fight the european agenda 2010
Gegeninformationsbüro
12. Dezember 2004
Die „Agenda 2010“ – in der BRD eng mit den Namen Hartz,
Riester und Rürup verknüpft – ist nicht nur ein nationales,
sondern ein europaweites Projekt
In der BRD gab und gibt es gegen die Zerschlagung der sozialen Sicherungssysteme
Proteste. Am 3. April 2004 demonstrierten 500 000 Menschen in Berlin, Köln
und Stuttgart und zu Hochzeiten trugen 200 000 Montagsdemonstranten ihre
Wut auf die Straße.
Aber nicht nur in der BRD, sondern überall in Europa formiert sich Widerstand:
So konnte durch einen Generalstreik in Spanien 2002 das Absenken des Arbeitslosengeldes
verhindert werden. Die größte Demonstration seit 20 Jahren in den
Niederlanden richtete sich 2004 gegen die „Arbeitsmarkreform“. Generalstreiks
gegen das Herabsetzten der Rentenbezüge gab es in Italien, Österreich,
Frankreich und Griechenland. Am 3. April 2004 demonstrierten 1,5 Millionen gegen
den Sozialabbau in ganz Europa.
Das sind nur ein paar Beispiele der europaweiten „Agenda 2010“ und
den Widerstand dagegen.
Im Jahr 2000 trafen sich die Regierungschefs der EU in Lissabon und beschlossen
die wirtschaftliche und soziale Erneuerung Europas. Erklärtes Ziel dieser
europäischen Agenda, ist es bis 2010 die EU zum konkurrenzfähigsten
und dynamischsten Wirtschaftraum der Welt zu machen. Um dieses Programm durchzusetzen,
müssen dem weltweiten Kapital Anreize gegeben werden, um in der EU und nicht
zum Beispiel in China, Japan oder den USA zu investieren.
Anreize für Investitionen schaffen heißt: Löhne senken, Arbeitszeit
verlängern, soziale Sicherungen zerschlagen. Durch Privatisierungen gesellschaftlichen
Eigentums zum Beispiel der Wasser- und Stromversorgung und des Renten- und Gesundheitswesen
werden lukrative neue Märkte für Konzerne erschlossen.
Nicht nur das: Die deutsch-französisch dominierte EU soll mit ihrer
Interventionsarmee bis 2010 den Zugang zu neuen Rohstoff- und Absatzmärkten
weltweit schaffen und sichern. Darüber hinaus gilt es die EU-Außengrenzen
für Flüchtlinge hermetisch abzuriegeln. Das Deportationslagersystem
rund um Europa wird weitrer perfektioniert. Abschiebungen in Folter und Tod sind
an der Tagesordnung.
Was mit den Menschen passiert, die existentiell durch diese Maßnahmen
bedroht sind, interessiert innerhalb der kapitalistischen Logik niemand.
Obwohl der Hautfeind im „eigenen Land“ steht, können unsere
Proteste gegen die „Agenda 2010“, wenn sie Erfolg haben sollen, sich
nicht nur gegen die nationalen Vertreter von Regierung, Opposition und Wirtschaft
richten, sondern müssen auch gegen die Europäischen Vertreter gerichtet
sein.
Bei den europäischen Grenzen halt zumachen wäre allerdings falsch,
denn die Menschen sind weltweit von Ausbeutung und Unterdrückung betroffen.
Lasst uns als einen Teil des weltweiten Kampfes gegen das kapitalistische System – welches
nur auf Profit ausgerichtet ist – begreifen.
Unser Ziel ist eine Gesellschaft zu schaffen, in der wir für unsere
Bedürfnisse leben und arbeiten und nicht für die Profite des Kapitals.
Hoch die Internationale Solidarität
Weg mit der Europäischen Agenda 2010 und allen neoliberalen Programmen
weltweit
Für eine kämpferische Basisbewegung in den Betrieben, der Gewerkschaft
und den Stadtteilen
Wir bekommen nur das, wofür wir kämpfen –
Unsere Agenda heißt Widerstand
Auswirkung der Agenda auf
verschiedene EU-Staaten
Großbritannien
Arbeitsmarkt: Lohnersatzleistungen wurden von Beitragszahlung entkoppelt
und auf halbes Jahr begrenzt. Die Förderung von Niedriglohnjobs gehört
ebenso zur New Labour-Strategie wie die Voll- oder Teilprivatisierung öffentlicher
Infrastruktur und im Bildungssystem (Public-Private-Partnership, Einführung
beziehungsweise drastische Erhöhung von Studiengebühren).
