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Der
Unsinn hat Methode
von Winfried Wolf
Doch warum jammern die Unternehmer?
Ganz einfach: Die Herren haben Blut geleckt.
Eine 50-Tage-Bilanz von „Rot-Grün II“
Die SPD erlebt seit der Bundestagswahl vom September 2002 einen Absturz in den
Umfragen, und die CDU/CSU erlebt einen Aufstieg, wie es ihn noch nach keiner Bundestagswahl
gab. Lagen die beiden führenden Parteien der konkurrierenden Blöcke
am 22. September 2002 noch gleichauf, so trennen sie derzeit mehr als zehn Prozentpunkte.
Die Tatsache, daß die Grünen einen leichten Anstieg erleben und die
FDP etwas verlor, ändert nichts an der allgemeinen Tendenz. Die PDS, dies
sei der Vollständigkeit halber erwähnt, konnte ihr Vier-Prozent-Ergebnis
halten. Dazu läßt sich negativ sagen, die PDS profitiert nicht von
der Krise der Regierung, und positiv: Trotz der geringen Außenwirkung der
PDS, für die diese Partei selbst Verantwortung trägt, und trotz des
Abgangs eines großen Teils ihrer Führungscrew gab es keinen erkennbaren
Einbruch in der Wählergunst.
Schuld am Imageverlust von „Rot-Grün II“ ist nicht die Stärke
der CDU/CSU. Im Gegenteil. Nach denselben Umfragen glaubt ein großer Teil
der Bevölkerung, eine CDU/CSU-geführte Regierung würde es „nicht
besser machen“. Dabei ist die Kritik im „eigenen“, SPD- und
Grünen-Lager massiv. So teilte Oswald Metzger mit, Eichel habe sehr wohl
um das hohe Staatsdefizit gewußt. Und Oskar Lafontaine verglich Schröder
mit Brüning und warnte vor Folgen, wie es sie 1929 mit der Weltwirtschaftskrise
gab.
Parallele zu Japan?
Auch international ist die Bilanz der neuen alten Regierung verheerend. In der
Financial Times (17. November 2002) fand sich die Schlagzeile – angelehnt
an das Bild vom „kranken Mann am Bosporus“ vom Anfang des 20. Jahrhunderts:
„Der kranke Mann in Berlin“. Financial Times Deutschland berichtete
am 12. Dezember, die Top-Rating-Agenturen der Welt wollen die Kreditwürdigkeit
der Bundesrepublik Deutschland herabstufen und ziehen Parallelen zu Japan, dem
zweitgrößten kapitalistischen Land, das seit 1992 eine tiefe Krise,
Depression und Deflation durchlebt.
Richtig ist: Die SPD-Grünen-Regierung „entdeckte“ nach der Wahl
ein gewaltiges Haushaltsloch, so daß für das laufende Haushaltsjahr
ein Nachtragshaushalt über 13,5 Milliarden Euro beschlossen werden mußte.
Das diesjährige Haushaltsdefizit ist damit bei einer Nettokreditaufnahme
des Bundes von 34,6 Milliarden Euro das zweitgrößte in der Geschichte
der Bundesrepublik. Richtig ist weiter, ausgerechnet die Bundesregierung erfüllt
das wichtigste Maastricht-Kriterium nicht mehr, nach dem das jährliche Defizit
drei Prozent nicht übersteigen darf. Mehr noch. Das zweite Maastricht-Kriterium
besagt, die addierten öffentlichen Schulden dürfen nicht mehr als 60
Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) ausmachen. Auch dieses Kriterium wird von
der BRD erstmals nicht mehr erfüllt. Die addierten öffentlichen Schulden
werden 2002 bei rund 62 Prozent des BIP liegen. Beim Jahresdefizit lag in der
EU nur Portugal ähnlich „daneben“ – 2002 mit 3,4 Prozent.
Beim Anteil der addierten öffentlichen Schulden ist Berlin im unteren Drittel
der EU-Liga angelangt.
