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Wir grüßen alle Gefangenen und Illegale
Brigitte Asdonk Internationalistische Konferenz Berlin
18. März 2006
Wir grüßen alle Gefangenen und Illegale, die sich weigern, sich den
Herren der neuen Weltordnung zu unterwerfen und alle diejenigen, die sie darin
unterstützen. Wir denken an die Toten und Ermordeten mit den Worten von
Ernst Bloch: „Die Toten kommen wieder, ihr Tun will mit uns nochmals werden.“
Ich will meinem Beitrag ein Zitat voranstellen, was ich richtig finde und was
so schwer zu machen ist, und zwar aus dem Buch Kamalatta von Christian Geissler.
Darin steht:„Es geht nicht, dass das so bleibt. Wo in Klassenkämpfen
der Knast nicht geöffnet wird, schlägt er Schatten auf jeden von uns.
Es darf kein Terrain geben, dass sie uns unantastbar machen. Was wir nicht angreifen
lähmt uns.“
Mit dem Satz „es geht nicht, dass das so bleibt“ meine ich hier die
scheinbar endlose Inhaftierung der Gefangenen aus der RAF. Aber nicht als Opfer
einer schier gnadenlosen bundesdeutschen politischen Justiz. Ich denke, ihr Widerstand
hat Bedeutung, ihr Widerstand hat Sinn, bis heute.
Auf dieser Konferenz geht es um politische Gefangene, um Krieg und um die Anti-Kriegsbewegung.
Blenden wir also zurück, nehmen wir als ein Beispiel den Anschlag der RAF
auf den Oberbefehlshaber der Nato, Alexander Haig 1979.
Hintergrund war, dass die Nato 1979 mit der so genannten Nachrüstung die
Stationierung atomarer Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen in Westeuropa
beschloss. Der Rüstungswettlauf mit der Sowjetunion ging seinem Höhepunkt
entgegen.
In der BRD entwickelte sich eine breite Friedens- und Anti-Kriegsbewegung, die
Hunderttausende mobilisierte und zu einer riesigen außerparlamentarischen
Protestbewegung wurde, die sich aus unterschiedlichen teilweise gegensätzlichen
politischen Strömungen zusammensetzte.
Als ich 1982 nach zwölf Jahren aus dem Knast rauskam, war ich überrascht,
als ich hörte, dass 1981 beim Besuch des US-Außenministers Haig in
Westberlin die Kommandoerklärung der RAF von 1979 auf den Strassen verteilt
wurde.
Haig war General im Vietnamkrieg, von 1974 bis 1979 Oberbefehlshaber der Nato,
danach Außenminister der USA. Zusammen mit Nixon, Reagan und Kissinger
stand er für eine rechtskonservative Außenpolitik, einer Politik der
Hochrüstung und Konfrontation, der Vorläufer der heutigen Bush-Administration.
Haig erklärte: „Es gibt wichtigere Dinge als im Frieden zu sein.“ Im
aktuellen ARD Film Huismanns über die Ermordung von John F. Kennedy behauptet
Haig, der verantwortlich war für Sabotageaktionen gegen Castro: Castro ließ Kennedy
ermorden.
Die Pressemitteilung vom 13. September 1981 lautet: Wegen des Besuchs von Haig
Zusammenstösse zwischen Rüstungsgegnern und der Polizei.
In einer Chronologie heißt es: Nach dem Ende einer Demo von 60 000
Menschen versuchen rund 5000 ausgehend vom Winterfeldplatz weiter zum Rathaus
Schöneberg zu demonstrieren, um den dortigen Empfang des US-Außenministers
Haig zu stören, dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei,
wobei diese teilweise die Initiative verlor.
Die RAF hatte 1979 zu ihrer Aktion gegen Haig geschrieben, dass er in einer besonderen
Präzision den neuen Kurs der amerikanischen Strategie repräsentiert
und exekutiert ...
