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Tatort Globalisierung –
Wo Macht ist, ist auch Widerstand
BUKO 25-Vorbereitungsgruppe 13. April 2002


Zum Hintergrund des buko25-Einladung

Tatort Globalisierung: „Auch in der Welt der Wirtschaft gilt Darwins Naturgesetz ‚Survival of the fittest‘. Wir beraten Sie gern beim Aktienumtausch“. So warb vor kurzem „Ihre Beraterbank – die Dresdner Bank“ mit ganzseitigen Anzeigen um neue Kundschaft. Es geht ums Überleben. Da gibt es „feindliche Übernahmen“, Firmen werden von anderen „geschluckt“ und „Kredithaie“ beuten ihre Schuldner aus. Wenn nur die Stärksten überleben, gibt es notwendigerweise auch Opfer. Nach Ansicht der Dresdner Bank sind das alle jene, die keine Aktien zum Umtausch haben. Man kann die Messlatte auch ein bisschen tiefer hängen: Opfer sind jene, die an der freien Entfaltung ihrer Bedürfnisse gehindert werden. Viele, die nicht zu den „fittest“ gehören, können nicht überleben, werden verbucht als Kollateralschäden „der Wirtschaft“ und kommen zumeist aus den Ländern des Südens.

Es handelt sich heute um eine globalisierte Wirtschaft, die neoliberal verfasst ist, d.h., dass in der globalisierten Weltwirtschaft kein anderes Gesetz zu gelten scheint als das des Marktes und damit das Gesetz des Profits. Neoliberale Globalisierung meint also immer auch kapitalistische Globalisierung. „Der Markt, der Markt, der Markt hat immer recht“, mit dieser Parole fordern die „fittest“ den Abbau aller Schranken, der sie am Erzielen noch größerer Profitraten hindert.

Der Begriff Gobalisierung meint auch die wohlstandschauvinistische Abschottung vor MigrantInnen, die durch die Globalisierung erst produziert werden. Er meint z.B. ein Zuwanderungsgesetz, das Menschen nach den Kriterien der ökonomischen Verwertbarkeit einteilt und die patriarchale Ausbeutung von Frauen in den Maquiladoras und den globalen Handel mit Frauen nicht nur in der Prostitution. Globalisierung meint auch das „Benchmarking“, die Suche nach immer neuen Rationalisierungsreserven, meint die Streichung von Sozialleistungen und Sozialeinrichtungen, weil die Steuereinnahmen von Kommunen von transnational agierenden Konzernen trotz gestiegener Gewinne gen Null tendieren. Und er meint schließlich den Zugriff auf die Menschen als Rohstofflager und Ressource für die biopolitischen Träume von Wissenschaft und Industrie.





Tatort Globalisierung: Der Prozess der neoliberalen Globalisierung vollzieht sich auch direkt vor unserer Haustür. Er ist bei der Säuberung der Innenstädte vom unansehlichen „Gesindel“ präsent. Heute versteht sich jede Stadt als globale Wettbewerbsstadt, die potentiellen Investoren ein attraktives Umfeld zu schaffen hat. Deshalb werden diese so herausgeputzt, „dass Umweltverschmutzung zur letzten Hoffnung wird“ (Heiner Müller). Es gibt viele Tatorte – und viele Täter. Sie bewegen sich in ihren Netzwerken wie Fische im Wasser. Wenn die Sherlock Holmes dieser Welt glauben, die Täter verfügen über eine Hauptzentrale, die man so einfach attackieren kann, so irren sie sich. Wer das glaubt, dem/der wird es so ergehen wie Don Quichotte in seinem Kampf gegen die Windmühlen.