Nun teilt die Linke in keiner Weise die Ideologie, die mit den Maastricht-Kriterien
verbunden ist. Sparen an sich ist nicht fortschrittlich. Und Schulden machen an
sich ist nichts Verwerfliches. Allerdings sollte zunächst festgestellt werden,
daß ausgerechnet diese Bundesregierung, die europaweit als Lehrmeister des
Sparens und der Haushaltsdisziplin auftrat, nun ihre eigenen Maßstäbe
verletzt. Ausgerechnet „Zuchtmeister“ und „Sparkommissar“
Eichel hat die Bevölkerung mit seinen Sparerfolgsmeldungen derart belogen,
daß sich die Balken bogen. Und nach der Wahl trat er auf wie jemand, der
zum ersten Mal in die Bücher schaut und erst einen „Kassensturz“
machen muß, um festzustellen, daß ihm 13,5 Milliarden Euro fehlen,
die nun auf bösartige Weise einzutreiben sind. Und dies ist für die
Linke die Crux: Das neue Schuldenmachen und das Überschreiten des Defizitkriteriums
sollen allein den Einkommensschwachen aufgebürdet werden. Die
Gewerkschaften sind schuld?
Seit Wochen erleben wir eine seltsam verquere Diskussion. Der Grund für den
„Fehlstart“ von Schröder-Fischer II seien – die Gewerkschaften!
Diese hätten mehr Macht als der ganze Bundestag, kolportiert Friedrich Merz
(CDU) den Spiegel (47/2002). In den Worten von Meinhard Miegel, Direktor des Instituts
für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn: „Wie einen Tanzbären
führen die Gewerkschaften die Regierung am Nasenring durch die Manege.“
Der Spiegel zeichnete Schröder als Gefangenen der Gewerkschaften und veröffentlichte
eine Liste der „190 von 251 SPD-Bundestagsabgeordneten“, die „in
einer Gewerkschaft Mitglied“ wären und schon von daher den Kanzler
im Schwitzkasten hätten. Da heißt es dann wörtlich: „Das
Konzept der neuen Mitte ist passé. Der Genosse Kanzler hat sich von den
Bossen abgewandt. Seine neuen Freunde sind die DGB-Funktionäre, die im Wahlkampf
für sich geworben haben – und die nun reich belohnt werden.“
(Spiegel 47/2002)
Stimmt denn das? Verfolgen SPD und Grüne urplötzlich eine „Politik
im Sinne der Gewerkschaften“? Ist Schröder ein „Gefangener der
DGB-Funktionäre“? All das ist Unsinn. Doch der Unsinn macht durchaus
Sinn.
Tatsache ist: Die neuen Maßnahmen der Bundesregierung richten sich in erster
Linie gegen Erwerbslose, gegen lohnabhängig Beschäftigte und dabei insbesondere
gegen diejenigen mit „klassischen Arbeitnehmereinkommen“, eigentlich
die wichtigste Klientel der Gewerkschaften.
Unsere Kritik richtet sich nicht gegen die geplante höhere Besteuerung der
privaten Nutzung von Firmenwagen. Sollte es dabei bleiben, wäre das immerhin
eine kleine Beschneidung von Privilegien sehr gut Verdienender. Vergleichbares
gilt für die Streichung der Eigenheimzulage für einen Teil der bisher
Berechtigten. Diese Zulage ist wenig sozial und befördert die Zersiedelung.
Unsere Kritik richtet sich auch nicht gegen höhere Bemessungsgrenzen bei
der Sozialversicherung. Hier handelt es sich um eine Maßnahme, die in die
richtige Richtung – in Richtung auf Verbreiterung der Basis der solidarischen
Versicherungssysteme – weist.
Doch die wichtigsten „Beiträge“, um die neuen Haushaltslöcher
zu stopfen, sind erstens die Anhebung der Abgaben zur Rentenversicherung, zweitens
die zusätzlichen Energieverteuerungen ab 1. Januar 2003 und drittens die
Veränderungen bei der Umsatzsteuer (z. B. Aufhebung des ermäßigten
Steuersatzes bei Blumen und Zahnersatz). Unterschiedliche Berechnungen –
auch solche aus DGB-Kreisen – besagen: Allein durch diese drei Veränderungen
ab 1. Januar wird ein Single-Haushalt mit 2500 Euro Bruttoeinkommen pro Monat
16 Euro weniger im Portemonnaie haben, ein Familienhaushalt mit zwei Kindern und
4000 Euro Bruttoeinkommen hat 34 Euro Verluste, und bei einem Haushalt mit zwei
Kindern und einem Bruttoeinkommen von 5100 Euro fehlen im Monat 112 Euro in der
Familienkasse.
