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Die Bahn zur Unabhängigkeit
www.german-foreign-policy.com 18. Juli 2004


Die deutsche Regierung verschärft in zunehmendem Maße ihren einseitigen Druck auf die sudanesische Zentralregierung. Während die Staatssekretärin im Auswärtigen Amt Sanktionen gegen Khartum fordert, haben zwei Rebellenarmeen aus Darfur, die für die Autonomie des Gebietes eintreten, am gestrigen Samstag Friedensverhandlungen mit der Regierung einseitig abgebrochen. Unterdessen arbeitet die südsudanesische Rebellenorganisation SPLM/A an der Planung eines milliardenschweren Eisenbahnprojektes, das den erdölreichen Südsudan an die afrikanischen Staaten südlich der Sahara anbinden und eine vom Nordsudan unabhängige Erölvermarktung ermöglichen soll. „Das ist die Lebensader unserer Unabhängigkeit“, erklärt ein designiertes Mitglied der zukünftigen südsudanesischen Autonomie-Regierung. Die Eisenbahnverbindung wird von einem deutschen Unternehmen gebaut.


Wirtschaftsraum

Die Eisenbahnverbindung wird das südsudanesische Juba mit Kenia verbinden und in der kenianischen Hafenstadt Mombasa [1] enden. Von dort aus will die südsudanesische Rebellenorganisation SPLM/A die riesigen Erdölvorkommen des Südsudan vermarkten; der Transport in die nordsudanesische Hafenstadt Port Sudan entfiele, Khartum verlöre jeden Einfluss auf das Öl und seine Erlöse. Die Eisenbahnlinie, die die erste zuverlässige Transportverbindung zwischen Südsudan und seinen südlichen Nachbarstaaten sein wird, soll durch Abzweigungen nach Uganda ergänzt werden. Dem Verkehrsprojekt wird eine tragende Rolle bei der Erschließung der angrenzenden Gebiete und bei der wirtschaftlichen Anbindung des Südsudan an Kenia und Uganda zugeschrieben. Es sei geeignet, „die politische und geographische Landschaft des Kontinents zu verändern“, heißt es in der kenianischen Presse. [2]


Deutschland: ...

Den Auftrag zum Bau der Eisenbahnlinie (Finanzvolumen: Drei Milliarden Euro) hat das deutsche Unternehmen Thormählen Schweißtechnik aus Bad Oldesloe erhalten. [3] Thormählen hat inzwischen eine Vereinbarung mit der SPLM/A sowie den Regierungen Kenias und Ugandas unterzeichnet, ein kenianischer und zwei zukünftige südsudanesische Regional-Minister sowie der SPLM/A-Vizepräsident hielten sich im Juni zu weiteren Gesprächen in Bad Oldesloe auf. Anfang Juli verhandelten Vertreter des deutschen Unternehmens in der kenianischen Hauptstadt Nairobi über Planungsdetails. Kurz zuvor hatte sich die Staatssekretärin im Auswärtigen Amt (AA), Kerstin Müller (Die Grünen), dort aufgehalten. Sie werde „die Fortschritte im gesamtsudanesischen Friedensprozess mit Vertretern der kenianischen Regierung und den Konfliktparteien erörtern“, hieß es damals in einer Ankündigung des AA.


... Unbeugsam

Unterdessen verschärft die Berliner Regierung ihren einseitigen Druck auf Khartum und schwächt damit die Position der Zentralregierung. Wie der UN-Koordinator für Nothilfe in Krisengebieten, Jan Egeland, betont, sind die Übergriffe in Darfur „nicht nur die Schuld der Regierung. Es gibt dort viele Milizen und andere Kräfte.“ [4] Die Staatssekretärin im AA verlangt hingegen einen UN-Sanktionsbeschluss nur gegen die sudanesische Regierung, der Außenminister warnt im deutschen Fernsehen, der Sudan könne „kollabieren“. [5] „Beim Thema Darfur ist Deutschland eines der unbeugsamsten Länder“, kritisiert sein sudanesischer Amtskollege Mustafa Osman Ismail. Die sudanesische Presse hat Berlin kürzlich bezichtigt, Büros der Rebellenorganisationen in Deutschland zu dulden. Wenn die Bundesregierung sich nicht auch für ein Waffenembargo gegen die Rebellenarmeen einsetze, gefährde sie die Friedensverhandlungen, hieß es.


Inseln von Staatlichkeit

Eine Unabhängigkeit des Südsudan entspräche Vorstellungen, die Berliner Politikberater im vergangenen Jahr geäußert haben. Durch die Förderung regionalistischer oder separatistischer Organisationen sollten „Inseln von Staatlichkeit“ geschaffen werden, die es ermöglichten, „zu einem Staat zu kommen, der wieder unser Partner sein kann“, hieß es damals. [6] Solche Vorstellungen von einer völkischen „Neuordnung“ können auch auf den Sudan angewandt werden. Das Land habe willkürlich gezogene Grenzen und umfasse „fast 600 verschiedene (...) Völkerschaften“ aus „19 größeren Gruppen“, heißt es etwa in einer Schrift der Bundeszentrale für politische Bildung, die unter anderen Schülerinnen und Schülern kostenlos zur Verfügung gestellt wird. [7] In den verschiedenen außenpolitischen Regionalstrategien des AA für Afrika wird der heutige Gesamt-Sudan als einziger afrikanischer Staat nicht aufgeführt – weder unter den arabischsprachigen Staaten Nordafrikas (Khartum ist arabisch-islamisch geprägt) noch unter den Staaten Ostafrikas, die an den schwarzafrikanisch orientierten Südsudan angrenzen.


Fußnoten:
  1. siehe auch Deutsche Marine steht vor Kommando im Indischen Ozean [back]
  2. Special Report: Railway to Link Sudan and Kenya; The Nation 27. Juni 2004 [back]
  3. siehe auch Reichhaltige Bodenschätze [back]
  4. Sudan: Senior UN envoy to monitor progress on Darfur; United Nations Integrated Regional Information Network 15. Juli 2004; siehe auch Die Aufgaben der Schutzmacht [back]
  5. Statement von Bundesaußenminister Fischer zu seinen Gesprächen mit der sudanesischen Regierung in den „ARD Tagesthemen“ am 12. Juli 2004; www.auswaertiges-amt.de [back]
  6. siehe dazu Völkische „Neuordnung“ für Afrika [back]
  7. Sudan – Widerstand gegen den Zwang zur Einheit; Informationen zur politischen Bildung Heft 272, 2001 [back]
 18. Juli 2004