durch ein Abkommen erreicht, das
auf gerechten, fairen und praktischen Erwägungen beruht und die Rückkehr
auf das Gebiet des Staates Palästina, auf das Gebiet des Staates Israel und
Entschädigungen einschließt.[
19]
· Die Wasservorkommen werden gemeinsam kontrolliert und in einem gleichberechtigten
und fairen Abkommen zugeteilt.
· Die Sicherheit beider Staaten wird in einem zweiseitigen Abkommen garantiert,
das die spezifischen Sicherheitsinteressen Israels wie Palästinas berücksichtigt.
· Israel und Palästina werden mit andern Staaten der Region zusammenarbeiten,
um eine Nahost-Gemeinschaft nach dem Modell der Europäischen Union zu errichten.“
Diese Vorschläge bieten für uns einen Anknüpfungspunkt für
die weitere Diskussion innerhalb der BRD-Linken zum Israel/Palästina Konflikt.
Die israelische Regierung ist für uns die derzeit entscheidende
Kriegspartei, die einer Friedenslösung im Wege steht. Mit dem nach wie vor
betriebenen Aufbau von neuen Siedlungen [
20] und mit staatlich
legitimierten Militäraktionen, die mittels Todeslisten vermeintliche und
tatsächliche Attentäter und Führungspersonen der verschiedenen
Strömungen des palästinensischen Widerstandes ermorden, durch den Einmarsch
in Flüchtlingslager und durch Massenverhaftungen der Zivilbevölkerung
eskaliert diese Politik den Konflikt und macht den Konflikt zum Krieg. Auf der
anderen Seite dieser Gewaltspirale stehen menschenverachtende Selbstmordattentate
von PalästinenserInnen auf die jüdische Zivilbevölkerung, die für
uns ebenfalls Verbrechen sind und die eine Friedenslösung immer schwieriger
erscheinen lassen.
Der israelische Friedensblock Gush Shalom erklärte hierzu am 18. Juni 2002
nach einem neuen schweren Selbstmordanschlag:
„Heute wurden weitere 19 Menschen auf dem sinnlosen Altar
der andauernden Okkupation in der West Bank und dem GazaStreifen geopfert. Das
Besatzerregime, welches seit 35 Jahren andauert – fast zwei Drittel der
gesamten israelischen Geschichte –, ist der fruchtbare Boden aus Hass und
Verzweiflung, auf welchem die Selbstmordattentäter gedeihen. Die andauernde
Verweigerung von Grundrechten für die Bevölkerung der besetzten Gebiete,
insgesamt dreieinhalb Millionen Menschen, treibt einige dieser Menschen zu abscheulichen
Taten, dem beliebigen Töten von israelischen Zivilisten. Diese verurteilenswerten
Taten spielen direkt in die Hände Sharons und der extremen Rechten. Bei aller
Abscheulichkeit der Attentate, es ist sinnlos, diese mit militärischen Einsätzen
beenden zu wollen, weder mit Bomben aus der Luft, noch mit Invasionen. (...) Nur
eine Beendung der Besatzung durch politische Entscheidungen, welche die Wünsche
der Palästinenser berücksichtigen, können das Phänomen der
Selbstmordattentate an der Wurzel bekämpfen und den jungen Palästinensern,
aus deren Reihen die Attentäter angeworben werden, neue Hoffnung bringen.“
[
21]
Die Bilder des bombardierten dichtbesiedelten Wohngebietes in Gaza-Stadt [
22]
sind ein Beispiel dafür, dass ein Kampf gegen SelbstmordattentäterInnen
keine militärische Intervention legitimieren kann. Eine Friedenslösung
wird nur über eine Abkehr der israelischen Politik der Stärke und Vergeltung
führen.
Die israelische und palästinensische Linke, gemeinsame
Organisationen wie „Gush Shalom“, das „Komitee gegen Häuserzerstörungen“
oder das „Alternativ Information Center“ sind für uns ein positiver
Bezugspunkt im Nahostkonflikt. Für die Linke hier gilt es, Kontakte zur undogmatischen
palästinensischen und israelischen Linken und Friedensbewegung aufzubauen
und diese zu unterstützen, deutsche Interessen im Konflikt anzugreifen und
eine Diskussion über Möglichkeiten der Kritik und Solidarität zu
entwickeln. Wichtig ist auch, linke israelische und palästinensische WissenschaftlerInnen,
Kulturschaffende aus Theater, Film, Medien, Literatur und Bildung wahrzunehmen,
die auch die Sichtweise der jeweils „Anderen“ einbeziehen und ein
kritisches Verhältnis zu Vergangenheit und Gegenwart entwickeln.[
23]
Unterstützung und die Verbreitung von deren Projekten sind ein mögliches
Beispiel für praktische Solidarität im Nahostkonflikt.
