Der Kapitalismus tobt sich aus!
Gegeninformationsbüro 29.
September 2004
Die so genannte Arbeitsmarktreform schafft keinen Arbeitsplatz und
es war nie Ziel, auch nur einen Arbeitsplatz zu schaffen. Die Ziele der Agenda
2010 (Hartz I, II, III, IV, Rentenreform, Gesundheitsreform, Modernisierung der
Bundeswehr, Umbau des Bildungssektors im ausschließlichen Wirtschaftsinteresse)
bestehen nur zum Teil aus der Zerschlagung der sozialen Sicherungssysteme. Wichtigstes
Ziel ist die Zerschlagung der Tarifautonomie und die Schaffung eines zweiten
Arbeitsmarktes zu Lohnkosten, die den Begriff Lohn nicht mehr verdienen.
Wir müssen erkennen, dass wir nicht erst als Arbeitslose die Folgen der
Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe zu spüren bekommen, sondern
die Ausweitung des Billiglohnsektors als aller erstes die Arbeitenden trifft.
Hartz IV ist ein Angriff auf die sozialen Rechte aller. Die größte
Verachtung erfahren Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber/innen, alle Personen
im Flughafenverfahren, Geduldete und die so genannten Ausreisepflichtigen. Sie
haben keinen Anspruch auf ALG II. Diese Leute müssen, wenn das Arbeitslosengeld
ausläuft, jetzt mit der Leistung nach dem Asylbewerbergesetz auskommen.
Diese Leistung liegt etwa 30 Prozent unter dem Niveau des künftigen ALGs
II. Ungefähr 280 000 Menschen könnten zukünftig betroffen
sein.
Mitte der achtziger Jahre wird die Durchsetzung von Lohndumping mit den so genannten
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen betrieben. Als zusätzliche Arbeitsplätze
propagiert, verdrängten sie die angestammten Arbeitenden vor allem im karitativen
und sozialen Bereich, aber zum Beispiel auch schon in anderen Beschäftigungszweigen
wie dem Gartenbau und der Landschaftspflege. Vor anderthalb Jahren wurde mit
der Schaffung der Personal Service Agenturen der nächste Schritt eingeleitet,
indem in der freien Wirtschaft billige Arbeitskräfte eingesetzt werden,
die nicht mehr an branchenübliche Tarife gebunden sind. Künftig wird
die Aushebelung der Löhne in Form der Ein-Euro-Jobs verschärft. Kirchen
und Wohlfahrtsverbände haben hier auch schon ihr Interesse angemeldet.
Die Diskussion kann nicht mehr dahingehend geführt werden, wie neue Arbeitsplätze
geschaffen werden können, sondern wie die vorhandene Arbeit so aufgeteilt
wird, das jeder Arbeit hat und das nicht nur so, dass es knapp zum Überleben
reicht. Es ist eher fraglich, ob und wo neue Arbeitsplätze entstehen können.
Kriegsminister Struck gab dazu kürzlich zumindest eine klare Richtung an,
als er darauf verwies, dass Hartz IV auch im Bereich der Aufstockung und Aufrüstung
des Militärs seine Früchte tragen wird. Der Rüstungssektor wird
ja seit jeher gern als Arbeitsplatzbeschaffung genutzt. Ein weiterer Boomsektor
entsteht im Bereich der Überwachung, Kontrolle und Repression in allen gesellschaftlichen
Bereichen bis in die Privatsphäre.
Um solche Arbeitsplätze nicht künstlich neu zu schaffen, sondern die
vorhandenen zu nutzen und dabei jedem Menschen den Anteil an produzierten Gütern
zuzusichern, den er braucht, gibt es einen Weg:
- gesetzliches Verbot von Überstunden
- 30 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich
- gerechte Verteilung des Erwirtschafteten
Wer meint, dazu wäre nicht genug Geld da, lese nachfolgende Auswertung der Daten
des statistischen Bundesamtes zur Verteilung der wirtschaftlichen Gewinne: Im
Jahr 2003 wurden von den arbeitenden Menschen insgesamt 2,14 Billionen Euro erarbeitet
(90,7 Prozent der Haushalte). Davon wurden als Gesamtlohn- und Gehaltskosten
1,132 Billionen Euro ausgewiesen (inklusive Arbeitgeberanteile). Abzüglich
der Beiträge für soziale Sicherungssysteme von 445 Milliarden Euro.
Von den restlichen 687 Milliarden gehen 380 Milliarden an Lohn-, Mehrwert- und
diversen Verbrauchersteuern ab, bleiben also 300 Milliarden Euro. Im Gegensatz
dazu streichen zwei Prozent der Bevölkerung aus Kapital- und Vermögenserträgen
Netto 350 Milliarden Euro ein – ohne den Finger zu rühren. (Alle
Angaben statistisches Bundesamt). Zum Steuereinkommen des Staates tragen die
arbeitenden Menschen 79,2 Prozent, die Kapitaleigner/ Unternehmer 12,2 Prozent
(Rest Zölle und ähnlichem) bei. (Quelle: Junge Welt 31. Dezember 2003)
Oder kurz: viele Menschen erarbeiten, was Einige wenige absahnen. Wir wollen
die gerechte Aufteilung des Kuchens!
Wer meint, dass diese die oben genannten Forderungen innerhalb des kapitalistischen
Systems nicht realistisch sind, könnte Recht haben.
Trotzdem oder deshalb: wir lassen uns nicht von Parteien, Gewerkschaften oder
aufstrebenden Gruppierungen vereinnahmen! Organisieren wir uns selbst in den
Stadtteilen, wo wir wohnen und in den Betrieben, wo wir arbeiten, und bringen
wir die Proteste an den Arbeitsplatz und die Wohnbezirke. Lassen wir uns nicht
spalten! Kämpfen wir gemeinsam – ob arbeitslos oder beschäftigt,
ob hier geboren oder anderswo – für eine Gesellschaft, in der
wir für unsere Bedürfnisse arbeiten und nicht für die Profite
des Kapitals und der herrschenden Klasse.
Wir bekommen nur das, wofür wir kämpfen.
Unsere Agenda heißt Widerstand!