Viele Beobachter werfen SPD und Grünen vor, sie handelten konfus und seien
unentschieden je nach den auf sie einwirkenden Kräften. Da ist sicherlich
viel Wahres dran. Das Sparprogramm ist in sich widersprüchlich. So heißt
es noch im neuen Koalitionsvertrag, der nur wenige Wochen alt ist, der Rentenbeitrag
solle auf maximal 19,1 Prozent angehoben werden – inzwischen sind 19,5 Prozent
beschlossen. Die „Riester-Rente“ wurde in 2001/2002 damit „begründet“,
daß es mit ihr gelingen werde, den Rentenbeitrag „dauerhaft stabil“
zu halten bzw. in der Tendenz sinkend zu gestalten. Schließlich hieß
es bei Einführung der Ökosteuer im Jahr 1999, deren Einnahmen würden
in eine Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge münden. Nun erleben
wir ab 1. Januar 2003 den grotesken Vorgang, daß die Ökosteuer ein
weiteres Mal ansteigt – und gleichzeitig die Sozialversicherungsbeiträge
angehoben werden.
Alles erst der Anfang
Dabei ist das alles erst der Anfang. Die Krankenversicherungsbeiträge steigen
ebenfalls – trotz gegenteiliger Beteuerung. Am 10. Dezember 2002 teilte
die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) mit, zum Jahreswechsel ihre Sätze
von 14,5 auf 15,2 Prozent anheben zu wollen. Die Barmer und andere Kassen erhöhen
ihre Beitragssätze ebenfalls.
Bis Sommer 2003 soll die „Rürup-Kommission“ ihre Vorschläge
zur „Reform“ der Sozialversicherungssysteme bekanntgeben. Alle Beobachter
gehen davon aus, daß ihre Vorschläge auf weitere massive Privatisierungen
der Sozialversicherungssysteme hinauslaufen. Auch dies wird Nettoverluste für
schlecht Verdienende, für weniger gut Verdienende und für Normalverdienende
mit sich bringen.
Im November 2002 wurde der Haushalt der Nürnberger Anstalt für Arbeit
verabschiedet – einstimmig, also mit den Stimmen der Gewerkschaften. Er
sieht vor – und darauf basiert wiederum der neue Bundeshaushalt 2003 –,
daß die Bundesanstalt für Arbeit im Jahr 2003 mit fünf Milliarden
Euro weniger Zuschuß auskommen muß als 2002. Dabei wird ein Wirtschaftswachstum
von 1,5 Prozent und eine durchschnittliche Arbeitslosenzahl von 4,14 Millionen
unterstellt. Beides ist völlig unrealistisch. Das aber heißt: Von diesem
beschlossenen Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit wird ein zusätzlicher
Duck auf die Arbeitsämter und auf die Arbeitslosen ausgehen. Auch hier wird
„gespart, bis es quietscht“, wie der Berliner Regierende Bürgermeister
Klaus Wowereit sich auszudrücken beliebt.