Eine Zusammenarbeit mit antisemitischen oder antiarabischen Gruppen lehnen wir
ab. Das heißt z.B., wir werden nicht mit Organisationen, die Hamas, Dshihad
al-Islami oder den Al Aksa Brigaden nahe stehen, auf die Strasse gehen, um Israel
zu kritisieren. Die durch den Holocaust geprägte Geschichte Deutschlands
macht besondere Verantwortung und Wachsamkeit gegenüber Rassismus, Antisemitismus
und Intoleranz erforderlich. Wir halten es aber gerade deshalb für notwendig,
eigene Aktionsformen zu entwickeln, um den politischen Druck der undogmatischen
linken Bewegungen in Israel und Palästina gegen die israelische Besatzung
zu unterstützen. Für diesen Prozess ist es notwendig, eigene politische
Standpunkte gegen die israelische Besatzung zu entwickeln und diese öffentlich
zu vertreten. Für die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und Menschen sind
für uns von zentraler Bedeutung:
- die Anerkennung des israelischen Staates
- die Schaffung und Anerkennung eines palästinensischen Staates
- die Anerkennung des Widerstandsrechtes der Palästinenser gegen die Besatzung
- die Verurteilung von Gewalt gegen die Zivilbevölkerung in Israel und
Palästina
- die Verurteilung von Rassismus, Antiislamismus und Antisemitismus.
Wir denken nicht, dass eine gemeinsame Friedenslösung relevanter, gesellschaftlicher
Strömungen in Israel und Palästina der alleinige Schlüssel zur
Beendigung des Konfliktes wäre.
Zu viele regionale und globale Interessen spielen auf diesem Terrain eine Rolle.
Die Entschlüsselung der vielfältigen Interessen bleibt eine Aufgabe
für die weitere Auseinandersetzung. Uns geht es mit diesem Text darum, eine
Perspektive aufzuzeigen, die Ausgangspunkte erklärt und politische Ziele
formuliert, und die eine solche Auseinandersetzung möglich machen soll.
Es ist notwendig, den Konflikt und mögliche Lösungen in ihrem historischen,
gesellschaftlichen Kontext, und sich selbst als Teil des Problems zu begreifen.
Dies bedeutet, Position zu beziehen gegen fundamentalistische und dogmatische
Bevormundung, gegen Besserwisserei und Überheblichkeit, und gegen intellektuellen
Kolonialismus, der Israelis und PalästinenserInnen sagen will, wo es lang
geht.
Eine wichtige Vorraussetzung für die Zusammenarbeit hier in der BRD ist,
dass es um die Menschen in Israel und Palästina geht und nicht um eine deutsche
Geschichtsabwicklung und Vergangenheitsbewältigung á la Bahamas-Redaktion,
Jürgen Möllemann oder Joschka Fischer. Keine Kritik an Unrecht hat Vergleiche
nötig. Sie verwirren in der Regel den Blick und erleichtern es, von den eigentlichen
Interessen abzulenken.
VI. Israel und Palästina –
das Ende differenter Lebensentwürfe?
Dürfen Deutsche Israel kritisieren? Können JüdInnen rassistisch
sein? Sind unterdrückte Palästinenser im Widerstand antisemitisch? Jede
vereinfachende Antwort auf solche Fragen trägt den Geschmack der Heuchelei
und Funktionalisierung für eigene Interessen in sich. Kritik ist Voraussetzung
für Solidarität und gemeinsame Entwicklung. Ohne solche kritische Auseinandersetzung
mit der israelischen Politik wird die deutsche Linke ihren Antisemitismus nicht
überwinden, da sie sich fortwährend eine jüdische Identität
als Projektion der Shoa konstruiert. Wer aber nicht den Menschen sieht, sondern
nur die ihm zugeschriebene Rolle, die er zu erfüllen hat, reproduziert so
den Antisemitismus, den er angeblich zu bekämpfen sucht.
