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Das
Ende der Bescheidenheit.
Neoliberalismus, Alltag, Widerstand.
BUKO 27-Vorbereitungsgruppe
1. März 2004
Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) – 27. Jahreskongress Aufruf
zum BUKO 20. bis 23. Mai 2004 in Kassel. MitveranstalterInnnen (vorläufig):
AStA Uni Kassel, FelS, Kommune Niederkaufungen, Kanak Attak, Ökumenisches
Büro München, AG SPAK.
Seit einigen Jahren gewinnen Unmut und Protest gegen die herrschenden Verhältnisse
sowie die Entwicklung von Alternativen an Bedeutung und äußert sich
in großen Demonstrationen von Seattle und Genua oder in Europäischen
beziehungsweise Weltsozialforen. Daneben gibt es andere soziale Bewegungen
wie die der Migration, die mit ihren Füßen tagtäglich gegen die
herrschenden Verhältnisse
abstimmt, auf der Suche nach einem guten Leben. Weiterhin werden neoliberale
und neoimperiale Politiken – und notfalls mit Gewalt – durchgesetzt.
Wurden Privatisierungen, Abbau von sozialen Sicherungssystemen und eine angebotsorientierte,
kapitalfreundliche Politik bisher eher durch die Strukturanpassungsprogramme
im Süden verwirklicht, hat neoliberaler Klassenkampf „von oben“
längst Europa erreicht.
Im Zuge der EU-Osterweiterung werden auch die neuen Beitrittsländer den markt-
und kapitalfreundlichen Regeln unterworfen. Weltweit wird damit Menschen der Zugang
zu lebensnotwendigen Gütern wie etwa Wasser, Nahrungsmitteln, Gesundheitsversorgung
und Bildung sowie das existentielle Recht der Mobilität und Flucht verweigert.
Diese Politik wird zwar von Abwehrkämpfen begleitet, doch der Neoliberalismus
hat sich in vielen Köpfen festgesetzt. Emanzipative Antworten haben sich
lange Zeit als schwierig erwiesen, was sich derzeit zu ändern scheint. Daher
schlagen wir vor, die Perspektive darauf zu richten, wo und wie herrschende Entwicklungen
widersprüchlich sind und infrage gestellt werden.
Zudem bestehen viele Alternativen. Bereits vor „Seattle“ fanden auf
unterschiedlichsten Ebenen Prozesse gegen die Ökonomisierung sozialen Lebens
statt. Menschen versuchen, sich das, was sie zum Leben brauchen, selbst zu organisieren,
ohne auf die Hilfe von staatlichen Instanzen zu warten. Das reicht von den Versuchen,
eigenständige Netzwerke zu entwickeln, um die soziale Reproduktion zu sichern,
bis zur Migration als Bewegung, die sich auch durch die Festung Europa nicht stoppen
lässt; vom kollektiven Klauen im Supermarkt über die gemeinsame Nutzung
von Softwareprodukten und neuen Ansätzen, sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen
und Arbeitszwang zur Wehr zu setzen, bis zu Fabrikbesetzungen; vom Widerstand
gegen Segregation und zugeschriebene kulturelle und Geschlechtsidentitäten
zu hybriden Selbstverortungen. Mit diesen Erfahrungen können herkömmliche
Politikverständnisse hinterfragt und neue Perspektiven eröffnet werden.
Dafür will der BUKO eine Art Bestandsaufnahme leisten und die politisierenden
und orientierenden Potenziale verschiedener Praxen ausloten Ob der Begriff der
Aneignung als gemeinsamer Fluchtpunkt taugt und zur Entwicklung weiterer Perspektiven
reicht, muss sich dabei erst noch zeigen. Wichtig ist uns dabei, überhaupt
gemeinsame Bezüge zu suchen – ohne damit Differenzen zu negieren. Es
wird Zeit, aus der Defensive herauszukommen und nicht darauf zu vertrauen, mit
Appellen an die herrschenden politischen und ökonomischen Kräfte diese
zu Einsicht und Umsteuern zu bewegen. Auf dem diesjährigen BUKO soll zunächst
die Frage aufgeworfen werden, wo eigentlich das neoliberal-militaristische Projekt
des globalisierten Kapitalismus brüchig wird – und wo praktische Kritik
eher zur Modernisierung von Herrschaft zu verkommen droht, ohne die gesellschaftsverändernden
Potenziale auszuschöpfen.
Anhand dreier Themenstränge sollen, neben vielen anderen Informations- und
Diskussionsforen, Erfahrungen und Möglichkeiten von symbolischer und materieller
Aneignung diskutiert werden:
- Arbeit und soziale Reproduktion
- Privatisierung
- Soziale Rechte und Recht auf Legalisierung
Ein internationalistischer Austausch über diese existentiellen Lebens- und
Reproduktionsbereiche kann dabei nicht nur zu einem neuen Verständnis eigener
Verwicklungen in das kapitalistische System führen. Er bietet die Möglichkeit,
sich darüber auszutauschen, welche Formen alternativer Vergesellschaftung
schon längst praktiziert werden, egal ob öffentlich expliziert oder
nicht, wo Erfahrungen anschlussfähig für die politische Linke sind und
welche Praxen wünschenswert wären. Wir plädieren für ein neues
Selbstverständnis unterschiedlicher Kämpfe und Handlungsmöglichkeiten,
um nicht mehr nur rein defensiv zu handeln (was natürlich weiterhin wichtig
bleibt). Während Regierungen weltweit dazu auffordern, den Gürtel enger
zu schnallen sowie auf soziale Rechte zu verzichten, rufen wir die internationalistische
Linke zum Ende der Bescheidenheit auf.
Wir laden politische Gruppen zur ideellen und finanziellen Unterstützung
und natürlich zur Teilnahme ein.
Bundeskoordination
Internationalismus (BUKO) |
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