Hartz: Statt 1:1 nun 1:0,8
Besonders laut ist das Gejaule der Unternehmer in Sachen Hartz-Kommission. So
schreibt der bereits zitierte Meinhard Miegel im Handelsblatt: „Peter Hartz
ursprünglich recht schlüssiges Konzept einer Arbeitsmarktreform wurde
von den Gewerkschaften solange verstümmelt, bis er sich von ihm distanzierte.“
Richtig ist, daß die Vorschläge der Hartz-Kommission nicht in jedem
Punkt 1:1 umgesetzt werden. Doch die Abweichung ist gering. Die nun praktizierte
Umsetzung in der Relation von 1 zu 0,8 ist schlimm genug – und eindeutig
gegen Lohnabhängige und Erwerbslose gerichtet. Ein zentraler Aspekt der Hartz-Vorschläge
wird umgesetzt – große Teile der Arbeitsämter werden in „Personalserviceagenturen
– PSA“ umgewandelt. Aus der Bundesanstalt für Arbeit wird so
eine Bundesanstalt für Leiharbeit. Es ist damit zu rechnen, daß in
rund einem Jahr die Zahl der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter um rund 200 000
gestiegen sein wird und nicht mehr primär versucht wird, einen Normalarbeitsplatz
für Erwerbslose zu finden. Vielmehr wird ein großer Teil dieser Erwerbslosen
vom Arbeitsamt, von der Personalserviceagentur oder einer von der PSA beauftragten
privaten Leiharbeitsfirma vermittelt werden, um das Heer der Leiharbeitskräfte
zu vermehren.
Der Einwand, die Gewerkschaften hätten doch erreicht, daß für
Leiharbeit der gleiche Lohn wie für die normal Beschäftigten im gleichen
Betrieb zu zahlen wäre, und deshalb PSA-Leiharbeitskräfte für die
Unternehmen „nicht attraktiv“ sein werden, sticht nicht. Tatsächlich
wird das PSA-Modell attraktiv sein, weil mit ihm den Bossen eine höhere Ausbeutungsrate
in Aussicht gestellt wird. Dies erfolgt auf dreierlei Weise. Zum einen hebeln
die Leiharbeitskräfte den Kündigungsschutz aus, das „Heuern und
Feuern“ wird Usus werden. Zum zweiten ist vorgesehen, daß in den ersten
sechs (oder mehr) Wochen bei einem PSA-Leiharbeitsverhältnis ein niedrigerer
Lohn bezahlt werden kann. Drittens soll es in den neuen Tarifverträgen Klauseln
geben, nach denen PSA-Leiharbeiter niedriger bezahlt werden können als Normalbeschäftigte
oder „normal befristet Beschäftigte“. Damit wird aber genau das
erreicht, was die Bosse wollten – und was Peter Hartz in seinem VW-Konzern
bereits erreicht hat: die weitere Spaltung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
durch ungleichen Lohn und ungleiches Gehalt für gleiche Arbeit.
Schröder gleich Brüning?
Oskar Lafontaine hatte in Bild, dem Blatt für radikalisierte Kleinbürger,
geschrieben. „Es ist, als wäre Heinrich Brüning wieder auferstanden,
jener Reichskanzler, der mit seiner Sparpolitik Massenarbeitslosigkeit verursachte
und Hitler den Weg bereitete.“ (19. November 2002) Dazu gab es eine heftige
Debatte. In der Frankfurter Rundschau erklärte z. B. der Historiker Heinrich
August Winkler: „Der Vergleich ist rundum abwegig.“ (23. November
2002) Ähnlich ablehnende Kommentare waren und sind auch aus dem linken Lager
zu hören.
Doch das ist gefährlich kurz gesprungen. Natürlich gibt es erhebliche
Unterschiede zwischen Brünings und Schröders Politik. Sicher gibt es
heute auch keine direkte Gefahr einer faschistischen Massenbewegung. Andererseits
war die NSDAP am Beginn der Weltwirtschaftskrise noch eine größere
Splitterpartei. Lafontaine hat aber seinen Vergleich primär auf Schröders
Wirtschaftspolitik und auf die Folgen derselben bezogen. Und hier ist ein Vergleich
– nicht eine Gleichsetzung – zwischen Brüning und Schröder
durchaus ernst zu nehmen.
Liest man heute die Regierungserklärung, die Brüning noch am 13. Oktober
1931 – also bereits auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise –
abgab, dann sind die Parallelen zu Schröders und Eichels Kurs durchaus erkennbar.