Deutlich drückt sich dieses Verhältnis darin aus,
wenn heute Kapitalismuskritik pauschal mit Antiamerikanismus und daraus folgernd
mit Antisemitismus gleichgesetzt wird. Hier lebt der „ewige Jude“
fort, der angeblich als Vorstandsvorsitzender und Geldverleiher die Wirtschaft
kontrollieren und nach der Weltmacht streben soll. Sicherlich gibt es auch politische
Strömungen, die solche Bilder aufgreifen.[
24] Der Rückschluss
aber, Kritik an internationalen Konzernen, an Neoliberalismus und kapitalistischer
Globalisierung greife diese Sichtweise per se auf, befreit das Denken nicht von
antisemitischen Konstrukten, sondern lässt gerade diese als Abbildung weiter
durchscheinen.
Seit Anfang der neunziger Jahre wird verstärkt um Begriffe wie Gender, Geschlechterkategorisierung,
Queer oder überhaupt um die Rolle gesellschaftlicher Kategorisierung für
Herrschaft, diskutiert. Bei diesen Begriffen geht es in erster Linie darum, aus
bipolaren Denkkonzepten auszubrechen. Es werden Ansätze von Subjektivität
gesucht, ohne in eine Identitätsfalle zu geraten. Es gibt nicht nur zwei
Seiten einer Sache, sondern den Blick hinter diese konstruierten Zuordnungen.
Der Diskurs um die oben genannten Begriffe findet sein Ende und seine Konterkarierung
im Nahostkonflikt, wenn sich in Zuordnungen wie „die Juden“ und
„die Palästinenser“ als einheitliche Kollektive versucht wird.
Eigene Erfahrungen, Widersprüche und Utopien kommen nicht mehr vor, stattdessen
werden Theorien abstrakt konstruiert und gegeneinandergestellt.
Wer schreibt denn noch über die Werte, Ängste und Hoffnungen, von israelischen
und palästinensischen Jugendlichen, Transsexuellen, Schwulen/Lesben, oder
undogmatischen Linken. In der derzeitigen Diskussion tauchen diese auseinanderstrebenden
Lebensentwürfe nicht mehr auf.
Auf die eine Seite wird Auschwitz gestellt – auf die andere
Sabra und Schatila [
25]. Dazwischen Juden und Araber nur noch
als Objekte ihrer ethnischen und religiösen Geschichte. Funktionalisiert
als Opfer, Kriegshelden und Märtyrer. Eingesetzt als Schachfiguren auf dem
Schlachtfeld ideologischer Hegemonialbestrebungen.
Eine Wahl scheint es vor diesem Hintergrund nicht zu geben, nur das Leben, Kämpfen
und Sterben als Angehörige(r) des jüdischen oder palästinensischen
Kollektivs.
Wir wollen sie aber nicht aufgeben, die Solidarität mit unseren GefährtInnen,
die an den Wahrheiten, den aufgezwängten Rollen und der Gegebenheit der politischen
Verhältnisse zweifeln und sie zu verändern suchen.
Wir wollen festhalten an der Solidarität mit denen, die diese Verhältnisse
stören, die ausbrechen, die sich möglicherweise verirren, die Spuren
in eine bessere Zukunft legen. An ihnen orientiert sich unser politisches Verhältnis,
unser Wunsch nach Kommunikation und unser hedonistisches Bedürfnis nach Lebensfreude
und Befreiung.
Hamburg, August 2002
Kontakt:
nofw@gmx.de
Postfach: nofw
c/o Schwarzmarkt
Kleiner
Schäferkamp 46, 20357 Hamburg
Literaturliste:
„Zweierlei Holocaust – Der Holocaust in den politischen Kulturen Israels
und Deutschlands“ Moshe Zuckermann, Wallstein Verlag, Göttingen 1998.
„Trapped. Antideutsche in der völkischen Ideologie-Falle“, Arranca,
Nr. 15, Herbst 98.
„Gedenken und Kulturindustrie – Ein Essay zur neuen deutschen Normalität“,
Moshe Zuckermann, Berlin und Bodenheim 1999.
„Zwischen Ölzweig und Kalashnikow – Geschichte und Politik der
palästinensischen Linken“, Gerrit Hoekmann, Unrast Verlag, Münster,
1999.