Rente: Aufgrund niedriger Grundrente (16 bis 20 Prozent des Durchschnittslohns)
hängt die Alterssicherung im Wesentlichen von Pensionsfonds und Betriebsrenten
ab. Beide stehen nach dem Platzen der Blase der New Economy vor massiven Finanzproblemen.
In der Diskussion ist eine Förderung verlängerter Lebensarbeitszeit
von 65 bis zu 70 Jahren.
Gesundheit: Auseinandersetzung um Teilprivatisierungen im National Health
System, vor allem der Krankenhäuser.
Italien
Arbeitsmarkt: Einschränkung des Kündigungsschutzes in Betrieben
ab 15 Beschäftigten; Flexibilisierung des Arbeitsmarktes durch individuelle
Arbeitsverträge, Recht von Unternehmen, ganze Belegschaften mit Leiharbeitskräften
zu besetzen und sich in viele Mini-Einheiten aufzuteilen.
Rente: Begleitet von mehreren Generalstreiks (so am 24. Oktober 2003) betreibt
die Regierung Berlusconi die Verlängerung der tatsächlichen Lebensarbeitszeit
von zurzeit 59,4 auf zunächst 63 und ab 2008 auf 65 Jahre (Männer)
und des Beitragszeitraums von 35 auf 40 Jahre.
Gesundheit: Private Zuzahlung bis 36 Euro pro Verordnung (deckt maximal acht
Leistungen ab), Zahnersatz ist keine Versicherungsleistung, Rezeptgebühr,
gestaffelte Selbstbeteiligung bei Medikamenten.
Frankreich
Rente: Trotz umfangreicher Generalstreiks – so am 3. Juni 2003 – hat
die Regierung Raffarin unter anderem eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit
von 37,5 auf 40 Beitragsjahre (in 2008, 41 Jahre in 2012 und 42 in 2020) durchgesetzt
sowie Abschläge von drei Prozent bis sechs Prozent (in 2008) pro Jahr bei
vorzeitiger Rente; Einführung einer kapitalgedeckten Zusatzversicherung.
Gesundheit: In den letzten Jahren wurden Erstattungen für Medikamente,
Prothesen und ärztliche Leistungen (von zwei auf 20 Euro pro Arztbesuch)
beständig erhöht. Hörhilfen, Brillen und Zahnimplantate werden
nicht oder nur noch minimal erstattet. Mitte 2004 will die Regierung neue Vorschläge
zum Defizitabbau der Krankenversicherung vorlegen, unter anderem: Senkung der
Lohnersatzleistungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst,
Anhebung der allgemeinen Sozialabgabe, Rezeptgebühr, Beteiligung an Kosten
des Krankenhausaufenthalts.
Spanien
Arbeitsmarkt: Die von der Regierung in Angriff genommene Verschärfung
des Bezugs von Arbeitslosengeld musste nach einem Generalstreik am 20. Juni 2002
wieder zurückgenommen werden.
Niederlande
Arbeitsmarkt: 2003 neues Sozialabkommen: Einfrieren der Löhne in 2004
und 2005; Verzicht der Regierung auf geplante Verschlechterungen beim Vorruhestand,
der Arbeitslosen- und Arbeitsunfähigkeitsversicherung; Sozialleistungen
sollen ab 2006 wieder an die Lohnentwicklung (statt Inflation) gekoppelt werden
und Regierung stützt die Krankenversicherung mit 200 Millionen Euro.
Rente: Im Rahmen der Vereinbarungen mit den Tarifvertragsparteien hat die
Regierung geplante Verschlechterungen im Vorruhestand ausgesetzt; in 2004 soll
das Frühverrentungssystem neu verhandelt werden.
Gesundheit: Ab einem Jahreseinkommen von 30 700 Euro obligatorische
private Zusatzversicherung. Selbstbeteiligung beim Arztbesuch. Für Arzneimittel,
die auf der Positivliste vermerkt sind, übernimmt die Krankenkasse die Kosten
ohne Zuzahlung. Lange Wartezeiten für operative Eingriffe.