Brüning damals: „Die Reichsregierung nimmt für sich als einen
Erfolg in Anspruch, daß sie rechtzeitig ... mit entscheidenden Sparmaßnahmen
in den öffentlichen Ausgaben und mit einer Senkung der Erzeugungskosten begonnen
hat. Mit ihm gemeinsam wird ein Wirtschaftsprogramm ausgearbeitet ... Dieses Programm
hat als erste Voraussetzung ... die Aufrechterhaltung der Stabilität unserer
Währung.“ (Financial Times Deutschland, 22. November 2002)
Die Sparmaßnahmen von Schröder, Eichel, Clement & Co. führen
eindeutig zu sinkenden Einkommen. Ein Verlust von 16 bis 50 Euro netto je durchschnittlichem
Single- oder Familienhaushalt wird die Massennachfrage weiter reduzieren. Dies
findet statt in einer ökonomischen Situation, in der jederzeit die Gefahr
des Abkippens in eine Rezession besteht und wo die Ausfuhren als bisher wichtige
Konjunkturstütze wegen der internationalen Rezessionstendenzen bereits rückläufig
sind. Werden nun noch die internationalen Konjunkturrisiken einbezogen –
z. B. ein drohender „double dip“, ein Absturz in eine neue Rezession
in den USA, oder die tiefe, nunmehr zehnjährige Krise in Japan, oder die
Turbulenzen, die ein mit dem drohenden Irak-Krieg ansteigender Ölpreis mit
sich bringen wird –, dann muß die Wirtschaftspolitik unter der zweiten
SPD-Grünen-Regierung schlicht als katastrophal bezeichnet werden. Das „Sparen
um jeden Preis“ und ein starker Euro sind Zielsetzungen, die ähnlich
unsozial, gefährlich und irrational sind wie diejenigen, die ein Reichskanzler
Brüning verfolgte. Zumal die Politik von ganz oben dann auch in der Mitte
und ganz unten verstärkt praktiziert werden wird. Der Landkreis Offenbach
will z. B. „nach britischem Vorbild“ 88 Schulen durch private Firmen
betreiben lassen und u. a. Kosten für öffentlich Beschäftigte reduzieren.
(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 17. November 2002) Die Stadt Frankfurt
– nein: nicht die an der Oder, sondern die am Main – will in den nächsten
zehn Jahren die Löhne und Gehälter der städtischen Beschäftigten
mit „kurzfristigen Krediten“ bezahlen – und damit die städtischen
Ausgaben noch stärker in Richtung unproduktive Zinsausgaben verschieben,
also die konsumtiven und investiven Ausgaben zurückfahren. (FR, 23. November
2002) Der SPD-PDS-Senat in Berlin ist aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten und
will sich zum Rammbock beim Angriff auf den Flächentarifvertrag und zur bundesweiten
Absenkung der Einkommen der öffentlich Beschäftigten machen. All das
hat ein und dieselbe Wirkung: Senkung der Massennachfrage – Stärkung
der Krisentendenzen. Und genau dies kann eine teuflische Spirale nach unten auslösen
– durchaus so wie 1929 ff.
Doch warum jammern die Unternehmer? Ganz einfach: Die Herren haben Blut geleckt.
Sie erkennen die Schwäche der neuen Bundesregierung. Vor allem sehen sie
die Chance, der Gegenmacht der Gewerkschaften ein für allemal einen Schlag
zu versetzen, nachdem der Unternehmerwillkür Tür und Tor geöffnet
wäre. Meinhard Miegel schreibt dies im Handelsblatt (2. Dezember 2002) ganz
offen: „Die Bedingungen, die sie (die Gewerkschaften) zur Aufrechterhaltung
ihrer Existenz(!) benötigen, sind die gleichen, die die Gesellschaft seit
Jahren daran hindern, sich den Veränderungen ihrer Um- und Arbeitswelt anzupassen
... Es hilft nichts. Solange den Gewerkschaften nicht der Platz zugewiesen wird,
der ihnen als Interessenvertretung einer Minderheit zukommt – sie vertreten
gerade einmal ein Fünftel der arbeitenden Menschen dieses Landes –
ist es unmöglich, die Stagnation zu beenden. Es ist Zeit, dem beharrlichen
Nein aus Gewerkschaftsmund ein kraftvolles Doch entgegenzusetzen. An diesem Doch
ist die Regierung zu messen.“ |
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