„Israel und Palästina: 80 Thesen für ein neues Friedenslager,
ein Entwurf der israelischen Friedensorganisation Gush Shalom“, www.Friedensratschlag.de
oder www.gushshalom.de , April 2001
„Israel, die Palästinenser und wir“, Marxistische Blätter
– Special, Juli/August 2001.
„Quo vadis Israel? Die neue Intifada der Palästinenser“, Felicia
Langer, Lamuv Verlag, Göttingen, 2001.
„Antideutsche Kriegsführung“, von W.W. auf indymedia germany,
April 2002, www.de.indymedia.org/2002/04/19843.shtml
„Linke zwischen Nebelkerzen“, Wildcat-Zirkular 63, April 2002, S.
20.
„Zur Kritik der Antideutschen Linken“, Wildcat-Zirkular 63, April
2002, S. 32.
„Weg von den Fahnen“, Jungle World, Nr. 25, 12.06.2002.
„Es geht um Israel?“, incipito, Magazin für Neubeginn, Leipzig,
Nr. 1, Juli 2002.
„Holocaust-Rezeption und der Israel-Palästina-Konflikt. Dokumentation
eines Seminars mit Moshe Zuckermann, veranstaltet vom Informationszentrum 3. Welt
und der Gruppe Sofa“, Freiburg, Juni 2002. Teilabdruck in Bremer Kassiber,
Nr. 50, Juli/August 2002.
Textsammlung zur Antisemitismusdiskussion:
www.antisemitismusstreit.tk
Fußnoten
- Moshe Zuckermann, Sohn von Auschwitz-Überlebenden,
die 1948 nach Tel Aviv emigriert waren, wurde dort 1949 geboren. 1960 kehrten
seine Eltern aus ökonomischen Gründen in die BRD zurück. Moshe
Zuckermann lebte bis 1970 in Frankfurt/Main und zog dann wieder nach Israel. Heute
ist er Direktor des Instituts für Deutsche Geschichte an der Universität
Tel Aviv. Er hat unter anderem das Buch „Zweierlei Holocaust – Der
Holocaust in den politischen Kulturen Israels und Deutschlands“ (Wallstein
Verlag 1998) herausgegeben. [back]
- „Die unparteiische Art, Partei
zu ergreifen“ Flugblatt von „Einige Kommunisten und KommunistInnen“
(2002), s. Archiv der Sozialen Bewegung, Flora. [back]
- ebenda [back]
- Uri Avnery wurde 1923 in Beckum/Westfalen
geboren. 1933 wanderte er mit seiner Familie nach Palästina aus. Er kämpfte
1948 auf Seiten Israels im Krieg, war mehrfach Mitglied der Knesset und gründete
1992 gemeinsam mit anderen die Gruppe Gush Shalom (israelischer Friedensblock).
[back]
- Wir beziehen uns dabei auf die
Kampagne, die Mitte der AchtzigerJahre von linksradikalen, kirchlichen und gewerkschaftlichen
Gruppen in Anlehnung an den Südafrika-Boykott gestartet wurde und die ihren
umstrittensten Ausdruck in einem Wandbild an der Hamburger Hafenstrasse fand.
[back]
- Dieser Vergleich tauchte in „Der
Anschlag und die Linken“ – einem antideutschen Flugblatt zu einer
Veranstaltung, die im Hamburger Kölibri am 17. April 2002 stattfinden sollte,
auf. Solche Schulterschlüsse werden aber auch von der Bahamas und auf antideutschen
Plakaten vertreten. s. Archiv der Sozialen Bewegung, Flora. [back]
- z.B: „Autoemanzipation“
von Leon Pinsker(1882); „Israels Heilung“ von Isaak Rülf (1883);
„Der Judenstaat“ von Theodor Herzl (1895); „Revisionismus“
von Richard Lichtheim (1931); „Reden und Aufsätze (1906-36)“
von Chaim Weizmann. [back]
- s. Fußnote 1; vgl. Zuckermann
– „Zweierlei Holocaust“, Nachwort ab S.165. [back]
- Moshe Zuckermann, „Zweierlei
Holocaust“ (S.173), nach Azmi Bishra, „Die Araber und der Holocaust“
in Zmanim, Nr.55 (1995), S. 54-71 (hebräisch). [back]
- Felicia Langer, „Quo vadis
Israel? Die neue Intifada der Palästinenser“, Lamuv Verlag, Göttingen,
2001. Felicia Langer, in Polen geborene Jüdin, als Kind mit der Familie vor
den Nazis geflohen, nach dem Krieg nach Israel ausgewandert. Mehr als 20 Jahre
hat sie als Anwältin PalästinenserInnen juristisch verteidigt. Seit
1990 lebt sie in der BRD. [back]
- s. auch Fußnote 17, Thesen
von Uri Avnery. [back]
- „Der Judenstaat“ –
Theodor Herzel (1895). [back]
- Arthur Ruppin (geb. 1867 in Deutscchland)
war Soziologe und leitete ab 1908 das Eretz Israel Büro der Zionistischen
Organisation in Jaffa, das für Landerwerb und den Aufbau von Siedlungen verantwortlich
war. Ab 1926 lehrte Ruppin Soziologie der Juden an der Hebräischen Universität.