Tatort Globalisierung: Neoliberale Globalisierung ist ein sozialer Prozess, kein Automatismus. Das festzustellen ist wichtig, weil uns scheinbar schlaue Köpfe immer noch vom Gegenteil überzeugen wollen. Dieser Prozess wird von klar bestimmbaren Akteuren vorangetrieben. Es sind die transnationalen Konzerne, die Militärapparate, die supranationalen Institutionen wie IWF, Weltbank oder die WTO und die jeweiligen Regierungen, die diesen Prozess moderieren und forcieren. Es ist deshalb ein Ammenmärchen, wenn die Finanzminister der sieben mächtigsten Staaten behaupteten, dass die Globalisierung nach Regeln funktioniere, „die sich weitgehend der politischen Kontrolle entziehen.“ „Die Politik“ steht „der Weltwirtschaft“ jedoch nicht hilflos gegenüber, wie uns auch VertreterInnen modernisierten rot-grünen Global Governance Diskurses glauben machen wollen. Ihre Vertreter behaupten, die Globalisierung würde die Steuerungskapazität der Nationalstaaten überfordern und deshalb zu einer Erosion nationalstaatlicher Problem- und Steuerungsfähigkeit führen. Das Gegenteil ist richtig: Noch nie wurde soviel reguliert wie heute – siehe die Grenz- und Kontrollregimes an den EU-Außengrenzen und Bahnhöfen, Regulierungen in der WTO zur Biodiversität, zu den Dienstleistungen und dem geistigen Eigentum u.v.a. Nicht der Verlust der Regulierungsfähigkeit ist das Problem, sondern die weitreichenden Regulierungen zugunsten einer neoliberalen Weltwirtschaft.

Der neoliberale Kapitalismus bedarf zu seiner Absicherung nicht nur der ökonomischen, sondern auch der militärischen Gewalt, weltweit. Sie dient nicht in erster Linie der Bekämpfung des „islamistischen Terrorismus“, sondern in erster Linie der Absicherung der Rohstoffressourcen und der Verhinderung unerwünschter Flüchtlingsströme. Schon die letzten Jahre waren von einer rasanten Militarisierung der Außenpolitik gekennzeichnet – angeblich zum Schutz der Menschenrechte, neuerdings zu dem der Frauen oder zur Verhinderung eines „neuen Auschwitz“.

Noch einmal zur Erinnerung: Es geht heute also um das „survival of the fittest“! (Dresdner Bank), aber auch um die Zurichtung der Köpfe und nicht, wie viele VertreterInnen der Zivilgesellschaft immer noch hoffen, um die Verwirklichung einer Weltzivilgesellschaft oder eines planetarischen Weltgesellschafts- und Weltbeglückungsvertrags. Zur ideologischen Hegemonie gehört aber auch die Akzeptanz der Behauptung in großen Teilen der Bevölkerung, dass es zur neoliberalen Globalisierung keine Alternative gibt. Das Denken in Interessen, in Macht- und Herrschaftsverhältnissen wurde nach dem Epochenbruch von 1989 für obsolet erklärt. Vor allem die Vertreter der lobbyistischen Nichtregierungsorganisationen versuchten „die Wirtschaft“ davon zu überzeugen, dass es in ihrem eigenen „wohlverstandenen Interesse“ läge, weltweit eine sozialere und ökologischere Politik zu machen. „Nachhaltige Entwicklung“ hieß das Label, unter dem diese Münchhauseniade verkauft wurde. Alles war nur noch eine Frage des richtigen Handlings, von Effizienz und Suffizienz. Durch die UN-Konferenzen der 90er Jahre erhielt dieses auf Dialog und Kooperation orientierte Denken massiven Zulauf. Der Verhandlungssaal und die Runden Tische waren das bevorzugte Terrain der Lobby-NGOs. Mit dem Ausblenden der Herrschaftsförmigkeit wurde der Wille zum Selbstbetrug und die Erotisierung der Langeweile zum Markenzeichen dieses Politiktypus. Hätten sie nur auf die Dresdner Bank gehört.