Griechenland
Rente: Generalstreiks (so im Mai 2003) gegen Verschlechterungen bei der Altersrente:
Verlängerung der Lebensarbeitszeit bis 65, Abschaffung der Mindestrente,
Rentenkürzungen (Durchschnittsrente entspricht knapp 50 Prozent des durchschnittlichen
Arbeitseinkommens).
Gesundheit: Selbstbeteiligung bei Medikamenten, 25 Prozent bei Zahnersatz,
Brillen, Prothesen, Hörgeräten.
Schweden
Rente: Nach der in 2001 in Kraft getretenen Rentenreform gibt es eine Basisrente
(ab 65 Jahre) und einen einkommensabhängigen Pensionsfonds (öffentlich
oder privat) mit einem demografischen Faktor (Pension nach Lebenserwartung, nicht
vor dem 61. Lebensjahr). Zugrunde gelegt werden nicht mehr die „besten“ 15
Jahre, sondern die gesamten Erwerbseinkommen.
Gesundheit: Das schwedische Gesundheitssystem hat eine Radikalkur hinter
sich: Krankenhäuser wurden geschlossen, Personal entlassen mit der Folge
langer Wartezeiten; überall wurden Wettbewerbselemente eingeführt.
Selbstbeteiligungen maximal 97,43 Euro/Jahr: Krankenhaus (8,62 Euro/Tag), Arzt
(bis 28,15 Euro). Selbstbeteiligung an Arzneimitteln bis maximal 463 Euro/Jahr.
Zahnbehandlung bis 20. Lebensjahr kostenlos.
Dänemark
Arbeitsmarkt: Bereits ab Mitte der 1990er Jahre wurde eine Politik der „Rechte
und Pflichten“ verfolgt: unter anderem Kürzung der maximalen Bezugsdauer
des Arbeitslosengeldes von neun auf vier Jahre, Recht auf eine dreijährige „Aktivierungsphase“ mit
Lohnzuschüssen, Jobtraining/-rotation, Weiterbildung; bei Zurückweisung
werden Leistungen gekürzt beziehungsweise gestrichen.
Rente: Das Einkommen während des Vorruhestands (von 60 bis 65 Jahren)
ist niedriger als das Arbeitslosengeld, aber höher als die Grundrente, maximal
1660 Euro; es ist keine rein steuerfinanzierte Leistung mehr, sondern wird durch
einen über die Arbeitslosenkasse eingezogenen Eigenanteil mitfinanziert;
zudem wirkt die Inanspruchnahme rentenmindernd. Pläne, den Vorruhestand
umfassender einzuschränken, sind bislang am Widerstand von Gesellschaft
und Gewerkschaften gescheitert.
Gesundheit: Selbstbeteiligung bei Zahnbehandlung 35 bis 60 Prozent; Zahnersatz
keine Versicherungsleistung, nach Ausgaben gestaffelte Selbstbeteiligung an Arzneimitteln
(bis 69 Euro: 100 Prozent, bis 167 Euro: 50 Prozent und so weiter)
3. Januar 2005
Bundesweiter Agenturschluss. Arbeitsagenturen und PersonalServiceAgenturen
werden lahm gelegt. 10 Uhr Leopoldplatz in Wedding.
Mehr Infos unter www.labournet.de
9. Januar 2005
Liebknecht und Luxemburg Demo in Berlin 10 Uhr Frankfurter Tor
Kommt zum Internationalistischen Block mit dem Motto: Nieder mit der „Neuen
Weltordnung“ – Solidarität mit den Kämpfenden gegen Krieg,
Ausbeutung und Herrschaft
19. März 2005
Halbszeittreffen der EU über die Lissabon-Strategie und Europaweite
Demo dagegen in Brüssel
2. April 2005
Europaweiter Aktionstag für Legalisierung aller „Sans Papiers“ und
für die Schließung aller Abschiebezentren
6. bis 9. Juli 2005
Proteste und Aktionen gegen den G8-Gipfel in Schottland
Informationsbroschüre
der Gruppe „Weg mit der Agenda“ / Gegeninformationsbüro
(Juli/August 2004) mit Infos und Tipps zu Hartz IV (ALGII/Sozialgeld) als pdf-Datei
bei
www.gegeninformationsbuero.de