Er half bei der Ansiedlung deutscher Einwanderer während des Aufstiegs des
Nationalsozialismus. Er starb 1943 in Jerusalem. [back]
- Stenographisches Protokoll des
Kongresses – zitiert nach „Zionismus – Texte zu seiner Entwicklung“
von Julius H.Schoeps; 2. überarbeitete Auflage (1983); ISBN 3-921695-85-6.
[back]
- David Ben Gurion; Geboren 1886
als D. Grün, gestorben 1973, israelischer Politiker polnischer Herkunft;
Mitgründer und Führer der Mapai (1930-65); 1948-53 erster Ministerpräsident
und Verteidigungsminister, 1955-63 wieder Ministerpräsident. [back]
- Chaim Weizmann; (1874-1952), israelischer
Politiker; geb. in Weißrußland, 1918 leitete er die zionistische Palästina-Kommision,
1920-30 und 1935-46 Präsident der Zionistischen Weltorganisation. 1948-49
Präsident des provisorischen Staatsrats, seit Februar 1949, bis zu seinem
Tode 1952, erster Staatspräsident Israels. [back]
- „Israel und Palästina:
80 Thesen für ein neues Friedenslager. Ein Entwurf der israelischen Friedensorganisation
Gush Shalom“, www.friedensratschlag.de
[back]
- Grenze von 1967 (vor dem 6-Tage-Krieg).
[back]
- „Das Recht auf Rückehr“,
Uri Avnery, aus: „Israel, die Palästinenser und wir“, Marxistische
Blätter – Special, Juli/August 2001. [back]
- Während 1991 (z. Zt. des
Oslo-Vertrags) etwa 90 000 israelische SiedlerInnen auf palästinensischem
Territorium lebten, waren es im Jahr 2000 schon über 200 000. [back]
- Presseerklärung von Gush Schalom
vom 18. Juni 2002 (übersetzt aus dem Englischen); Kontakt: www.gush-shalom.org,
info@gush-shalom.org [back]
- Bei einem israelischen Raketenanschlag
am 25. Juli 2002 auf Salah Schehada, den Militärchef der Hamas in Gaza, sterben
insgesamt 15 ZivilistInnen und über 100 wurden verletzt. Von Israels Premierminister
Ariel Sharon wurde die Ermordung von Schehada dennoch als „großer
Erfolg“ bezeichnet. [back]
- Z.b. Ilan Pappe, Dozent für
Politikwissenschaft an der Haifa University u. Akademischer Direktor des Research
Institute for Peace (Friedensforschungs-Institut) in Givat Haviva. Von ihm stammen
zahlreiche Veröffentlichungen. Er hat die Theorie einer postzionistischen
Gesellschaft in Israel mitentwickelt und ist einer der führenden new historians,
die die herrschende israelische Geschichtsschreibung kritisieren. Unter anderem
deshalb droht Pappe jetzt auf Betreiben der Universitätsleitung von Haifa
die Entlassung und das Ende seiner akademischen Karriere. [back]
- Bekanntestes Beispiel aus der
BRD dürfte der ehemalige linksradikale Horst Mahler sein, der heute als Funktionär
der rechtsextremen NPD ein solches Bild entwirft. [back]
- Zwei palästinensische Flüchtlingslager
im Libanon, in denen 1982 mit Billigung des damaligen Verteidigungsministers und
jetzigen israelischen Regierungschef Ariel Sharon Massaker durch libanesische
christliche Milizen stattfanden. [back]