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Kampf um Sudans Öl
Jürgen Elsässer junge
Welt 29.
Juli 2004
Deutsches Unternehmen unterstützt die Rebellen, ein chinesisch geführtes
Konsortium die Regierung
Der UN-Sicherheitsrat soll auf Initiative der USA und der EU noch in dieser
Woche eine Resolution verabschieden, die Sanktionen gegen den Sudan ermöglicht.
Der moralische Druck, Interventionstruppen zu schicken, wird durch die dramatische
Darstellung des Elends in der westsudanesischen Provinz Darfur erhöht: Ging
die Nachrichtenagentur AFP noch am 15. Juli von 10 000 Umgekommenen im Krisengebiet
aus, sprach die EU zu Wochenanfang von 50 000 und die Neue Zürcher
Zeitung bereits von 100 000. Belege dafür gibt es nicht.
Deutschland und Großbritannien sind auf westlicher Seite die Einpeitscher
für eine militärische Intervention. Die Regierung von Anthony Blair
deutete am Wochenende an, ein britisch-australisches Truppenkontingent zu entsenden. „Beim
Thema Darfur ist Deutschland eines der unbeugsamsten Länder“, hatte
der sudanesische Außenminister Mustafa Osman Ismail schon vor zwei Wochen
kritisiert. Tatsächlich hatte sich die Grünen-Politikerin Kerstin Müller,
Staatsministerin im Auswärtigen Amt, schon im Dezember letztes Jahr für
eine Militärintervention ausgesprochen.
Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) wirbt seit
Mai für die Entsendung einer Eingreiftruppe, die aus afrikanischen Soldaten
bestehen und von der EU finanziert werden soll. Der FDP-Politiker Gerhart Baum
sprach sich Mitte Juli für eine „internationale Militärintervention
mit deutscher Beteiligung“ aus. Zwar hat auch der US-Kongress letzte Woche
die Bush-Regierung aufgefordert, „ernsthaft eine multilaterale oder sogar
unilaterale Intervention zu erwägen“ – das Weiße Haus
ist aber bis dato nicht auf diese Linie eingeschwenkt.
Dass Berlin so einseitig gegen die Regierung in Khartum Partei ergriffen hat
und die Verantwortung auch der südsudanesischen Rebellen von der SPLM/A,
der „Sudan People’s Liberation Movement/Army“ (Armee der Sudanesischen
Volksbefreiungsbewegung), für die humanitäre Krise in den Hungerregionen
niemals thematisiert, hat einen einfachen Grund: Ein deutsches Unternehmen hat
einen milliardenschweren Auftrag von diesen Rebellen bekommen. Es geht um die
Firma Thormählen Schweißtechnik aus Bad Oldesloe, die beispielsweise
im Jahre 2002 die Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Köln und Frankfurt/Main
gebaut hat. Anfang Juli wurde der Deal in der kenianischen Hauptstadt Nairobi
perfekt gemacht – übrigens kurz nachdem Staatsministerin Müller
dort gewesen war.
Thormählen soll eine Eisenbahnverbindung von der südsudanesischen Stadt
Juba über Uganda nach Kenia bauen. Tankzüge sollen sudanesisches Öl über
eine Strecke von 2500 Kilometern bis zur kenianischen Hafenstadt Mombasa transportieren.
Damit unterstützt das deutsche Unternehmen die Aufteilung Sudans. „Das
ist die Lebensader unserer Unabhängigkeit“, bejubelte Costello Garang,
ein Anführer der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLM/A, den Vertragsabschluß.
Die Eisenbahnverbindung „könnte die politische und geographische Landkarte
des Kontinents ändern“, stimmt das kenianische Magazin The Nation
zu. „Der Südsudan verfügt über reichhaltige Bodenschätze,
unter anderem Öl, Gold und Uran“, freut sich Firmenchef Klaus Thormählen.
Die christlich-animistischen Südrebellen kämpfen seit über zwanzig
Jahren um die Lostrennung von der moslemischen Bevölkerungsmehrheit. In
dem auf beiden Seiten grausam geführten Bürgerkrieg starben 1,5 Millionen
Menschen. Gerade als beide Seiten im letzten Jahr Verhandlungen begonnen hatten,
griffen die mit den Südrebellen verbündeten Aufständischen in
der Westprovinz Darfur zu den Waffen. So von zwei Seiten in die Zange genommen,
willigte die Regierung in Khartum Ende Mai 2004 schließlich in einen Friedensvertrag
ein, der den Südrebellen nach einer Übergangsfrist die Ausrufung eines
eigenen Staates ermöglicht.
Bisher wird das sudanesische Öl zwar hauptsächlich im Süden des
Landes gefördert, aber ausschließlich über einen Hafen im Norden
exportiert – Port Sudan am Roten Meer. Diese Pipelineführung entlang
der Nordsüdachse hält den Staat bislang zusammen, und deshalb setzt
die Regierung alles daran, sie auszubauen. Am Sonntag unterzeichnete sie einen
entsprechenden Vertrag mit Firmen aus Russland, China, Malaysia und den Vereinigten
Arabischen Emiraten sowie Frankreich und Großbritannien. Mit 1,7 Milliarden
Dollar Auftragsvolumen kann Khartum dem Konsortium allerdings nur etwas mehr
als die Hälfte der drei Milliarden Dollar bieten, die die Südrebellen
in den Bau ihrer Eisenbahnstrecke investieren wollen.
Ein Wettlauf mit der Zeit: Wird zuerst die von dem chinesisch geführten
Konsortium geplante Nordpipeline fertig, die den Sudan stabilisieren würde?
Oder die deutsche Eisenbahnlinie nach Süden, die ihn zerreißt? Je
mehr die Regierung in Khartum durch westliche Einmischung destabilisiert wird,
um so wahrscheinlicher wird die zweite Variante.
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