Was sich verändert hat seit der politischen und militärischen Niederlage
der Vereinigten Staaten in Vietnam ist, das die Völker der Welt mit einer
neuen amerikanischen Offensive konfrontiert sind. Und dass dazu der Ausbau der
BRD zur aggressivsten US-Basis gehört.
Und Haig selbst: „Ebenso wenig kann sich Europa länger den Luxus leisten,
als Beobachter am Spielfeldrand zu stehen“.
1981 war die Einschätzung der RAF, dass eine weltweite aggressive Rekonstruktion
des Kapitals bevorsteht. In der Hungerstreik-Erklärung der Gefangenen 1981
heißt es:
„Wenn es so ist, müssen wir alle, die Befreiung und Verantwortlichkeit
wollen, ... in den Ländern, von denen seine wütende Expansion
ausgeht, weit genug sein, und die politisch militärische Gegenmacht entwickelt
haben, die den militärischen Einsatz des Overkill Potentials des US-Imperialismus
verhindert“.
Im August 1981, 14 Tage vor dem Haig Besuch in Westberlin detonierten vor dem
Hauptquartier der US-Luftwaffe in Ramstein zwei Sprengsätze. Die RAF sagt
dazu:
„Sie werden ihre Weltbeherrschungspläne nicht in Ruhe vorbereiten
und ausführen können ... sie wollen die Geschichte zurückdrehen ...
zur stärksten wieder alles beherrschenden Weltmacht zu werden ist ihr erklärtes
Ziel ... wenn die Imperialisten sich des Nahen Ostens und des Golfs nicht
mehr sicher sein können, werden sie von hier ihre Unterwerfungsmachine losschicken.“
Im September 1981, zwei Tage nach der Demo gegen Haig, erfolgt ein Anschlag auf
den Oberkommandierenden der US-Streitkräfte in Europa General Kroesen in
Heidelberg. Er legt fest, wann und wo Neutronensprengköpfe abgefeuert werden,
und er trifft sich regelmäßig mit der BAW und Geheimdiensten zur Abstimmung
und Lagebeurteilung in Sachen Anti-Guerilla-Kriegsführung, steht in der
Erklärung dazu.
Im Oktober 1982 kommt es in Bonn zu der bis dahin größten Anti-Kriegs-Demonstration
mit 300 000 Menschen.
In dieser gesellschaftlichen Situation entstand die riesengroße Hoffnung
unter Zehntausenden, tatsächlich den Kriegstreibern in den Arm fallen zu
können, auch mit den Mitteln des bewaffneten Kampfes, so umstritten er blieb.
Dafür rächt sich der Staat heute noch. Die historische Erfahrung ist,
dass immer wieder die Flammen des Aufstandes entstehen, erstickt werden und in
veränderten gesellschaftlichen Zusammenhängen neu entzündet werden.
Dies war Teil der Auseinandersetzung und Praxis der RAF vor 25 Jahren, die ich
hier nur ganz fragmentarisch beschreibe.
1982 werden Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar verhaftet. Seitdem sind sie
eingeknastet. 24 Jahre. Jahre mit langen Phasen der Isolation, Jahre, die zerstörerisch
sind. In diesem Kontext wurden auch Eva Haule 1986 und Birgit Hogefeld 1993 verhaftet
und zu lebenslänglich verurteilt.
Es geht nicht, dass das so bleibt.
Heute hat sich einiges verändert und verschärft, vor allem all das,
wie Winfried Wolf es gestern Abend eindringlich beschrieben hat, was die eigenen
imperialistischen Interessen der BRD und EU betrifft.
Insgesamt sind wir in einer Situation, in der der Fortbestand kapitalistischer
Herrschaft gesichert werden soll durch eine Militärmaschinerie noch nie
da gewesenen Ausmaßes. Die Rückkehr des Militärischen als Primat
der Politik plus atomare Kriegsführung.
Das Exempel, dass die Herrschenden an den Gefangenen aus der RAF exerzieren,
muss genauso wie der G8 Gipfel in Heiligendamm 2007, delegitimiert werden.
Mit militanten Optimismus gegen Resignation und Fatalität. |
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