Tatort Globalisierung: Wo Macht ist, ist auch Widerstand, schreibt Foucault. Der Lobbyismus markierte nicht das Ende der Geschichte. Inspiriert u.a. durch den vielschichtigen Widerstand der Zapatistas im mexikanischen Bundesstaat Chiapas formierte sich ab 1994 eine neue Protestbewegung. Sie war Ausdruck der Suche nach neuen Protestformen und nach grundlegenden gesellschaftlichen Alternativen. Es bildeten sich Netzwerke, Plattformen und Organisationen – eine autonome internationale Bewegung, die in dem „Battle of Seattle“, den Aktionen gegen die WTO 1999, ihren ersten Höhepunkt fand. In der Folgezeit sollte sich überall dort überraschend großer Protest formieren, wo die Herrschenden die Rituale ihrer Macht abfeiern wollten. Die bisher massivsten Proteste richteten sich gegen das G-8-Spektakel letztes Jahr in Genua. Auch nach den Anschlägen vom 11.9. ist bisher kein Rückgang der Mobilisierung festzustellen. Ob „Seattle“ und „Genua“ bereits die Wendepunkte in Richtung einer internationalen Protestbewegung waren oder nur deren kurzzeitiges Aufflackern, werden erst die Kämpfe der Zukunft zeigen. Eins aber ist sicher: Eine andere Welt ist nur möglich, wenn wir sie auch erkämpfen. Diese Gegenkräfte dürfen sich nicht an „den Staat“ oder „die Politik“ mit der Bitte wenden, er möge doch bitte für eine ökologischere und sozialere Politik sorgen. Die Lämmer, die beim Wolf um Schutz nachsuchen, waren für den Wolf schon immer ein gefundenes Fressen. Es bedarf eigenständiger und eigensinniger Organisations- und Aktionsformen.

Tatort Globalisierung: Die internationale Protestbewegung hat viele Facetten und wird sich auch in Zukunft nicht vereinheitlichen. Sie hat Räume auch für den radikal herrschaftskritischen und damit linken Teil dieser Bewegung geschaffen, zu dem sich auch die BUKO zählt. Klar ist: eine emanzipatorische Linke kann nur internationalistisch und plural sein. Klar ist auch, dass 1989 tatsächlich einen Epochenbruch markiert, hinter den man weder theoretisch noch organisatorisch zurückfallen kann. Es gab in der Vergangenheit zu viele böse Gespenster, die nicht nur in Europa, sondern auch in der Linken umgingen. Von denen muss man sich trennen, um wieder Platz für neue zu ermöglichen. Die Theorieruinen müssen durchforstet werden, um die Bruchstücke deutlich zu machen, mit denen man in Zukunft kein neues Haus mehr aufbauen will. Es ist dies eine der Vorbedingungen für eine Lösung oder besser: von Lösungswegen. Denn die eine Lösung wird es nicht geben. Es wird in Zukunft immer wieder neue Anläufe geben müssen. Wichtig ist es in Zukunft, die unterschiedlichen Ebenen und die Ambivalenzen zu beachten: etwa die zwischen Theorie und Praxis. Beide gehen niemals ineinander auf. Es gibt immer schon ein Ungenügen der Praxis gegenüber der Theorie – und umgekehrt. Soziale Bewegungen und ihre Revolten lassen sich nicht endgültig auf den Begriff bringen.

Tatort Globalisierung: Der BUKO versteht sich als Teil der internationalen Protestbewegung. Allerdings ist der BUKO nicht mehr der BUKO. Nach 25 Jahren seiner Existenz hat er seinen Namen gewechselt. Aus „Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen“ wurde die „Bundeskoordination Internationalismus“. Damit ist der Bruch von 1989 auch im Namen vom BUKO angekommen. Ein linker Internationalismus kann heute nicht mehr auf den Begriff „entwicklungspolitisch“ Bezug nehmen. Entwicklung klingt nach Hilfe. Irgendwer – es waren immer die anderen – sollte da „entwickelt“ werden, nach unserem Vorbild. Es war dies ein zutiefst eurozentristisches Bild von Entwicklung. Dieser Begriff hat mittlerweile zu Recht einen schlechten Geschmack. Der neue Name verweist auf das, was die BUKO noch nicht ist, aber sein will. Ein Zusammenschluss, Netzwerk oder was auch immer von Gruppen und Menschen, die sich innerhalb des herrschaftskritischen Spektrums der internationalen Protestbewegung verorten und die BUKO als Möglichkeit nutzen, über die Ambivalenzen dieser Protestbewegung zu streiten. Und wir hoffen, dass aus den oben angeführten Gründen antimilitaristische, antirassistische und antifaschistische ebenso wie patriarchatskritische Gruppen stärker Teil dieses offenen Prozesses werden. Und selbstverständlich werden wir auch in Zukunft die Diskussion mit anderen Netzwerken und Plattformen suchen.

Tatort Frankfurt: Der BUKO feiert seinen 25., die BUKO feiert ihr 1. Geburtstag. Nicht nur dazu seid ihr herzlich eingeladen.

Aus der BUKO 25-Vorbereitungsgruppe
 13. April 2002